Handelsblatt - 07.10.2019

(Brent) #1
richt entschied im Mai, dass bei den
strittigen Sparverträgen – in dem Fall
von der Kreissparkasse Stendal – ein
ordentliches Kündigungsrecht bis
zum Erreichen der höchsten Prämi-
enstufe ausgeschlossen ist. Danach
können Geldhäuser die Verträge per
Kündigung loswerden.

Ausnahme Befristung
Prämiensparverträge funktionieren
in der Regel so: Kunden erhalten ne-
ben dem Grundzins auf den insge-
samt angesparten Betrag eine Prä-
mie auf die jeweils in einem Jahr
eingezahlte Summe – und diese Prä-
mie steigt im Zeitverlauf. Eine feste
Laufzeit gibt es nicht. In vielen Ver-
trägen bekommen die Kunden ab
dem 15. Sparjahr die höchste Prämi-
enstufe und damit 50 Prozent der in
dem Jahr eingezahlten Sparbeträge
als Bonus.
In einigen Fällen kündigen Spar-
kassen die Verträge direkt, nachdem
Kunden einmal den höchsten Bonus
kassiert haben. In anderen Fällen
hatten Kunden die Zahlungen bereits

Prämiensparverträge


Sparkassen: Gekündigte Verträge


28 


21 268


7 500


5 531


5 00


5 327


5 000


Fast 5 000


Stadtsparkasse München


Sparkasse Nürnberg


Sparkasse Osnabrück


Sparkasse Spree-Neiße


Sp. Hameln-Weserbergland


Sparkasse Mülheim


Sparkasse Emsland


Sparkasse Meißen


HANDELSBLATT Quelle: Eigene Recherche

Prämiensparverträge


Einschnitte für Kunden


Die Zahl der Sparkassen, die lukrative Sparverträge kündigen, steigt rapide.


Inzwischen sind es bundesweit mehr als 50 Geldhäuser.


Elisabeth Atzler Frankfurt


E


rst in der vergangenen Wo-
che hatte die Stadtsparkasse
München, die bundesweit

fünftgrößte Sparkasse, mitgeteilt,


dass sie insgesamt 28 000 Prämien-


sparverträge kündigt, 24 000 Kun-


den sind davon betroffen. Mit der


Ostsächsischen Sparkasse Dresden


hat jetzt eine zweite Großsparkasse


diesen Schritt vollzogen. Die Spar-


kasse werde unbefristete Prämien-


sparverträge kündigen, sagte ein


Sprecher des Kreditinstituts. Zuvor


hatte der MDR darüber berichtet.


Die Sparkasse Dresden liegt in der


Rangliste – ohne die Berliner Spar-


kasse – auf Platz neun. Wie viele


Verträge es kündigt, gab das Geld-


haus nicht an.


Inzwischen haben nach Handels-


blatt-Recherchen mehr als 50 der


rund 380 deutschen Sparkassen sol-


che für die Kunden lukrativen Spar-


verträge gekündigt oder das avisiert.


Die Sparkassen begründen den


Schritt unisono mit den Null- und


Negativzinsen in der Euro-Zone. Das


Problem aus ihrer Sicht: Die Zinsen


und Prämien, die sie mit ihren Kun-


den in Prämiensparverträgen ver-


einbart haben, sind weit höher als


die aktuellen Marktzinsen. Die Geld-


häuser machen Verluste mit den


Ver trägen.


In den vergangenen Tagen wurde


zudem bekannt, dass die Sparkasse


Oder-Spree aus Frankfurt an der


Oder rund 3500 Verträge kündigt.


Die Sparkasse Mülheim wiederum


kündigt gut 5300 Verträge und die


Sparkasse Rotenburg Osterholz et-


wa 4 000. Unter anderem auch die


Sparkasse Neuburg-Rain und die


Sparkasse Ingolstadt-Eichstätt sowie


die Sparkasse Duderstadt haben re-


gionalen Medien zufolge Verträge


gekündigt, die Sparkassen bestätig-


ten das.


Die Kreissparkasse Börde aus


Oschersleben wiederum habe be-


reits vor einiger Zeit Sparverträge


gekündigt, informiert die „Stiftung


Warentest“. Die Sparkasse wollte


dies nicht kommentieren. Nieder-


sächsischen Verbraucherschützern


zufolge hat auch die Stadtsparkasse


Wunstorf Sparverträge losgeschla-


gen. Die Sparkasse reagierte mehre-


re Tage lang nicht auf eine Handels-


blatt-Anfrage.


Man kann davon ausgehen, dass


zahlreiche weitere Sparkassen die


Verträge früher oder später kündi-


gen. Etliche der öffentlich-rechtli-


chen Kreditinstitute prüfen die Situa-


tion derzeit.


Bestätigt sehen die Sparkassen sich
durch ein Urteil des Bundesgerichts-
hofs, nach dem die Kündigung lang-
jähriger Sparverträge unter bestimm-
ten Umständen zulässig ist (XI ZR
345/18). Das oberste deutsche Zivilge-

über mehrere Jahre hinweg erhalten.
Viele Sparkassen haben unbefriste-
te Prämiensparverträge besonders in
den 1990er-Jahren und häufig bis vor
etwa zehn Jahren verkauft. Sie gelten
als typisches Sparkassenprodukt.
Auch Volks- und Raiffeisenbanken
bieten ihren Kunden Sparverträge
an. Diese haben aber meist eine ver-
einbarte Höchstlaufzeit. Solche be-
fristeten Verträge können die Banken
nicht kündigen.
Verbraucherschützer meinen aller-
dings, dass die BGH-Entscheidung
nicht für alle Prämiensparverträge
greift. „Wir sind der Auffassung, dass
bestimmte Prämiensparverträge
nicht unter das Urteil des BGH fal-
len“, sagt Ute Bernhardt, Leiterin des
Referats Recht der Verbraucherzen-
trale Sachsen-Anhalt. „Dabei geht es
um Verträge, in denen steht, dass die
Sparkasse die höchste Prämie ab
dem 15. Sparjahr zahlt und explizit in
den folgenden Sparjahren. In den
Verträgen wird die Prämienzahlung
bis hin zum 20., 25. oder sogar 99.
Sparjahr versprochen.“

Sparkasse Frankfurt/
Oder: Das Institut
drängt 3500 Kunden
aus lukrativen
Verträgen.

Tobias Tanzyna

50


PROZENT


der im 15. Vertragsjahr
eingezahlten
Sparbeträge gibt es
in vielen Fällen als
Bonus.

Quelle: Eigene Recherche


 
      
 
 



   
 
 


  


 
 

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MONTAG, 7. OKTOBER 2019, NR. 192


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