Die Welt - 07.10.2019

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07.10.19 Montag, 7. Oktober 2019DWBE-HP


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4 POLITIK *DIE WELT MONTAG,7.OKTOBER


D

er stellvertretende Vor-
sitzende der Unionsfrak-
tion im Bundestag,
Thorsten Frei (CDU),
steckt vor den Verhand-
lungen von Bundesinnenminister
Horst Seehofer (CSU) mit seinen EU-
Kollegen über die Migrationspolitik ro-
te Linien ab. Viele Abgeordnete waren
verärgert über Seehofers Zusage, ein
Viertel der im Mittelmeer aufgegriffe-
nen Bootsflüchtlinge in Deutschland
aufzunehmen. Ein Gespräch über das
neue europäische Asylsystem.

VON MARCEL LEUBECHER

WELT: Herr Frei, Horst Seehofer
wirbt für eine große Reform des Ge-
meinsamen Europäischen Asylsys-
tems, das Aktuelle sieht theoretisch
geringe Lasten für Deutschland vor –
praktisch sind wir wegen starker un-
erlaubter Weiterwanderung aber
Hauptzielland. Begrüßen Sie die neu-
en Umverteilungspläne?
THORSTEN FREI:Ich habe nichts gegen
neue Vorschläge für ein funktionieren-
des europäisches Asylsystem, weil ich
die Defizite des Bestehenden kenne.
Aber eine Umverteilung innerhalb Eu-
ropas wirft immer die Frage auf, nach
welchen Kriterien auf welchen Staat
umverteilt werden soll. Ein Mechanis-
mus, der dazu führt, dass die 1,5 Millio-
nen Antragsteller, die Deutschland seit
2015 aufgenommen hat, sich in Anker-
personen verwandeln und weitere An-

tragsteller nachziehen, ist für die Uni-
onsfraktion unter keinen Umständen
zustimmungsfähig. Den Plan, Neuan-
kömmlinge von den EU-Außengrenzen
dorthin zu bringen, wo Verwandte le-
ben, hat bereits einmal das EU-Parla-
ment formuliert. Da kann ich nur sagen:
nicht mit uns.

Bisher reisen viele irgendwann illegal
nach Norden weiter, nach einer Re-
form würden sie ganz legal umver-
teilt, wo ist das Problem?
Wenn man Griechenland oder Italien
ganz offiziell sagt „Ihr seid nur für ei-
nen kleinen Teil der zu euch kommen-
den Migranten zuständig“, erhöht das
den Anreiz für diese Staaten, den
Grenzschutz schleifen zu lassen und
durchzuwinken. Eine gute europäische
Asylpolitik beginnt mit einem wirksa-
mem Außengrenzschutz und raschen
Verfahren in den Ankunftsstaaten. Jede
Reform auf europäischer Ebene muss
zudem die rechtliche Klarheit schaffen,
dass Deutschland an seinen Grenzen
zurückweisen kann.

In der Union regt sich Widerstand ge-
gen die Bereitschaft Seehofers, jeden
vierten im Mittelmeer geretteten
Bootsmigranten nach einer festen
Quote nach Deutschland zu bringen.
Können Sie das nachvollziehen?
Dieser Notfallmechanismus sieht vor,
dass wir bei einem Anstieg der aktuell
sehr geringen Zahlen jederzeit ausstei-
gen können. Er ist mit Sicherheit keine

langfristige Lösung, doch mit ihm wird
das unwürdige Geschacher beendet,
das nach jeder Seenotrettung in den
vergangenen Monaten auf europäischer
Ebene einsetzte. Wir wären jedoch
nicht klug beraten, langfristig einen An-
teil X von einer unbekannten Größe
aufzunehmen. Es kann auf Dauer auch
nicht zielführend sein, Menschen, die
an den Küsten ankommen, durch Euro-
pa zu fahren, bis dann irgendwann fest-
gestellt wird, ob ein Schutzgrund
besteht.

Also soll die Schutzbedürftigkeit aller
Migranten an den Außengrenzen
geprüft werden?
Die Frage der Bleibeperspektive muss in
einem neuen Gemeinsamen Europäi-
schen Asylsystem am Rande Europas
entschieden werden, noch besser außer-
halb Europas auf sogenannten Ausschif-
fungsplattformen. Hier geht es darum,
die Beschlüsse des Europäischen Rates
vom Juni 2018 tatsächlich anzugehen
und umzusetzen. Das halte ich für die

dringlichste Aufgabe, wenn wir über ei-
ne Neuordnung des europäischen Asyl-
systems sprechen. Die neue Europäi-
sche Kommission muss sich rasch an
diese Arbeit machen.

