Handelsblatt - 07.10.2019

(Brent) #1

Stephan Scheuer Düsseldorf


S


elten hat die Deutsche Tele-
kom so unter Druck gestan-
den wie in den vergange-
nen Monaten. Mit der
5G-Technik beginnt der
Aufbruch in eine neue Mobilfunktech-
nologie. Mit 12,7 Milliarden Euro will
der Konzern in diesem Jahr so viel in-
vestieren wie nie zuvor. Gleichzeitig
läuft das 26 Milliarden Dollar schwere
Übernahmeverfahren für den Rivalen
Sprint in den USA. Christian Illek ist
der Mann, der das als Finanzchef alles
zusammenhalten muss. Keine leichte
Aufgabe für einen Manager, der erst
ein dreiviertel Jahr im Amt ist, und
der nicht vom Fach kommt.
Die strategischen Entscheidungen
liegen natürlich nicht allein bei Illek.
Aber als Aufseher über die Finanzen
muss er dafür sorgen, dass der Dax-
Konzern den Spielraum hat, die He-
rausforderungen anzugehen. Obwohl
der gebürtige Düsseldorfer bereits
viele Jahre für die Telekom arbeitet,
hat er bislang kaum Erfahrung im Fi-
nanzbereich gesammelt. Bis zu sei-
nem Wechsel zum Jahresanfang war
er als Personalvorstand für die mehr
als 200 000 Mitarbeiter des Unter-
nehmens zuständig. Illek war 2007
als Bereichsleiter von T-Home bei der
Telekom eingestiegen. Es folgte ein
Zwischenstopp als Deutschlandchef
von Microsoft, bevor der studierte
Chemiker und Betriebswirt zur Tele-
kom zurückkehrte.

In der Zwickmühle
Immerhin war sein Wechsel ins Fi-
nanzressort früh klar. Schon im Feb-
ruar 2018 hatte Aufsichtsratschef Ul-
rich Lehner den neuen Job für Illek
angekündigt. Vorstandschef Timothe-
us Höttges lobte: „Christian kann auf
eine lange Karriere im Marketing, als
General Manager und im Personalbe-
reich zurückblicken.“ Damals war je-
doch auch schon klar, dass Illek noch
kaum Erfahrung im Controlling mit-
bringt. Daher band der damalige Fi-
nanzchef Thomas Dannenfeldt sei-
nen Nachfolger früh ein und ließ Illek
über Monate bei seinen Terminen
mitlaufen, bevor der Nachfolger die
Kontrolle über die Einnahmen und
Ausgaben der Telekom zugeteilt be-
kam. Für ein Interview für diesen Ar-
tikel stand Illek trotz mehrfacher An-
fragen nicht zur Verfügung. Er arbei-

te sich noch in seine neue Aufgabe
ein, ließ er über einen Sprecher aus-
richten. Dabei bleibt dafür eigentlich
keine Zeit. Denn mit 5G steht die Te-
lekom vor einem riesigen Projekt.
Der Finanzchef steckt in einem Di-
lemma. Auf der einen Seite muss der
55-Jährige Milliardensummen für den
Ausbau der nächsten Mobilfunkgene-
ration aufwenden. Auf der anderen
Seite hat er noch keine genaue Vor-
stellung, wie das Geschäftsmodell für
5G aussehen wird.
Von den Endkunden dürften die
Mehreinnahmen kaum kommen. Die
Telekom hat den Echtzeitmobilfunk
in viele Tarife integriert. Eine zusätz-
liche Gebühr verlangt sie nicht. Grö-
ßere Chancen könnte es in der Indus-
trie geben. Von Dax-Konzernen wie
Siemens, Volkswagen oder Continen-
tal bis hin zu Mittelständlern hoffen
alle auf neue Impulse durch die neue
Technologie. Sie wollen ihre Fabri-
ken mit dem schnellen Netz ausstat-
ten, um etwa Roboter punktgenau
und ohne Verzögerung steuern zu
können. Aber sind die Firmen für

den Aufbruch in das 5G-Zeitalter auf
die Deutsche Telekom angewiesen?
Diese Frage ist offen. Auch Netzwerk-
ausrüster wie Ericsson oder Nokia
machen Unternehmen Angebote, wie
sie ihre Produktionsanlagen startklar
für 5G machen können. Ein deut-
scher Sonderweg macht das möglich.
Die Bundesregierung hat vorgesehen,
dass ein Teil der Frequenzen für den
Echtzeitmobilfunk 5G für Unterneh-
men, Forschungseinrichtungen und
Landwirtschaft reserviert werden.

