Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 06.10.2019

(Axel Boer) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 6. OKTOBER 2019, NR. 40 wirtschaft 23


Greta Thunberg, das
sechzehnjährige Mäd-
chen mit den langen
Zöpfen, ist längst
weltberühmt – und
polarisiert. Die einen
feiern sie als Weltret-
terin, die anderen has-
sen sie. In der Debat-
te geht vieles durch-
einander. Valentina Camerini hat sich
Thunberg auf ihre ganz eigene Weise ge-
nähert und schreibt kindgerecht auf, wie
aus einer schwedischen Schülerin eine
Identifikationsfigur für eine Umwelt-
bewegung auf der ganzen Welt werden
konnte. In einer für Schulkinder geeigne-
ten Sprache erzählt Camerini von den
Anfängen, dem Streik vor dem Parla-
ment in Stockholm, den Schwierigkei-
ten, sich bei den Politikern Gehör zu ver-
schaffen. Und immer wieder von Thun-
bergs Mut, auch namhaften Journalisten
und Politikern mit langjähriger Erfah-
rung zu widersprechen. Ganz nebenbei
erklärt Camerini Phänomene wie die
Erderwärmung und die Bedeutung von
Kohlenstoffdioxid für die Atmosphäre.
Im Glossar finden sich zudem einige
Erläuterungen, die es Kindern (und
ihren Eltern) leichter machen dürften,
die Komplexität des Klimawandels zu
durchdringen.
Valentina Camerini: Gretas Geschichte. Du bist nie zu
klein, um etwas zu bewegen. Plaza, 2019.

Es ist nicht nur der
mitDiesel und Benzin
angetriebene Verkehr,
der die Erderwärmung
verursacht, verantwort-
lich sind auch die Ener-
gieversorgung und die
Ernährung. Jeremy Rif-
kin, der Ökonom, der
zuletzt mit seiner The-
se von der „Null-Grenzkosten-Gesell-
schaft“ die Büchercharts eroberte, hat
einen Vorschlag, all das auf einmal zu
lösen: Er fordert einen „Green New
Deal“. Aus der „Asche“ der fossilen
Energieträger gelte es „eine grüne
Kultur“ aufzubauen. Um 2028 werde die
fossil befeuerte Zivilisation kollabieren
und die ganze Welt in eine echte Klima-
krise stürzen. Für Rifkin ergibt sich
daraus die einmalige Chance, einen radi-
kalen Wandel anzustoßen – mit Hilfe
radikaler Ideen. Der Amerikaner fordert
etwa kostenlosen Ökostrom für alle, auto-
nome Elektromobilität und eine mitden-
kende Öko-Landwirtschaft. Angesichts
der drohenden Katastrophe rechnet
Rifkin damit, dass sich gerade noch
rechtzeitig ein „Bewusstsein für die Bio-
sphäre“ entwickelt und das Unheil in
letzter Sekunde abgewendet wird.
Jeremy Rifkin: Der globale Green New Deal. Warum
die fossil befeuerte Zivilisation um 2028 kollabiert –
und ein kühner ökonomischer Plan das Leben auf der
Erde retten kann. Campus Verlag, 2019.

Ihre neue Arbeitsstel-
le in der Verwaltung
einer Metallfabrik
nahe Mombasa sollte
der Kenianerin Phyl-
lis Omido eigentlich
Hoffnung geben.
Doch diese hält nicht
lange. Kurz nach ih-
rem ersten Arbeitstag
in der Fabrik, in der Altbatterien aus
den Industrienationen recycelt werden,
erkrankt Omidos kleiner Sohn lebensge-
fährlich. Die Diagnose: eine schwere
Bleivergiftung. Ursache sind die Um-
weltsünden der Recycling-Fabrik. Für
Omido beginnt ein Kampf gegen ihren
Arbeitgeber. Dafür setzt sie nicht nur
ihre wirtschaftliche Existenz aufs Spiel,
sie muss immer wieder um ihr eigenes
Leben und das ihres Sohnes bangen.
Das autobiographische Werk macht auf
packende und emotionale Weise deut-
lich, wie ungerecht das globale Wirt-
schaftssystem sein kann und wie schwie-
rig und gefährlich es in der Heimat der
Autorin ist, gegen bestehende Struk-
turen zu kämpfen.

Phyllis Omido: Mit der Wut einer Mutter. Die Geschichte
der afrikanischen Erin Brockovich. Europa Verlag, 2019.

Welche Maßnahmen
für den Klimaschutz
sind sinnvoll? Kann
ein einzelner Staat wie
Deutschland allein et-
was bewegen? Der
amerikanische Autor
Jonathan Foer nimmt
sogar jeden einzelnen
Menschen in die Ver-
antwortung. „Pflanzlich ernähren, Flug-
reisen vermeiden, auf ein Auto verzich-
ten, weniger Kinder kriegen“, das sind
seine Ratschläge. Foer greift auf eine
Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse
zurück. Allerdings pickt er sich nur die
heraus, die für seine Erzählung passen.
Natürlich könne ein einzelner Mensch
die Welt nicht retten, räumt Foer ein,
indem er auf Fleisch verzichte. Aber die
Hoffnung, dass sich Millionen andere
ebenfalls enthalten, sterbe zuletzt. Doch
nach der Lektüre bleibt wenig Neues
und viel Frustrierendes hängen.
Jonathan Safran Foer: Wir sind das Klima! Wie wir
unseren Planeten schon beim Frühstück retten können.
Kiepenheuer & Witsch, 2019.

