Sebastian Matthes, Axel Höpner
Düsseldorf, München
A
ls einzige Frau auf der Bühne zu ste-
hen ist Monja Mühling gewohnt.
Selbstbewusst ließ die 30-Jährige im
Mai beim Pitch auf der Investoren-
konferenz VentureCon in München
Fotos von Lastwagen und Informationen zu ihrem
Unternehmen Smartlane über die Leinwand tan-
zen. Gleich zweimal trat sie vors Publikum: am Vor-
mittag, um Kunden zu gewinnen, am Nachmittag,
um Investoren zu locken.
Die Mühe lohnte sich: Nach der Präsentation ka-
men mehr als 20 Investoren auf das Team zu, erin-
nert sie sich.
Die Münchener Unternehmerin entschied sich
schließlich für den Bonner Gründer und Investor
Frank Thelen und seinen Wagniskapitalfonds Frei-
geist Capital, der nun mit einem hohen einstelligen
Millionenbetrag in die 2015 gegründete Firma in-
vestiert, wie das Handelsblatt exklusiv erfuhr.
In kein anderes Unternehmen hat Thelen, be-
kannt durch das TV-Duell „Höhle der Löwen“, bis-
lang mehr investiert. Aus gutem Grund, wie er fin-
det. „Smartlane hat das Potenzial, ein europäischer
Tech-Champion zu werden“, sagt er.
Tatsächlich könnte das Münchener Start-up da-
bei helfen, einen Markt zu revolutionieren, der im-
mer noch zu großen Teilen von Telefon, Faxgerät
und Excel-Tabellen dominiert wird: die Logistik.
„Als ich anfing, mich mit der Idee von Smartlane
zu befassen, konnte ich kaum glauben, wie analog
das Geschäft in vielen Bereichen noch ist“, sagte
Investor Thelen dem Handelsblatt. „Das wollen wir
mit der Smartlane-Technologie nun ändern.“
Kern des Münchener Start-ups ist eine cloudba-
sierte Software, die Logistikfirmen dabei hilft, Flot-
ten effizienter zu steuern. Die Technologie berück-
sichtigt Lieferzeitfenster, die Kapazitäten der Fah-
rer, Wünsche der Kunden und die Art und Größe
der Flotte. Auf dieser Basis berechnen Algorithmen
in wenigen Minuten die idealen Touren.
Das System lernt ständig dazu. Dafür nutzt es
selbst entwickelte Künstliche Intelligenz, die Kar-
tendaten von Here, Informationen über die Echt-
zeit-Verkehrslage sowie die Positionen der Fahrzeu-
ge. „Transport Mining“ nennen die Gründer von
Smartlane das Prinzip.
Wichtig für Investoren wie Thelen: Smartlane
konnte mit seiner Technologie bereits große Kun-
den von der Technologie überzeugen, darunter die
Deutsche Bahn, Fr. Meyer’s Sohn und Metro.
Smartlane verspricht sich viel vom neuen Inves-
tor. „Frank Thelen und Freigeist boten viel mehr
an als das, was Finanzinvestoren sonst mitbrin-
gen“, sagte Mühling. So wird das Freigeist-Team die
Gründerin mit Know-how und Kontakten unter-
stützen. Konkret bedeutet das: Thelen bringt nicht
nur Geld ein, er und sein Team coachen die Grün-
derin und ihre Kollegen – und übernehmen durch-
aus auch operative Aufgaben. „Das ist unsere Philo-
sophie“, sagt Thelen. „Geld ist der kleinste Teil,
den wir einbringen.“
Thelens Freigeist-Kollege Alex Koch hilft den jun-
gen Unternehmen bei der technologischen Weiter-
entwicklung, Marc Sieberger bei der Kommerziali-
sierung sowie im Aufbau der Organisation.
Thelen selbst unterstützt bei der Strategie – und
öffnet Türen zu potenziellen Kunden und Part-
nern. Nachdem Freigeist in die Flugtaxi-Firma Lili-
um investiert hatte, war Sieberger dort zeitweise
sogar Interims-Finanzchef. Diese Erfahrung beim
Aufbau junger Unternehmen will das Freigeist-
Team nun auch bei Smartlane einbringen.
