Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 06.10.2019

(Axel Boer) #1

6 politik FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 6. OKTOBER 2019, NR. 40


Ran ans Grundgesetz


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MIMPRESSUM


S


chritt für Schritt versucht der
Bund derzeit, seinen Einfluss auf
die Bundesländer auszuweiten. Ei-
gentlich dürfte das gar nicht mög-
lich sein, denn das Verhältnis zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden gilt als
geklärt. Zu diesem Zweck gab es schließ-
lich zwei Föderalismusreformen, die den
mit der Zeit gewachsenen Kompetenz-
dschungel zwischen den drei Ebenen in
der Bundesrepublik lichten sollten.
Äußerer Anlass für die Reform war
ein Projekt aus der Zeit der rot-grünen
Bundesregierung unter Gerhard Schrö-
der: ein mit vier Milliarden Euro ausge-
stattetes Ganztagsschulprogramm. Schrö-
der konnte das damals noch relativ ein-
fach durchsetzen, aber beispielhaft zeigte
sich ein Grundkonflikt zwischen dem
Bund und den Ländern: Der Bund will
ein politisches Ziel erreichen und gibt da-
für viel Geld, die Länder lockt zwar die-
ses Geld, aber gleichzeitig pochen sie auf
ihre Hoheit, im Fall der Ganztagsschu-
len auf ihre Bildungspolitik. Naturgemäß
waren vor allem die unionsgeführten
Länder gegen Schröders Programm.
Die erste Föderalismuskommission
startete 2003. Wie wichtig sie genommen

wurde, zeigte schon die Besetzung: Die
politischen Schwergewichte Franz Mün-
tefering für den Bund und Edmund Stoi-
ber für die Länder standen ihr vor. Es
dauerte mehr als drei Jahre, bis man zu
Regelungen kam. Beschlossen wurde da-
mals: Der Bund darf durch seine Gesetze
den Gemeinden keine Aufgaben mehr di-
rekt übertragen, also unter Umgehung
der Länder. Obwohl das an sich sehr fö-
deral gedacht war, wurde es interessanter-
weise von Anfang an negativ ausgedrückt


  • als „Kooperationsverbot“.
    Die Föderalismusreform selbst war
    gleich mit mehreren Änderungen im
    Grundgesetz verbunden. Neunzehn Arti-
    kel wurden neu gefasst, vier ergänzt,
    zwei gestrichen. In einem zweiten
    Schritt wurden die Finanzbeziehungen
    zwischen Bund und Ländern geregelt.
    Diesmal waren dafür verantwortlich Pe-
    ter Struck, damals SPD-Fraktionsvorsit-
    zender, für den Bund und Günther Oet-
    tinger, damals Ministerpräsident von Ba-
    den-Württemberg, für die Länder. Als
    auch das abgeschlossen war, schien ein
    für alle Mal geklärt, wofür der Bund zu-
    ständig sein sollte und wofür die Länder.
    Aber das Leben erwies sich als kompli-


zierter. Das zeigte sich schon bald, als
der Bund wieder einmal versuchte, mit
viel Geld auf die Politik der Länder Ein-
fluss zu nehmen. Um nicht schon wieder
Kompetenzwirren zu produzieren und
eine verfassungsrechtliche Debatte her-
aufzubeschwören, sollte das Grundge-
setz elegant umschifft werden. Der Bund
übernahm die Bafög-Kosten von den
Ländern, die versprachen im Gegenzug,
die Entlastung ihrer Haushalte für Bil-
dung und Hochschulen zu verwenden.
Der Bund konnte nicht kontrollieren, ob
das Versprechen eingehalten wurde.
Und prompt schummelten einige Län-
der, indem sie das Geld anders verwende-
ten oder nur halbherzig für Bildung ein-
setzten. Das war 2015, noch heute kön-
nen sich die Haushälter im Bundestag
darüber aufregen.
Seitdem passt der Bund misstrauisch
auf, und prompt kriselt es schon wieder
im Verhältnis zwischen Bund und Län-
dern, als hätte es die Föderalismusre-
form gar nicht gegeben. Die jüngste Zeit
bot dafür gleich mehrere Beispiele. Etwa
den Digitalpakt. Der Bund hat viel Geld
und wollte damit überall im Land helfen,
die Schulen für die digitale Zukunft zu