Aktuell gibt es dahingehend gar keine
Anstrengungen, haben die Ausschif-
fungsplattformen noch eine Chance?
Es ist ungeheuer schwierig, aber unbe-
dingt erforderlich, einen nordafrikani-
schen Staat dafür zu gewinnen. Wo ein
starker gemeinsamer europäischer Wil-
le ist, wird auch ein Weg sein, endlich
auf afrikanischem Boden solche Zen-
tren mit europäischen Menschenrechts-
standards zu betreiben.

Der ehemalige EU-Parlamentspräsi-
dent Antonio Tajani sprach von sechs
Milliarden Euro, die es kosten würde,
einem dieser Staaten die Erlaubnis
abzukaufen, auf seinem Staatsgebiet
aus Seenot gerettete Migranten be-
treuen zu dürfen.
Ohne über diese konkrete Zahl urteilen
zu wollen: Auch ein Milliardenbetrag
wäre gut investiert, weil wir dadurch
deutlich höhere Ausgaben für sich un-
berechtigt in Europa aufhaltende Mig-
ranten vermeiden würden.

Wie viele Asylbewerber könnte
Deutschland denn ungefähr aufneh-
men, falls eine EU-Quote kommt?
In Notzeiten haben wir uns in der Koali-
tion einmal auf 200.000 verständigt,
keinesfalls darf das zu einer dauerhaf-

ten Größenordnung werden. Dieser äu-
ßerste Krisenrichtwert ist kein Kontin-
gent, das Deutschland jährlich im Rah-
men von EU-Quoten aufnehmen könn-
te. Wenn wir uns vergegenwärtigen,
dass in Deutschland jährlich 780.
Kinder geboren werden, wäre es nicht
akzeptabel, dauerhaft ein Viertel der
Bevölkerung allein durch das Asylver-
fahren aufzunehmen.

Welcher Richtwert wäre akzeptabel?
Ziel unserer Politik muss eine Rückfüh-
rung der Anträge auf eine Größenord-
nung sein, wie wir sie vor der Migrati-
onskrise hatten. Zwischen 2004 und
2011 kamen im Durchschnitt rund
50.000 Asylbewerber jährlich. Ein
Richtwert von höchstens 50.000 bis
75.000 Asylbewerbern pro Jahr wäre ge-
sellschaftlich verkraftbar. Jeder, der es
wissen möchte, kann übrigens in den
Zahlen des Statistischen Amtes der Eu-
ropäischen Union nachlesen, dass von
allen in Europa angekommenen Asylbe-
werbern Deutschland seit 2010 jedes
Jahr mehr aufgenommen hat, als es un-
serem Bevölkerungsanteil an der EU
entspricht. Im angeblich „im Stich ge-
lassenen“ Italien ist es bis auf zwei Aus-
nahmejahre genau umgekehrt gewesen!
Ganz abgesehen davon, dass viele der
Antragsteller weiterziehen. Eine Neu-
ordnung des europäischen Asylsystems
muss sicherstellen, dass sich weniger
und nicht noch mehr Migranten im
Norden niederlassen.

Aktuell bereitet die Ostroute die
größten Sorgen. Wie löst man denn
das Grundproblem, dass europäische
Schiffe aufgegriffene Migranten nicht
zurück in die Türkei bringen dürfen?
Wir brauchen mehr Konsequenz in der
Ägäis. Entweder muss die türkische
Küstenwache sich hier noch stärker be-
mühen, oder es muss möglich werden,
dass Frontex Bootsflüchtlinge zum tür-
kischen Ufer zurückbringt. Im Zweifel
muss dafür eine neue rechtliche Grund-
lage geschaffen werden. Ich habe bei
Gesprächen in der Türkei in der vergan-
genen Woche auch erfahren, dass Fron-
tex in der Ägäis auch als Pull-Faktor wir-
ken kann. Mir haben Gesprächspartner
Situationen geschildert, in denen aufge-
griffene Migranten von den Schiffen der
türkischen Küstenwache gesprungen
und in Richtung der Frontex-Schiffe ge-
schwommen seien, um auf die grie-
chischen Inseln gebracht zu werden.
Das kann kein Zustand für die Zukunft
sein. Ideal wäre es, wenn alle, die in der
Ägäis aufgegriffen würden, an die türki-
sche Küste zurückgebracht würden.
Dann würde man die Wirkung erzielen,
die das EU-Türkei-Abkommen haben
soll, nämlich die irreguläre Migration zu
beenden.