Auf Antrag bei der Bundesnetzagen-
tur halten die Unternehmen die Zu-
teilung für die lokalen Frequenzen,
mit denen sie ihre Fabriken ausrüs-
ten können. Noch hat die Behörde
die letzten Details nicht geklärt. Aber
schon jetzt ist klar, dass diese lokalen
Frequenzen deutlich günstiger zur
Verfügung gestellt werden als die
rund 6,5 Milliarden Euro, die die Te-
lekom und die anderen Netzbetrei-
ber in Deutschland für die 5G-Fre-
quenzen bezahlt haben.
Für Illek führt ohnehin kein Weg
am Netzausbau vorbei. Die Telekom
hat angekündigt, bis zum Jahr 2025
mindestens 99 Prozent der deut-
schen Bevölkerung und 90 Prozent
der Fläche der Bundesrepublik mit
dem Netz zu versorgen.
Dieses Szenario muss Illek nicht nur
für Deutschland durchkalkulieren,
sondern auch für die Telekom-Toch-
tergesellschaften in den anderen eu-
ropäischen Ländern. In Österreich ist
die Landesgesellschaft beim 5G-Aus-
bau schon deutlich weiter. In anderen
Ländern gibt es noch nicht mal feste
Zeitpunkte, wann die nötigen Fre-
quenzen versteigert werden sollen. Il-
lek steht vor einem Flickenteppich.
Dabei muss er auch dafür sorgen,
dass die Investoren den Kurs mittra-
gen. Zuletzt erntete der Vorstand von
der Kapitalseite im Aufsichtsrat Kri-
tik, wie das Handelsblatt erfuhr. Ei-
ner der Gründe: Die Aufseher fürch-
ten, dass die hohen Investitionen auf
die Dividende drücken könnten. Bei
der Hauptversammlung im Frühjahr
hatte der Finanzchef betont, der
Konzern wolle trotz Rekordinvestitio-

nen weiterhin eine Dividende zahlen,
mindestens 50 Cent je Aktie. Zuletzt
haben die Aktionäre noch 70 Cent je
Aktie bekommen.
Vertraute beschreiben Illek als An-
packer, der sich tief in Details einar-
beiten kann. Er scheut keine Ausei-
nandersetzungen und ist bereits mit
dem einen oder anderen innerhalb
des Konzerns aneinandergeraten. „Er
ist durchsetzungsstark und verläss-
lich, aber manchmal zu konfronta-
tiv“, sagt einer, der ihn gut kennt.
Offiziell sind die Vorstandsmitglie-
der bei der Telekom gleichgestellt.
Aber in der Praxis genießt der Fi-
nanzvorstand eine Sonderstellung. In
der Vorstandsetage des Dax-Kon-
zerns in Bonn liegt das Büro von Illek
auf demselben Flur wie das von Vor-
standschef Höttges und Aufsichtsrats-
chef Lehner. Kein anderes Vorstands-
mitglied hat so engen Kontakt zur
Konzernspitze.
Das könnte ein Vorteil sein, wenn es
um die Nachfolge Höttges geht.
Schließlich war auch er Finanzchef,
bevor er befördert wurde. Höttges‘
Vertrag läuft noch bis Anfang des Jah-
res 2024. Illek ist nicht der einzige Kan-
didat für die Nachfolge. Deutschland-
chef Dirk Wössner oder Technologie-
chefin Claudia Nemat gelten ebenfalls
als Aspiranten. Illek fehle es im Ver-
gleich zu Höttges etwas an Charisma,
sagt ein ranghoher Telekom-Manager:
Der Finanzchef bleibe „oft farblos und
unnahbar bei Auftritten. Ihm fehle die
Fähigkeit, „andere mitzureißen.“ Sollte
es der Finanzchef auf den Posten des
Vorstandschefs abgesehen hab, muss
er wohl sein Profil noch nachschärfen.

Finanzvorstand des Monats


Milliardenwette


auf die neue


Mobil-Technik


Christian Illek muss die Investoren der


Telekom überzeugen, das größte


Investitionsprogramm in der Geschichte


des Konzerns mitzutragen – dabei ist das


Geschäftsmodell für den neuen


Mobilfunkstandard 5G noch unklar.


Christian Illek: Für
den Finanzvorstand
der Telekom führt
kein Weg am Netz-
ausbau vorbei.

Wolf Heider-Sawall/laif

1


CFO
des Monats

12, 7


MILLIARDEN


Euro will die Deutsche
Telekom in diesem Jahr investieren.
Mehr als jemals zuvor.

Quelle: Unternehmen


Finanzen & Börsen
MONTAG, 7. OKTOBER 2019, NR. 192

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