rüsten. Fünf Milliarden Euro aus dem
Bundeshaushalt standen zur Verfügung.
Doch diesmal wollte der Bund sicherge-
hen, dass die Länder das Geld auch tat-
sächlich an die Schulen weitergegeben.
Und der Bund wollte auch kontrollieren,
wie es dort verwendet wird. Dazu aber
musste das Grundgesetz geändert wer-
den. Das wurde zu einer aufregenden Sa-
che, fast einem Krimi. Zuerst waren es
die von der Bafög-Geschichte verärger-
ten Haushälter aus dem Bundestag, die
buchstäblich in einer Nacht-und-Nebel-
Aktion in den Gesetzestext eine ganz be-
sondere Sicherung einzubauen versuch-
ten: Bundesgelder sollten künftig bei ähn-
lichen Vorhaben nur noch gewährt wer-
den, wenn die Länder die gleiche Sum-
me draufschlagen. Genau dieser Punkt
aber griff die Eigenständigkeit der Län-
der, griff ihr Haushaltsrecht an. Die Em-
pörung war groß.
Grundgesetzänderungen sind nun
mal keine Kleinigkeit, sie bedürfen im
Bundestag der Zweidrittelmehrheit.
Union und SPD brauchen dafür FDP
und Grüne, die das nicht zum Nulltarif
machen, sondern ihre Ansprüche anmel-
den. Noch einmal musste der Gesetzes-
text entsprechend verändert werden.
Dann kam es im Bundesrat zum
Schwur, und siehe: Die Länder lehnten
ab. Die reichen, angeführt von Baden-
Württemberg mit einem grünen Minis-
terpräsidenten, lehnten aus prinzipiel-
lem föderalistischen Geist ab, die ärme-
ren, weil sie die Bedingungen mit der
Ko-Finanzierung nicht akzeptieren
mochten. Kurz vor Weihnachten 2018
hatte sich das alles völlig verhakt, nichts
ging mehr. Erst zu Beginn dieses Jahres
wurde im Vermittlungsausschuss von
Bundestag und Bundesrat ein Kompro-
miss gefunden. Die Ko-Finanzierung
etwa ist gestrichen. Seitdem können die
Gelder für den Digitalpakt fließen. Ver-
spätet zwar, aber immerhin.
Nun ist es im parlamentarischen All-
tag so: Wenn das Grundgesetz schon
mal an einer Stelle geändert wird, dann
gibt es meistens auch gleich den Ver-
such, noch weitere Änderungen mit
durchzusetzen, also eine Art Huckepack.
Beim Digitalpakt etwa kamen noch Än-
derungen hinzu, die es dem Bund nun
auch erlauben, Bundeshilfen an die Län-
der gezielt für den Wohnungsbau und
den Nahverkehr auszureichen.
Und eigentlich sollte es bei dieser Ge-
legenheit auch noch eine weitere Ände-
rung in der Verfassung geben, die ein
ähnlich hohes Gewicht wie der Digital-
pakt gehabt hätte. Es ging um die soge-
nannten Gemeinschaftsaufgaben. Ein
sperriger Begriff, aber für den Alltag in

Deutschland eine wichtige Sache. Seit
den sechziger Jahren werden zwei sol-
cher Aufgaben in der Verfassung ge-
nannt, die Bund und Länder gemeinsam
finanzieren: die regionale Wirtschafts-
struktur verbessern, die Agrarstruktur
und den Küstenschutz stärken. Daran
hat auch die Föderalismuskommission
nicht gerüttelt, denn dass das im Grund-
gesetz so steht, ist gleichsam ein geldwer-
ter Vorteil. Milliarden Mark und später
Euro aus dem Bundeshaushalt sind so
schon in Projekte aller Art vom Bund
über die Länder in die Städte und Ge-
meinden geflossen. Pro Jahr steht mehr
als eine Milliarde Euro dafür bereit. Und
weil das bislang so gut funktioniert hat,
soll noch eine weitere, sehr aktuelle Auf-
gabe hinzukommen: die ländlichen Räu-
me stärken. So steht es auch im Koaliti-
onsvertrag, so sahen es auch die Länder
in einem Beschluss des Bundesrates vom
vergangenen Jahr. Und so sah es schließ-
lich auch die Kommission „Gleichwerti-
ge Lebensverhältnisse“, der die Frage
gleichsam wie einem Schiedsgericht vor-
gelegt wurde. Die Kommission, einge-
setzt vom Bundesinnenminister, der
Landwirtschafts- und der Familienminis-
terin, befand, es gehe um „Investitionen
in eine erreichbare Grundversorgung in
ländlichen Räumen sowie attraktive und
lebendige Ortskerne, so auch die Behe-
bung von Gebäudeleerständen“. Damit
schien alles auf dem besten Weg. Doch
diesmal scheiterte die Sache am Bundesfi-
nanzminister. Zusätzliches Geld für eine
neue Gemeinschaftsaufgabe sei nicht da,
hieß es. Die Sache liegt vorerst auf Eis,
so dringend sie ist.
Und schließlich sind auch die soge-
nannten Altschulden ein Beispiel dafür,
wie Bund und Länder nach wie vor um
ihre Beziehungen ringen. In Deutsch-
land sitzen einige Städte und Gemeinden
auf insgesamt etwa vierzig Milliarden
Schulden. Das betrifft aber nicht alle
Bundesländer, sondern vor allem Nord-
rhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und
Hessen. Auch darum ging es in der Kom-
mission „gleichwertige Lebensverhältnis-
se“. Dort wurde die Frage diskutiert:
Soll der Bund den Städten die Altschul-
den bezahlen, damit diese endlich wieder
investieren können und nicht noch wei-
ter heruntergewirtschaftet werden?
Wäre das gerecht, wo doch andere Län-
der wie Schleswig-Holstein und Nieder-
sachsen längst gegengesteuert und die
Kommunen unterstützt haben? Oder
Hessen inzwischen aus Landesmitteln
eine „Hessenkasse“ genau zu diesem
Zweck aufgelegt hat? Die Kommission
hat erst einmal festgestellt, dass die be-
troffenen Gemeinden „absehbar nicht
hinreichend in der Lage sein werden,