Die türkische Regierung will zwei
Millionen Syrer zur Rückkehr nach
Nordsyrien bewegen. Bisher lehnen
die EU-Staaten die Bitte der Türken
um Beteiligung beim Aufbau von In-
frastruktur in einer sicheren Zone ab.
Es wird ein schwieriges Unterfangen,
eine sichere Zone in Nordsyrien aufzu-
bauen. Man sollte das aber nicht in
Bausch und Bogen ablehnen. Falls dort
gewisse Sicherheitskriterien eingehal-
ten würden, wäre das in unserem
Interesse. Die Türkei hat ein großes
Problem mit rund vier Millionen Mig-
ranten in ihrem Land, von denen wir
nicht wollen, dass sie nach Europa
kommen und dann nach Deutschland
weiterreisen.

Auf einer Müllhalde auf der griechischen Insel Lesbos: Bootswracks und Rettungswesten, die Migranten auf ihrem Weg übers Mittelmeer genutzt hatten

REUTERS

/ALKIS KONSTANTINIDIS

Die Unionsfraktion warnt Innenminister Seehofer, sich auf eine dauerhafte Umverteilung von


Migranten in der EU einzulassen. Aufnahmezentren in Afrika seien „unbedingt erforderlich“


A


uch nach der Reise von Bundes-
innenminister Horst Seehofer
(CSU) in die Türkei und nach
Griechenland bleibt trotz aller Hilfszu-
sagen unklar, wie die illegale Migration
über diese Route gestoppt werden kann.
Konkrete Beschlüsse wurden nicht ge-
fasst. Eines der Hauptprobleme: Die ge-
ringe Zahl an Rückführungen von Mi-
granten von den griechischen Inseln in
die Türkei.

VON MARCEL LEUBECHER

Im Jahr 2016 hatten die EU und die
Türkei in ihrem Flüchtlingsdeal erklärt,
die „irreguläre Migration aus der Türkei
nach Griechenland beenden“ zu wollen.
Im ersten Absatz heißt es: „Alle seit 20.
März einreisenden irregulären Migran-
ten, die aus der Türkei auf die griechi-
schen Inseln überfahren, werden in die
Türkei zurückgebracht.“ Für jeden ab-
geschobenen Syrer sollte dann ein syri-
scher Flüchtling aus der Türkei legal in
die EU geflogen werden. Damit sollte
der Anreiz entfallen, unerlaubt auf die
griechischen Inseln überzusetzen.

Bis heute sind den Griechen nicht
einmal 2000 Abschiebungen gelungen,
50-mal mehr Menschen kamen seither
auf den Inseln an, von wo sie nach und
nach auf das Festland gebracht werden,
um mehrheitlich irgendwann nach Nor-
den weiterzuziehen.
Inzwischen dringt sogar die Türkei
auf mehr Rückführungen. „Die türki-
sche Seite hat in den Gesprächen mit
Bundesinnenminister Seehofer deutlich
gemacht, dass sie ein Interesse an mehr
Abschiebungen aus Griechenland hat“,
sagte ein Sprecher des Bundesinnenmi-
nisteriums WELT. „Durch vermehrte
Rückführungen erhoffen sich die türki-
schen Behörden auch eine Abschwä-
chung des Migrationsdrucks auf die
Türkei.“
Besondere Sorge bereiten der Türkei
aktuell Afghanen, die wohl auch deswe-
gen in großer Zahl in die Türkei kom-
men, weil die Chancen für eine Über-
fahrt nach Griechenland nicht schlecht
stehen und das Risiko, von dort zurück-
gebracht zu werden, gering ist. In die-
sem Jahr wurden bis Mitte September
schon 117.000 illegal eingereiste Afgha-

