Der Spiegel - 05.10.2019

(Steven Felgate) #1

mehr auf genügend Exporte umlegen. Je
geringer die Stückzahlen, desto höher der
Preis – auch für unsere Heimatländer.
Aber das scheint man in Deutschland ein-
fach nicht hören zu wollen.
SPIEGEL:Haben Sie ein Beispiel?
Hoke:Bei der Eurodrohne sollen insge-
samt 21 Systeme à drei Maschinen von vier
europäischen Ländern bestellt werden. Ins-
gesamt sind das also 63 Stück. Nur mal


zum Vergleich: In den USA werden meh-
rere Hundert Drohnen pro Jahr produ-
ziert. Zu jeder Stunde fliegen 60 bis 150
dieser Drohnen, an jedem Tag des Jahres.
Dadurch kommen jede Menge Ersatzteile
hinzu, die aufgrund der großen Stück -
zahlen kostengünstiger gefertigt werden
können.
SPIEGEL:Und wenn die Politik den Preis
für ihre moralische Entscheidung bezahlt?

Hoke:Das wäre eine – mangels Stückzahl
sehr teure – Möglichkeit und daher keine,
die unsere Partner in Frankreich oder Spa-
nien akzeptieren würden.
SPIEGEL:Wie robust ist die auf europäi-
scher Ebene vereinbarte gemeinsame Ver-
teidigungspolitik?
Hoke:Es ist alles andere als gesetzt, dass
wir zu einer Einheit finden. Das Staaten-
bündnis ist doch schon ohne äußere Be-
drohung sehr komplex. Und dann sind da
die zwei Großmächte: China mit seiner
Seidenstraßenstrategie und die USA mit
einer sehr aggressiven Rüstungsstrategie.
Sie basiert darauf, die hohen Investitionen
in neue Rüstungsprodukte mit einer ex-
pansiven Exportpolitik zu finanzieren.
SPIEGEL:Was müsste Europa also tun, um
dagegen zu bestehen?
Hoke:Für mich sind zwei Projekte von
herausragender Relevanz. Das sind die
Eurodrohne und das zukünftige europäi-
sche Future Combat Air System, kurz
FCAS. Mit der Drohne können wir tech-
nologisch beweisen, dass wir auch das auf
mehrere Dekaden angelegte FCAS ent -
wickeln und bauen können. Bei unbe-
mannten Flugzeugen sind wir dabei, den
Anschluss zu verlieren. Jetzt haben wir
die letzte Chance, noch den Einstieg zu
finden.
SPIEGEL:Was verbirgt sich hinter dem
neuen FCAS-Systemverbund?
Hoke:Es geht um die Schaffung einer
europäischen Cloud-Lösung mit Standar-
disierung der militärischen Kommunika -
tion und Konnektivität. Dadurch sollen
die Informationen aller Land-, See- und
Luftsysteme zusammenlaufen, in Echtzeit
analysiert werden und Auswertungen si-
tuationsbedingt zurückgespielt werden.
SPIEGEL:Das klingt verdammt teuer.
Hoke:Wir reden hier von dem prägends-
ten Hochtechnologieprojekt in der euro-
päischen Verteidigung der nächsten fünf
Jahrzehnte. In der ersten Ausbaustufe
wird voraussichtlich ein hoher einstelliger
Milliardenbetrag erforderlich sein. FCAS
ist gewiss nicht zum Schnäppchenpreis zu
haben, aber es ist eine unglaublich wich -
tige Investition mehrerer Partner in den
Hochtechnologiestandort Europa. So viel
steht fest.
SPIEGEL:Wenn Deutschland tatsächlich
zwei Prozent seines Bruttoinlandspro-
dukts für Rüstung ausgeben sollte, brechen
doch goldene Zeiten für Sie an.
Hoke:In jedem Fall hat die Bundesregie-
rung dieses Ziel bereits 2004 ausgegeben
und 2014 erneut im Rahmen der Nato be-
kräftigt. Doch leider driftet Deutschland
gerade von 1,37 Prozent wieder in Rich-
tung 1,25 Prozent, was selbst die für einen
Zwischenschritt angepeilte Marke von
1,5 Prozent in weite Ferne rücken lässt.
Das kann ich beim besten Willen nicht ver-
stehen.

DER SPIEGEL Nr. 41 / 5. 10. 2019 63


DIRK BRUNIECKI / DER SPIEGEL
Airbus-Defence-CEO Hoke: »Alternative Lebensorte abseits der Erde«
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