ihre finanzielle Situation dauerhaft zu
verbessern“. Das ist ein Anfang. Über
konkrete Hilfen aber heißt es nur salomo-
nisch: „Der Bund kann einen Beitrag leis-
ten, wenn es einen nationalen Konsens
gibt, den betroffenen Kommunen einma-
lig gezielt zu helfen.“ Daraus kann man
schlussfolgern, der Bund würde wohl
schon gern das Problem endlich aus der
Welt schaffen – und entsprechend die
Verfassung ändern. Aber lassen sich die
nicht direkt betroffenen Bundesländer
auf einen „nationalen Konsens“ ein? Der
Deutsche Landkreistag etwa ist entschie-
den dagegen. Gleiches Recht müsse für
alle gelten. Und eigentlich sei der Bund
auch gar nicht zuständig, sondern die
Länder. Mal sehen, was daraus wird. Vor
einer Woche verhandelten die Leiter der
Staatskanzleien aus den Ländern und das
Kanzleramt. Noch ohne Ergebnis.
Und schließlich hängt auch die drin-
gend notwendige Reform der Grundsteu-
er derzeit am Verhältnis zwischen Bund
und Ländern. Die Grundsteuer, eine der
wichtigsten Einnahmequellen der Städte
und Gemeinden, muss nach einer Ent-
scheidung des Bundesverfassungsge-
richts von Januar an neu geregelt sein.
Auch da drängt es also. Bei der dafür not-
wendigen Grundgesetzänderung geht es
gar nicht um die Grundsteuer selbst, son-
dern um eine Öffnungsklausel. Die be-
sagt: Zwar ist der Bund zuständig, die
Steuer zu erheben, und reicht das Geld
über die Länder an die Gemeinden wei-
ter. Aber die Länder bekommen zugleich
die Möglichkeit, die Grundsteuer nach
eigenem Gusto zu erheben. Bayern hat
darauf gedrungen, weil es sich den Vorga-
ben des Bundes nicht unterziehen wollte.
Auch Hamburg denkt über einen Sonder-
weg nach. Immer dann aber, wenn in
grundsätzlichen Fragen die Länder an-
ders handeln dürfen als vom Bund eigent-
lich vorgesehen, muss das in der Verfas-
sung festgeschrieben sein. Konkurrieren-
de Gesetzgebung darf es nun einmal
nicht geben, bestenfalls Abweichungen
wie beim Jagdrecht.
Dass im Streit über Verfassungsände-
rungen immer wieder Bund-Länder-
Konflikte ausgetragen werden, zeigt sich
selbst bei Fällen, wo man es auf den ers-
ten Blick gar nicht vermutet. Etwa bei
der Reform der Notfallversorgung hin
zu bundeseinheitlichen Nummern. Auch
das geht nicht ohne Grundgesetzände-
rung. So kommt es, dass immer etwas
mehr Zentralismus Einzug hält. Die Län-
der wehren sich dagegen, je nach eige-
nen Interessen mal mehr, mal weniger.
Berlin wird zwar nicht gleich Reichs-
hauptstadt, aber Bund und Länder müs-
sen ihr Verhältnis immer wieder neu jus-
tieren, Föderalismusreform hin oder her.

Bei digitaler Schule, Wohnungsbau und


Nahverkehr darf nun der Bund


mitreden. Und wäre es nicht auch gerecht,


wenn er die Schulden der Länder tilgt?


Von Frank Pergande


... WEIL DEUTSCHLAND NICHT AM MITTELMEER LIEGT?

EGAL

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