Focus - 21.09.2019

(Joyce) #1

KULTUR KOLUMNE


Illustrationen: KAFI, Matthias Seifarth/FOCUS-Magazin

90 FOCUS 39/2019


relevanter Themen angenommen haben,
und Sam Fender scheint nun alles auf
einmal ansprechen zu wollen.
„Dead Boys“ erzählt zum Beispiel von
der hohen Selbstmordrate bei Männern
unter 45. Die Statistik geht in Groß-
britannien von 84 Suiziden pro Woche
aus, wobei die Zahlen im Nordosten des
Landes, aus dem Fender stammt, noch
höher sind. „Wir alle kämpfen mit unseren
Abgründen / Die einen laut, die anderen
leise / Und jeder hier trinkt / Denn das
ist unsere Kultur“, heißt es in dem Lied.


Das zweite Album ist schon fast fertig


Schuld sei ein Cocktail aus toxischer
Männlichkeit, gescheiterten Träumen
und der Unfähigkeit, über Probleme zu
sprechen, sagt Fender. Auch ein enger
Freund und ein guter Bekannter von ihm
hätten sich kurz nacheinander das Leben
genommen, und er selbst habe viele Jah-
re unter dem gängigen Männlichkeitsbild
gelitten. Selbst wenn man es ihm heu-
te nicht mehr ansieht, war er ein dickli-
ches, kränkliches Kind mit Hautausschlag
und Asthma, das zu Nasenbluten neigte.
„Jeder Versuch, ein richtiger Junge zu
sein oder Fußball zu spielen, hat natürlich
nie geklappt“, sagt er. Sein Selbstvertrau-
en sei ein Trümmerhaufen gewesen, der
einzige Ausweg war die Gitarre, die er
mit acht als eine Art Wiedergutmachung
vom Vater zu Weihnachten bekam, nach-
dem sich die Eltern getrennt hatten.
Sein älterer Bruder hat ihm dann Bruce
Springsteen, Joni Mitchell und Bob Dylan
nahegebracht, über seinen Vater lernte er
Otis Redding, Aretha Franklin und Steely
Dan kennen, und durch die Schule kamen
The Streets, Kendrick Lamar und Arctic
Monkeys hinzu. Man muss sich Fender
wie einen Schwamm vorstellen, der über
Jahre alle möglichen Musikstile aufgeso-
gen hat und jetzt einen potenziellen Hit
nach dem anderen hervorbringen kann. Er
sagt, er habe Melodie und Arrangement
eines Songs schon gleich beim Schreiben
der Texte im Kopf, und Texte schreibe er
eigentlich die ganze Zeit.
Das zweite Album sei im Übrigen bereits
fertig, weswegen es Zeit werde, dass das
erste endlich erscheine. Seit einer Woche
ist „Hypersonic Missiles“ nun auf dem
Markt. Die Fans sind begeistert, die Kritik
ist voll des Lobes, und Fender hat bereits
angekündigt, in den River Tyne zu sprin-
gen, wenn er mit dem Album auf dem
ersten Platz der Charts landet. Den Prog-
nosen nach zu urteilen, sollte er schon mal
vorsorglich die Handtücher rauslegen. n


HARALD PETERS

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Buch & Welt


FOCUS-Autor Uwe Wittstock
über die Coolness der Computer
und die Frage, was man sieht, wenn man
Fremden tief in die Augen schaut

So kommt man Schwindlern


am besten auf die Spur


Falls Sie vorhaben, in den USA wegen
Verdachts auf eine Straftat verhaftet zu
werden, sollten Sie Folgendes wissen:
Man wird Sie einem Haftrichter vorführen,
der die Ermittlungsakten liest, mit Vertei-
diger und Staatsanwalt spricht und Ihnen
dann ins Gesicht schaut. Solche Richter
sind erfahrene Leute, sie möchten von
Ihren Gesichtszügen ablesen, ob Sie ein
anständiger Mensch sind, den sie vor-
läufig auf Kaution freilassen können, oder
ein schlimmer Finger, der bis zum Prozess
besser im Gefängnis aufgehoben ist.
Die Entscheidung ist nicht leicht. Ge-
nauer: Sie ist schwer. Darüber, wie schwer
sie ist, hat Bestsellerautor Malcolm
Gladwell sein neues Buch geschrieben:
„Die Kunst, nicht aneinander vorbeizu-
reden“ (Rowohlt, 22 Euro). Wissenschaft-
ler haben die Daten von über einer halben
Million solcher Kautionsverhandlungen

gesammelt und im Nachhinein nochmals
vom Computer entscheiden lassen.
Der Computer kannte nur die Ermittlungs-
akten und lag mit seinem Urteil um
25 Prozent besser als die Richter mit
ihrer Menschenkenntnis.
Gladwell bringt Dutzende solcher Bei-
spiele. Wir gestehen uns das ungern ein,
aber unbekannte Leute nach ihren Wor-
ten, ihrem Verhalten oder ihrem Gesicht
zu beurteilen ist fast unmöglich. Wenn
Versuchspersonen in psychologischen
Tests entscheiden sollen, ob ihnen ein
Fremder die Wahrheit sagt oder sie be-
lügt, liegt die durchschnittliche Erfolgs-
quote bei 54 Prozent. Also nur wenig
höher, als wenn sie würfeln würden.
Selbst erfahrene Kriminalbeamte errei-
chen kaum bessere Ergebnisse.
Nur Harry Markopolos ist eine Aus-
nahme. Er war der Erste, der dem
65-Milliarden-Dollar-Betrüger Bernard
Madoff auf die Schliche kam – Jahre
vor der Polizei. Gladwell hat mit
Markopolos gesprochen und
konnte zwei Gründe finden für
dessen Scharfsicht. Der erste
war einfach: Markopolos hatte
Madoff nie getroffen, er beur-
teilte ihn wie ein Computer
nur nach Zahlen, nicht nach
dem Gesicht.
Den zweiten Grund begriff
Gladwell erst allmählich, als er
mit Markopolos über andere
Themen sprach. Wirtschaftsprü-
fer? In Markopolos’ Augen alle-
samt inkompetent oder kriminell!
Versicherungen? Durch und durch
korrupt! Verleger? Samt und sonders
Abrechnungsfälscher! Krankenkassen?
Betrüger! In Markopolos’ Welt gab es nur
Schwindler. Also musste auch Madoff
einer sein.

Daten statt
Intuition
Malcolm Gladwell
schreibt über
Menschenkenntnis
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