Focus - 21.09.2019

(Joyce) #1
AUSLAND

FOCUS 39/2019 3737


sogar persönlich gehört. Er will, dass so
etwas nie wieder passiert. Und dass die
Schuldigen zur Verantwortung gezogen
werden.
Die UN liegen also falsch?
Die UN haben nie ihre angeblichen
Beweise vorgelegt. Und auch die Tür-
kei hilft nicht bei der Aufklärung. Sie
hält bewusst mögliche Beweise zurück,
zum Beispiel die Verbindungsnach-
weise von Khashoggis Telefon. Damit
könnten wir herausfinden, wer ihn in
die Botschaft gelockt hat.
Dennoch sitzen noch viele
Journalisten und Blogger
wie Raif Badawi im Ge-
fängnis und werden aus-
gepeitscht, weil sie die
Regierung kritisiert haben.
Raif Badawi ist von
einem Gericht verurteilt
worden. Diese Gerichte
handeln unabhängig von
der Regierung. Der Kron-
prinz kann da also gar
nicht direkt eingreifen.
Aber er könnte die
Gesetze ändern, damit
Kritiker nicht mehr
verhaftet werden.
Basis unserer Gesetze
ist die Scharia. Deshalb
können Gesetze nicht ein-
fach geändert werden.
Aber was man ändern
kann, ist die Interpreta-
tion.
Ist der Kronprinz vielleicht
gar nicht so mächtig?
Hat er die Kontrolle über
die Regierung verloren?
Der Kronprinz ist ein
sehr starker Regierungs-
chef. Aber er ist natürlich nicht immer
genau über all das informiert, was sei-
ne Mitarbeiter gerade tun. Das ist in
anderen Ländern übrigens genauso,
denken Sie an Guantanamo oder Abu
Ghraib. Niemand hat nach den Vorfäl-
len dort erklärt, der US-Präsident habe
die Kontrolle verloren.
Der Prozess gegen Khashoggis mutmaß-
liche Mörder läuft – aber geheim. Warum
wird der Prozess nicht öffentlich geführt
und die Namen der Angeklagten genannt?
So sind die Gesetze bei uns. Dazu
gehört auch, dass die Identität eines
Angeklagten so lange geheim bleibt,
bis ein Urteil gesprochen wird.
Droht den Tätern die Todesstrafe?
Auf Kapitalverbrechen wie Mord
steht bei uns die Todesstrafe. Sollten die
Richter also feststellen, dass es sich bei

Die Regierung sprach nach der Tat von
einem unfassbaren Verbrechen und hat
klargemacht, dass geltende Gesetze
gebrochen wurden.
Nach Aussagen der UN soll Kronprinz
Mohammed bin Salman vom Mord
gewusst, ihn möglicherweise sogar in
Auftrag gegeben haben. Kann man seinen
Ankündigungen überhaupt glauben?
Sie sagen zu Recht „soll“. Es gibt
keine Beweise für die Aussagen der
UN. Der Kronprinz hat das Verbrechen
aufs Schärfste verurteilt, das habe ich

den Angeklagten um die Täter handelt,
ist die Todesstrafe sehr wahrscheinlich.
Es gibt in unserem Land eine über-
aus große Zustimmung zur Todesstrafe.
Deshalb glaube ich nicht, dass wir das
ändern werden.
Nach dem Mord an Khashoggi hat
Deutschland die Waffenlieferungen
an Saudi-Arabien gestoppt.
Dieses Moratorium wurde nun
verlängert. Überrascht Sie das?
Der erste Verlierer des Exportstopps
ist die deutsche Industrie, sind deut-
sche Arbeitsplätze. Rüstungsprodukte
aus Deutschland machen
nur einen sehr kleinen
Teil der saudischen Rüs-
tungsbeschaffung aus.
Wir können leicht andere
Quellen finden. Deshalb
halte ich das nicht für
eine vernünftige Politik.
Die Schiffe, die zurzeit
in Wolgast feststecken,
sind Grenzschutzboote,
die gegen Schmuggel
und für Rettungsaktionen
gedacht sind. Die Grenz-
schutzpolizei hat auch
nichts mit dem Krieg im
Jemen zu tun.
Sie bezweifeln
die Rationalität der
deutschen Politik?
Nein, aber die Reali-
tät wird sein, dass es am
stärksten die deutsche
Industrie treffen wird.
Einer der schärfsten
Kritiker der saudischen
Politik ist Ex-Außen-
minister Sigmar
Gabriel. Haben Sie
sich schon mit ihm getroffen?
Ich habe eine Stunde mit Herrn Gab-
riel auf seiner Veranda in seinem Haus
in Goslar gesessen und geredet. Wir
haben ein gutes Verhältnis. Die Basis
der saudisch-deutschen Beziehungen,
die inzwischen 90 Jahre lang bestehen,
waren immer Handel und Wirtschaft.
Und wir haben bei unserem Gespräch
festgestellt, dass wir viele gemeinsa-
me Felder der Zusammenarbeit haben.
Nicht nur wirtschaftliche, auch geo-
politische. Unseren Ländern liegt viel
an Afrikas wirtschaftlicher und politi-
scher Stabilisierung. Das zeigt, dass die
Bereiche, in denen wir übereinstimmen,
zahlreicher sind, als die, in denen wir
unterschiedliche Meinungen haben.n

INTERVIEW: G. DOMETEIT / J. W. SCHÄFER

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Es ist klar, dass
die Iraner bei dem
Angriff eine Rolle
gespielt haben

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Faisal bin Farhan al-Saud

Im Gespräch Der Botschafter
mit den FOCUS-Redakteuren
Dometeit und Schäfer

Blick aus dem All
Dieses Foto wurde nach
dem Anschlag von
einem Satelliten
aufgenommen:
Die Raffinerie in
Abkaik ist die größte
Anlage ihrer Art. Täg -
lich werden dort mehr
als fünf Millionen
Barrel Öl gefördert
und verarbeitet
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