Focus - 21.09.2019

(Joyce) #1

KULTUR


88 FOCUS 39/2019


Mr. Sam Fender
Als Kind fühlte er sich
immer als unsicherer
Außenseiter, sagt Sam
Fender. Die Bühnen-
präsenz musste er sich
mühsam antrainieren.
Nur so wird man zur
„Hypersonic Missile“

S


am Fender hat sein
Deo vergessen. In
der Nacht ist er mit
dem Tourbus von
Newcastle nach Bris-
tol gefahren, wo er
tagsüber fotografiert
werden und abends
ein Konzert nachholen soll. Dann stell-
te er fest, dass er seine Sachen unzu-
reichend gepackt hatte. „Kann ich mir
kurz Ihr Deo leihen?“, fragt er. Neu-
gierig schaut er in die Reise tasche des
Journalisten. „Was, Sie haben auch
Zahncreme dabei? Wahnsinn!“ Wie
schön, dass er zumindest an seine
Zahnbürste gedacht hat.
Man sagt dem 25-jährigen Musi-
ker aus dem Newcastler Vorort North
Shields nach, er sei Englands Antwort
auf Bruce Springsteen, Jeff Buckley
und die Killers. An diesem Nachmit-
tag mag er vielleicht ein wenig zer-
streut und überdreht wirken, aber man
muss das verstehen. Es sind noch vier
Wochen bis zur Veröffentlichung seines
großartigen Debütalbums „Hypersonic
Missiles“, und Fender zählt die Tage.
Eigentlich wäre das Werk sogar be-
reits erschienen, hätte nicht Anfang
Juni plötzlich Fenders Stimme versagt.
„Zu viel gesungen, zu viele Konzerte“,
sagt er, „wir haben einfach nicht mehr
aufgehört. Und ich habe die Hals-
schmerzen zu lange ignoriert.“ Mehr
als 100 Shows haben er und seine
Band 2018 in Europa und den USA
gespielt.
Als im Dezember dann bekannt ge-
geben wurde, dass Fender den Kritiker-
preis der Brit Awards, der britischen
Pendants zu den Grammys, erhalten
würde, zog das noch mehr Konzerte
nach sich. Nach rund zwei Jahren
Dauerbelastung waren seine Stimm-
bänder entsprechend geschunden,
entzündet und blutig. Die Ärzte ver-
ordneten ihm eine sofortige Ruhepau-
se sowie basische Schonkost, was für
Fender, der als Logo einen Döner-Ver-
käufer hat und als Fan-Artikel Chili-
sauce verkauft, natürlich ein gravie-
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