nen in der Türkei aufgegriffen, gefolgt
von Pakistanern (43.000) und Syrern
(29.000). Insgesamt verzeichnete die
Türkei in diesem Jahr schon mehr ille-
gale Einreisen (269.000) als im gesam-
ten vergangenen Jahr (268.000).
Laut dem türkischen Innenminister
Süleyman Soylu hat die Türkei „in die-
sem Jahr bereits 32.000 Afghanen abge-
schoben, mehr als im gesamten Vor-
jahr“. Doch viele reisen auch weiter,
schon seit November 2018 stellen sie
laut Grenzschutzagentur Frontex die
wichtigste Nationalität der auf den grie-
chischen Inseln Ankommenden, mehr
als 14.000 waren es demnach schon in
diesem Jahr.
Zusätzliche Sorge bereitet den an
einem Rückgang der illegalen Zuwande-
rung interessierten Europäern, dass die
Griechen sogar weiter nachlassen in
ihrer Abschiebungsbilanz. Obwohl
Deutschland und andere EU-Staaten
Griechenland seit Jahren bei der Um-
setzung des Flüchtlingsdeals finanziell
und personell unterstützen – seit 2015
flossen fast zwei Milliarden Euro an
Hilfen für Unterbringung und Verwal-

Demnach wurde am 19. September
ein Abschiebungseinsatz von den Inseln
in die Türkei abgebrochen. Es handelte
sich demnach um elf Migranten, deren
Asylanträge in der zweiten Instanz ab-
gelehnt worden waren. In dem Bericht
heißt es: „Fünf der elf Drittstaatsange-
hörigen (Ägypter, Iraner, Ghanaer, To-
golese und Sierra Leoner) klagten gegen
die zweitinstanzliche Entscheidung vor
dem Berufungsgericht in Piräus.“ Zu-
dem klagte demnach eine irakische Fa-
milie dieser Elfergruppe gegen die
Rückkehrentscheidung in Rhodos, für
einen Pakistaner wurde wegen Tuber-
kulose vom türkischen Verbindungsbe-
amten die Rücknahme untersagt. Bei
einem der elf wurde die Abschiebung
schließlich versucht. Dabei handelte es
sich um einen Pakistaner mit Hepatitis-
infektion, dessen Rücknahme zunächst
von den Türken erlaubt wurde, schließ-
lich wurde ihm aber „untersagt, im tür-
kischen Hafen Dikili das Schiff zu ver-
lassen, und er wurde nach Lesbos zu-
rückgebracht“. In dem Ende September
erstellten internen Bericht heißt es,
„gegenwärtig liegen keine Informatio-

nen über die nächste Rückkehroperati-
on vor“.
Vor drei Jahren, kurz nach der EU-
Türkei-Erklärung, wurde schon offen-
bar, dass keinesfalls „alle seit 20. März
einreisenden irregulären Migranten, die
aus der Türkei auf die griechischen In-
seln überfahren“ in die Türkei zurück-
gebracht werden, wie es dort heißt.
Schon im September 2016 fragte WELT
mehrmals den griechischen Migrations-
minister Ioannis Mouzalas im direkten
Gespräch in Athen, welche Kriterien die
Türkei erfüllen muss, damit sie von
griechischen Gerichten und Beschwer-
dekammern als „sicherer Drittstaat“ für
alle anerkannt werden kann, damit die
Abschiebungen gelingen. Er kündigte
damals an, „ab Ende November“ wö-
chentlich 200 Migranten in die Türkei
zurückzubringen. Das ist nicht weit von
der aktuellen Ankündigung der neuen
griechischen Regierung entfernt, bis
Ende kommenden Jahres 10.000 zu-
rückzubringen. Bisher hat sich an den
Barrieren durch Verwaltung und
Rechtsauslegungen nichts Wesentliches
geändert.

Die Türkei verlangt von Athen mehr Abschiebungen


Ankara möchte Anreize für Migranten verringern, ins Land zu kommen. Interne EU-Dokumente zeigen, woran Rückführungen aus Griechenland scheitern