Mit der Mischung aus den Zukunftsthemen
Künstliche Intelligenz und Logistik hatte Smartlane
schon früh Investoren angezogen. In der Frühpha-
se stiegen das Family Office Ideenschaft Invest, der
Hamburger Mobility Fund und der Next Logistics
Accelerator ein, bei dem das Start-up auch ein Ac-
celerator-Programm durchlief.
Die Seed-Investoren bleiben an Bord. Zudem
nahm die Firma am Start-up-Programm Kickstart
der TU München teil. Beim Vernetzen half das In-
vestorennetzwerk BayStartup.
Bonner investieren eigenes Geld
Ein wichtiger Unterschied zwischen Thelens
Freigeist-Fonds und anderen Wagniskapitalfi -
nanciers ist, dass die Bonner nur ihr eigenes Geld
investieren, das sie durch den Verkauf von Unter-
nehmen wie ip.labs, Wunderlist, Mytaxi und an -
deren verdient haben. „Wir sind ein Gründerteam,
das selbst schon mehrfach gemeinsam Unter -
nehmen aufgebaut hat“, sagt Thelen über Frei-
geist. „Deshalb verstehen wir uns nicht nur als
Investoren, sondern immer auch als Unterneh-
mer.“
Bislang hat Freigeist – auch durch die Invest-
ments in der Start-up-Show „Höhle der Löwen“ –
in unterschiedlichste Felder investiert. Mal in Food-
Firmen, mal in Mode-Start-ups. Einen klaren Fokus
gab es bislang nicht. Doch das soll sich laut Thelen
ändern: „Wir wollen uns künftig viel stärker auf
Deep-Tech konzentrieren“, sagt er. Hochkomplexe
Technologien also, die zum Beispiel Prozesse in
der Industrie vereinfachen können.
So ein Unternehmen ist Smartlane. Die gebürtige
Odenwälderin Mühling hatte das Unternehmen
2015 gemeinsam mit den Informatikern Florian
Schimandl und Mathias Baur gegründet. Mühling
studierte Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwer-
punkt Technologie und Informatik im Grundstudi-
um. Ein Interview im Rahmen ihrer Masterarbeit
brachte sie mit den beiden zusammen, die sie da-
raufhin – noch während des bereits laufenden
Exist-Gründerstipendiums – ins Team holten.
Der potenzielle Markt für Smartlane ist groß. So
könnten zum Beispiel Einzelhandelsketten mit der
Technologie die Belieferung ihrer Filialen oder von
Endkunden organisieren. Thelen glaubt, dass
Smartlane das Potenzial habe, eine Gegenmacht zu
Amazons ausgeklügelter Logistik-Technologie zu
werden. „Bislang haben Händler außerhalb von
Amazon kaum Zugang zu solcher Technologie“,
sagt er. „Smartlane wird das ändern.“
Die Nachfrage jedenfalls ist da: Gerade bei
Themen wie der Flexibilisierung von Zustellzeit
und -ort, automatisierten Echtzeit-Benachrichti-
gungen und Lieferungen am selben Tag wollen die
Unternehmen verstärkt auf Digitalisierung setzen.
Aktuell nutzen 54 Prozent der Firmen Big-Data-
Analytik, zeigt eine Fraunhofer-Studie. In fünf
Jahren wollen dies 83 Prozent tun. Künstliche Intel-
ligenz haben bislang allerdings nur vier Prozent der
Firmen im Einsatz – in fünf Jahren wollen dies im-
merhin 25 Prozent der Befragten ändern.
Mit dem Erlös aus der Finanzierungsrunde will
das Start-up nun das Wachstum beschleunigen.
„Wir wollen eine starke Marke aufbauen“, sagt
Mühling. „Das Ziel ist, dass jeder, der seine Trans-
portlogistik und die dahinterstehenden Prozesse
automatisieren und optimieren will, zuerst an
Smartlane denkt.“
Monja Mühling, Frank Thelen
Gründerin und Türöffner
Die Unternehmerin will die Logistik digitalisieren – und hat nun einen prominenten Investor
gewonnen: Thelen ist überzeugt, dass Smartlane ein „europäischer Tech-Champion“ werden kann.
Smartlane-
Gründerin
Monja Mühling:
Transportdaten
und Künstliche
Intelligenz für
Spediteure.
Smartlane,
Geld ist der
kleinste Teil,
den wir
einbringen.
Frank Thelen
Freigeist
obs
Familienunternehmen
des Tages
MONTAG, 7. OKTOBER 2019, NR. 192
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