Handelsblatt - 07.10.2019

(Brent) #1

Jakob Blume, Matthias Streit Frankfurt, Erfurt


U


nternehmen wie Vonovia und Deut-
sche Wohnen dürfte so ziemlich jeder
in Deutschland kennen. Was ist aber
mit Namen wie Consus oder Instone?
Wenn es nach Andreas Steyer geht,
dem Chef der Consus, werden auch sein Unterneh-
men bald mehr Menschen kennen: „Wir sind der
größte Projektentwickler in deutschen Großstädten
und haben eine beeindruckende Entwicklung hinge-
legt – und kaum einer hat’s gemerkt.“ Tatsächlich ist
Consus heute der größte private Entwickler von
Wohnimmobilien in Deutschland, zeigt eine Über-
sicht des Analysehauses Bulwiengesa.
Bislang sind diese Firmen, die große Wohn- oder
Büroprojekte realisieren, aber nur wenigen ein Be-
griff. Wohl auch deshalb, weil sie an den Börsen kaum
in Erscheinung traten. Doch jetzt buhlen sie zuneh-
mend um die Gunst von Aktien- oder Anleihekäufern.
Im vergangenen Jahr wagte sich Instone an die Börse
und notiert heute im SDax. Consus ist im Einstiegs-
segment der Frankfurter Börse, Scale, gelistet.
Dass die Projektentwickler wenig bekannt sind,
hängt mit der Natur des fragmentierten und meist
regional spezialisierten Marktes zusammen. Die drei
größten privaten Unternehmen – Consus, Instone
und die schwedische Bonava – kommen selbst in den
sieben Metropolen zusammen gerade einmal auf ei-
nen Marktanteil von elf Prozent, hat die Immobilien-
analysefirma Bulwiengesa ermittelt. Noch nicht be-
rücksichtigt sind dabei Unternehmen wie Vonovia
oder kommunale Bestandshalter, die Immobilien für
eigene Bestände bauen.
Doch in der Branche zeichnet sich ein Trend zur
Konsolidierung ab, erkennt Andreas Schulten, Gene-
ralbevollmächtigter von Bulwiengesa. Kein Unter-
nehmen geht dabei so aggressiv vor wie Consus: Der
einst auf Büroimmobilien spezialisierte Entwickler
kaufte sich 2017 beim deutschen Wettbewerber CG
Gruppe ein, an der er heute die Mehrheit besitzt. En-
de 2018 hievte sich Consus mit dem Kauf des Schwei-
zer Entwicklers SSN dann an die Spitze der Branche.
„Wir wollen die Integration der Tochtergesellschaf-
ten abschließen und im Verlauf des Jahres 2020 in
den Prime Standard aufsteigen. Der SDax ist dann
unser nächstes Ziel“, kündigt Steyer an.
Handeln lassen sich Aktien von Projektentwicklern
heute schon – und die Analysten sind durchaus opti-
mistisch. Beispiel Instone: Der Kurs liegt aktuell bei
rund 20 Euro. Deutsche-Bank-Analyst Markus
Scheufler rät zum Kauf und gibt sogar ein Kursziel
von 41 Euro aus. Der Aktienkurs von Consus liegt bei
6,40 Euro. Analyst Stefan Scharff von SRC Research
gibt ein Kursziel von 13 Euro aus. Der Markt ist insge-
samt aber noch klein. Während die fünf größten bör-
sennotierten deutschen Projektentwickler gerade
einmal auf eine Marktkapitalisierung von drei Milliar-
den Euro kommen, sind es bei jenen in Großbritan-
nien schon 25 Milliarden Euro.

Zyklische Werte


Anders als Immobilienbestandshalter, die von den
Erträgen aus der Vermietung der Immobilie leben,
hängt das Entwicklergeschäft unmittelbar an der
Nachfrage nach neuen Immobilien. „Grundsätzlich
sind Projektentwickler einem deutlich höheren Risi-
ko ausgesetzt als Bestandshalter. Es vergehen Jahre,
bevor die geplante Immobilie an den Markt kommt.
In dieser Zeit kann sich das Geschäftsumfeld massiv
ändern, die Nachfrage kann schwächer werden, und
die Verkaufspreise sinken“, erklärt Philipp Wass,
Analyst von der Ratingagentur Scope.
Für die Branche bietet der Zugang zu den Finanz-
märkten eine Gelegenheit, die Kapitalbasis zu stär-
ken. Das könnte beim Konkurrenzkampf um die im-
mer knapper und immer teureren Grundstücke in
den Großstädten ein Vorteil sein. Denn mit den
Grundstücken werden auch die Geschäftsmöglich-
keiten für Projektentwickler knapper, zeigt eine ak-
tuelle Analyse des Wohnungsverkäufers Accentro: In
Berlin und Frankfurt brach der Verkauf von neu ge-
bauten Eigentumswohnungen im Vergleich zum Vor-
jahr um mehr als ein Fünftel ein, in Düsseldorf um
ein Drittel, in Köln sogar fast um die Hälfte. „Betrach-
tet man die aktuelle Bautätigkeit in Deutschland,
muss damit gerechnet werden, dass diese Entwick-