tung –, ist der Trend sogar negativ. Von
den insgesamt 1907 Abgeschobenen
wurden die meisten 2016 (801) und 2017
(683) in die Türkei geflogen. 2018 waren
es nur noch 322 Personen – und im lau-
fenden Jahr bis Ende August nur 101.
Als Hauptgründe für die magere Bi-
lanz werden von Beobachtern in der Po-
litik mangelnde Zielstrebigkeit sowie
Unvermögen angeführt. Ein wichtiger
Knackpunkt ist das langwierige Asylver-
fahren: Zwar kann jeder Ankömmling
einen Antrag stellen, doch sobald klar
ist, dass für den Bewerber die Türkei als
sogenannter sicherer Drittstaat zu be-
trachten ist, darf der Antrag abgelehnt
werden. Nun lassen die Griechen aber
Klagen gegen diese Behördenentschei-
dungen zu, und schließlich dürfen soge-
nannte Beschwerdekammern, die im
weitesten Sinne mit den deutschen Här-
tefallkommissionen vergleichbar sind,
die Ablehnung wieder rückgängig ma-
chen. Woran die Abschiebungen im Ein-
zelnen scheitern, lässt sich aus einem
internen Dokument der Migrationsab-
teilung der EU-Kommission ablesen,
das WELT vorliegt.

I


st CDU-Chefin und Verteidigungs-
ministerin Annegret Kramp-Karren-
bauer die Richtige, um ihre Partei als
Kanzlerkandidatin in den nächsten
Bundestagswahlkampf zu führen? Da-
ran mehren sich die Zweifel – auch in-
nerhalb der eigenen Partei. Nach zwei
aktuellen Umfragen, die Kramp-Karren-
bauer maue Beliebtheitswerte attestier-
ten, folgt nun der nächste Dämpfer: Die
Junge Union (JU) will bei ihrem Jahres-
treffen am kommenden Wochenende
über ein Urwahlverfahren für Kanzler-
kandidatur und Parteivorsitz in der
Union abstimmen.
Der Chef der CDU/CSU-Nachwuchs-
organisation, Tilman Kuban, signalisier-
te in der „Bild am Sonntag“ Zustim-
mung für einen entsprechenden Antrag
mehrerer JU-Verbände: „Ich persönlich
kann mir durchaus eine stärkere Ein-
bindung unserer Basis auf allen Ebenen
vorstellen“, sagte er. „Die Mitglieder
der Union sind selbstbewusster gewor-
den und brauchen einen Motivations-
schub für die nächsten Wahlkämpfe.“
In ihrem Antrag für den JU-Deutsch-
landtag in Saarbrücken schreiben die
beteiligten Bezirks- und Kreisverbände
zur Begründung, die Union schneide
derzeit „bei vielen Wahlen historisch

schlecht“ ab. „Ein ‚Weiter-so‘ verbietet
sich.“ In einem weiteren Antrag, der
WELT vorliegt, heißt es: „Um die Kanz-
lerschaft bestmöglich zu legitimieren
und eine zunehmende Spaltung unserer
Gesellschaft zu überwinden, sollte es
den Bürgern, die CDU-Parteimitglied
sind, zugestanden werden, im Rahmen
einer Urwahl über den Kanzlerkandida-
ten abzustimmen.“
Mittels dieses „basisdemokratischen
Votums“ solle der zukünftige Kanzler-
kandidat gestärkt in den Wahlkampf tre-
ten können, „um auch die Menschen für
die Ziele unserer Union zu gewinnen,
die wir vielleicht schon verloren glaub-
ten“. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer
wird in dem Schreiben nicht erwähnt.
Zu den Vorschlägen eines Basisvo-
tums sagte Kuban: „Wir werden das
Thema Urwahl kontrovers diskutieren.“
Nach derzeitiger Planung will die Uni-
on beim Parteitag Ende kommenden Jah-
res den Kanzlerkandidaten oder die
Kanzlerkandidatin für die im Jahr 20121
geplante Bundestagswahl bestimmen.
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer lässt
bislang offen, ob sie selbst die Kanzler-
kandidatur übernehmen will. Traditionell
hat bei der CDU der oder die Vorsitzende
ein Zugriffsrecht darauf. AFP/LEP/CBA

Urwahl für


Kanzlerkandidat


der Union?


Die Junge Union bringt


Mitgliederentscheid ins Spiel


Der Chef der Jungen Union, Tilman
KKKuban, will über eine Urwahl sprechenuban, will über eine Urwahl sprechen PA/DPA

/JULIAN STRATENSCHULTE

UUUnions-Fraktionsvize Thorsten Freinions-Fraktionsvize Thorsten Frei

PA/DPA

/CARSTEN KOALL

„Bis zu 7 5.000 Asylbewerber pro


Jahr gesellschaftlich verkraftbar“


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