Der Spiegel - 05.10.2019

(Steven Felgate) #1
135

ROBIN HINSCH / DER SPIEGEL

Der Augenzeuge

»Vor Pillen warnen hilft«


Frank Frehse ist 52 Jahre alt und verbringt viele
Nächte in Technoklubs. Als Mitglied des Projekts
»Vivid – Safer Nightlife« informiert er über
Rauschmittel und greift ein, wenn jemand zu viele
oder die falschen Drogen genommen hat.

»Seit Jahren gehe ich auf Technopartys, da habe ich vieles
gesehen: Menschen, die mitten auf der Tanzfläche zusam-
menbrechen, oder solche, die unter Drogeneinfluss Panik
bekommen. Wer feiert, geht ein Risiko ein, vor allem wenn
er Drogen konsumiert. Deshalb haben wir in Hamburg das
Projekt ›Vivid‹ gegründet – wir wollen, dass die Feiernden
sicher durch die Nacht kommen.
Niemand soll sich unnötig in Gefahr bringen, deshalb
informieren wir über den Umgang mit Drogen. Geht es
jemandem trotzdem nicht gut, dann kümmern wir uns. Wir
haben einen 20 Meter langen Reisebus, etwas abseits von
einem der Klubs. Innen sieht er aus wie ein Wohnzimmer: mit
Betten und Lichterketten, auf einem Tisch stehen Tee und
Obst. Pro Nacht kümmern wir uns um acht bis zehn Personen.
Als Erstes kontrolliere ich den Puls. Ob ich einen Arzt
rufe, entscheide ich nach meinem Bauchgefühl – aber lieber
einmal zu oft als einmal zu wenig. Ich bin kein Mediziner
und kann nur die betreuen, die stabil sind. Wenn jemand
bewusstseinsverändernde Substanzen genommen hat, kann
es sein, dass er in Panik gerät. Gespräche helfen, nicht den
Bezug zur Realität zu verlieren. Eine Schicht in unserem Bus
dauert vier Stunden. Wenn man gerade jemanden betreut,
kann es auch länger dauern, da sagt man nicht: ›So, Feier-
abend!‹ und lässt die Person allein sitzen.
Wir haben auch einen Stand, an dem wir Informationen
und Warnungen auslegen: ›Welche Droge bewirkt was? Was
sind die Gefahren?‹ Viele Menschen kennen sich mit Drogen
nicht aus – das ist gefährlich. Eine zu hohe Dosierung kann
dich töten. In Österreich, den Niederlanden und der Schweiz
können die Leute ihre Drogen testen lassen, bevor sie sie
nehmen. Auch in Berlin soll es das bald geben.
Partygäste fragen uns oft, ob wir solche Tests auch anbie-
ten – machen wir nicht. Wir dürfen bloß mit einem Plakat
vor bestimmten Pillen warnen. Das hilft auch schon. Wenn
jemand sieht: ›Meine Ecstasy-Pille mit dem Tigerlogo ist
extrem stark‹, dann ist er hoffentlich sehr vorsichtig.«
Aufgezeichnet von Muriel Kalisch

Zurück auf Anfang


Zuletzt war es etwas still
geworden um den Mann,
der als schnell sprechender
Detective in den Achtziger-
jahren für Massen von
hysterisch lachenden Kinozu-
schauern sorgte. Jetzt kehrt
der ehemalige »Beverly Hills
Cop« zurück, und zwar ganz

zum Anfang. Eddie Murphy,
58, plant eine Tournee als
Stand-up-Comedian durch
die USA, wie die »New York
Times« berichtet. Murphy
lernte sein Handwerk schon
als Teenager auf kleinen Büh -
nen, später war er im Team
der TV-Satire-Show »Satur-
day Night Live«. Von Mitte
der Achtzigerjahre an arbei-
tete er dann vor allem als
Schauspieler. Er habe aber
nie aufgehört, Material für
die Bühne zu sammeln, sagte
er jetzt, in den vergangenen
drei Jahren hielt er Ideen für
Witze auf Band fest. Bis ein
abendfüllendes Programm
stehe, könne es aber noch
einige Monate dauern. KS

Kunst und Klima


Der französische Choreo-
graf Jérome Bel, 54, der
international für seine Insze-
nierungen von Konzepttanz
bekannt ist, geht unter die
Klimaaktivisten und stellt
das Reisen mit dem Flugzeug
ein. Mehr noch, er kündigte
an, fortan Künstler zu boy-
kottieren, die nichts gegen
die Klimakrise unternehmen.
Das sagte er der Nachrich-
tenagentur AFP. Damit folgt
er seinem Bedürfnis, etwas
gegen die fortschreitende
Zerstörung der Erde zu tun –
und im Einklang mit seinen
Überzeugungen zu leben.
Schon im vergangenen Win-
ter habe er eine Art Erleuch-
tung erlebt, sagte Bel. Er
drosselte seine Heizung, um
so viel Energie wie möglich

zu sparen, und dabei fiel
ihm ein, dass vier seiner
Assistenten gerade um die
Welt flogen, um ein Projekt
auf die Bühne zu bringen:
»Da wurde mir bewusst, dass
ich ein Heuchler bin, dass
ich mich selbst belüge, dass
mein Leben wie ein schlech-
tes Theaterstück ist.« Seine
neueste Inszenierung, die in
Europa und in den USA auf-
geführt wird, heißt »Isadora
Duncan«. Es gibt zwei Ver-
sionen, mit zwei verschiede-
nen Tänzerinnen. Die Pro-
ben in New York leitete der
Künstler via Skype, und
auch den Aufführungen in
den USA wird er nicht in
persona beiwohnen. Seine
Ansage war deutlich: Weder
er noch ein Mitglied seiner
Compagnie werde je wieder
ein Flugzeug besteigen.KS

DMITRY KOSTYUKOV / NYT / REDUX / LAIF

DANIEL DORSA / NYT / REDUX / LAIF

Free download pdf