Die Liebe zum Wald
hat Peter Wohlleben
zu seinem Beruf ge-
macht. Er ist Förster
und Bestsellerautor. In
einer Zeit, in der die
Waldbesitzer wegen
der Dürre um ihre
Existenz fürchten und
die Politiker den Wald
als Klimaretter entdeckt haben, kommt
sein neues Buch gerade recht. Wohlle-
ben schreibt darin über das Vermögen
der menschlichen Sinnesorgane zur
Kommunikation mit den Bäumen. Die
Lektüre ist wie ein Ausflug in eine ande-
re Welt, in der Bäume reden können –
und damit ist nicht das Flüstern der
Blätter im Wind gemeint. Wohlleben
versucht mit einer Vielzahl wissenschaft-
licher Studien zu belegen, dass der
Mensch auch mit Pflanzen kommunizie-
ren kann. Und er macht nebenher deut-
lich, dass der Mensch nach seiner An-
sicht nicht die Krone der Schöpfung ist,
sondern wie Pflanzen und Tiere ein
Teil eines sehr ausgeklügelten Systems.
Das Buch wird nicht jeden überzeugen.
Eine wohltuende Abwechslung von der
üblichen aktuellen Debatte um den
Wald ist es aber in jedem Fall.
Peter Wohlleben: Das geheime Band zwischen Mensch
und Natur. Ludwig Buchverlag, 2019.

FÜR ÖKONOMEN FÜR VEGETARIER FÜR GEFÜHLSMENSCHEN FÜR SCHÜLER FÜR NATURFREUNDE

Mit der Wut


einer Mutter


Klimaschutz


leicht gemacht


Waldbaden für


Fortgeschrittene


Ein neues


Wirtschaftssystem


Beim Frühstück


D die Welt retten


ie Frankfurter Buchmesse
steht kurz bevor. Das Mot-
to: Ideen, die die Welt be-
wegen. Ganz vorn dabei
in diesem Jahr: Allerlei
sinnige und unsinnige Vorschläge für
einen wirksameren Klimaschutz. Die
Buchmesse, die am 15. Oktober eröff-
net wird, greift dieses Thema in ihrem
Programm umfassend auf. Unter dem
Stichwort „Create your Revolution“
diskutieren in Frankfurt unter ande-
rem Klimaaktivistin Luisa Neubauer
von „Fridays for Future“ und der Pia-
nist Igor Levitüber den deutschen Kli-
maschutz.
Auch unter den Neuerscheinungen,
die auf der Messe präsentiert werden,
ist das Klima das Thema Nummer eins.
Hitzesommer, Waldsterben und Greta
haben die Autoren offenkundig kräftig
inspiriert. Es herrscht auf diesem Feld
eine regelrechte Bücherschwemme.
Den Überblick zu behalten ist schwie-
rig. Einen Versuch ist es aber trotzdem
wert, denn in der Menge findet sich
durchaus so manche Perle.
Die getroffene Auswahl ist freilich
subjektiv. Da gibt es den Ökonomen,
der gleich das ganze Wirtschaftssystem
ändern will, genauso wie die Mutter,
die sich um ihr vergiftetes Kind sorgt
und gegen ihren eigenen Arbeitgeber
zu Felde zieht. Bücher über Greta
Thunberg gibt es sowieso zuhauf. Hef-
tig diskutiert wird die Frage, wie viel
Verzicht in der Ernährung für den Kli-
maschutz nötig ist. Und natürlich darf
der angeblich sterbende deutsche
Wald in unserer kleinen Klima-Bücher-
schau auch nicht fehlen.

Bücher über Klimaschutz,


Gewissen und Verzicht


überschwemmen


den Markt. Wir haben


die interessantesten


und absurdesten gelesen.


Von Anna Steiner


Lesen


fürs Klima


Ein Schmelzwassersee am Großglockner: Die Pasterze, der größte Gletscher in den österreichischen Alpen, war vor 150 Jahren doppelt so groß wie heute. Foto Getty

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Erster Arbeitstag: DieBrennstoff-
zellebewährt sich im Alltagstest
in einem Kleintransporter. In ihr
wird mit Wasserstoff der Strom
für die Fahrt produziert.

Der Kohlenstoff, aus dem die
Leichtbauträume sind: Serienfähige
Fahrgastzellen aus carbonfaser-
verstärkten Kunststoffenverringern
das Fahrzeuggewicht. So helfen
E-Mobile beim Energiesparen.

Grüne Welle: Erstmals wird ein
Auto mit Brennstoffzellein Groß-
serie hergestellt. Die Zelle erzeugt
abgasfrei Strom für den Antrieb.

Runde Sache: E-Roller sind in
Deutschland erlaubt.Reifen
aus Urethanen – speziellen
Kunststoffen –verringern den
Rollwiderstand und senken
den Stromverbrauch.

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Schneller wieder auf der Straße:
Ziel ist es, dass die Lithium-
Ionen-Batterie eines elektrischen
Mittelklassewagens dankh h
leistungsfähiger Kathod
materialienin bereits
15 Minuten wieder geladen

hoch-
en-
nist.
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