lung anhalten beziehungsweise sich sogar verstärken
wird“, analysiert Accentro-Chef Jacopo Mingazzini.
Im ersten Halbjahr des Jahres 2019 ist die Zahl der
genehmigten neuen Eigentumswohnungen in
Deutschland dem Statistischen Bundesamt zufolge
um 7,9 Prozent zurückgegangen.
Doch mehr Kapital ist kein Garant für mehr Erfolg
am Grundstücksmarkt: Druck kommt zudem von
den Städten, die auf den Bau von bezahlbarem
Wohnraum pochen. „Projektentwickler müssen heu-
te die Quadratur des Kreises schaffen: Sie sollen die
Wohnungspreise niedrig halten, während die Grund-
stücks- und die Baukosten zuletzt stark gestiegen
sind“, sagt Schulten von Bulwiengesa. Grundstücke
werden oft danach, welche Gesamtkonzepte der Ent-
wickler der Stadt biete, vergeben. Dabei würden zu-
nehmend Firmen bevorzugt, die für den eigenen Be-
stand entwickeln und den Kommunen damit langjäh-
rige Partnerschaften versprechen. Dazu zählen
kommunale Gesellschaften wie die ABG in Frankfurt
oder die Gewofag in München, aber auch private
Konzerne wie Vonovia. Auf sie entfallen zwischen 22
und 40 Prozent der geplanten Wohnprojekte in den
sieben größten deutschen Städten. Instone hingegen
baut vorwiegend Eigentumswohnungen, Consus ver-
kauft seine Projekte schon in frühen Entstehungspha-

sen. Als die zu Consus gehörige CG Gruppe dieses
Jahr das Großprojekt Eutritzscher Freiladebahnof in
Leipzig an einen österreichischen Investor verkaufte,
sorgte das für Verstimmung im Leipziger Rathaus.
Dass nun Projektentwickler in die bekannten Bör-
senindizes aufsteigen, sieht Tobias Just, Immobilien-
ökonom und Geschäftsführer der Irebs-Immobilien-
akademie, aber nicht als Anlass zur Besorgnis: Das
schaffe schließlich mehr Transparenz. „Die Börse
funktioniert gut, um Risiken zu bepreisen. Das gilt
für Projektentwickler genauso wie für Tech-Unter-
nehmen“, sagt Just.
Jüngste Anleiheemissionen liefern Indizien dafür,
dass Just recht hat. So legte etwa Eyemaxx eine 37
Millionen Euro Anleihe zu einem Kupon von 5,5 Pro-
zent auf. Euroboden ging bei einer 40 Millionen
Euro Anleihe mit einem Kupon von 5,5 Prozent an
den Markt. Das klingt gerade im Niedrigzinsumfeld
attraktiv. „Es gibt zwar eine Reihe kleinerer gelisteter
Projektentwickler, die auch Anleihen begeben. Die
fallen dann aber eher in den Bereich Mittelstandsan-
leihen“, sagt Wass von Scope. Verbraucherschützer
warnen regelmäßig vor den Risiken von kleinen An-
leihen mit großen Renditen. Auch Schulten von Bul-
wiengesa erklärt: „Wenn man sich den ein oder an-
deren Kurs anschaut, erkennt man, dass Projektent-

Bauen mit Geld

von der Börse

Wohnimmobilien-Aktien sind bei Investoren begehrt. Davon wollen


auch Projektentwickler profitieren. Sie buhlen verstärkt um das


Kapital der Anleger.


Projektentwick -


ler werden vom


Kapitalmarkt


nicht


unbedingt


mit offenen


Armen


empfangen.


Andreas Schulten
Generalbevollmächtigter
Bulwiengesa

Private

Geldanlage

MONTAG, 7. OKTOBER 2019, NR. 192


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