Focus - 28.09.2019

(Jacob Rumans) #1
REISE

Fotos: Will Byington


FOCUS 40/2019 113

der Gold Card nicht nur eine Foto-Ses-
sion mit Jon Bon Jovi gesichert haben,
sondern auch die Drinks-Flatrate, ist die
Stimmung, sagen wir mal, irgendwo zwi-
schen Coachella und Ballermann. Im Pool
räkeln sich Bikinimädels mit Strohhüten
und Piña coladas, der Frontsänger der
Heavy-Metal-Newcomer-Combo Collate-
ral, Röhrenjeans und Metal-Mähne, trinkt
sich an der „Sky Bar“ warm, und im Star-
dust Theatre plaudert Matt Bongiovi, der
Bruder, quasi aus zweiter Hand aus dem
wilden Leben eines Rockstars.
Denn die eigene zeitweise Abwesenheit
gleicht Jon aus durch die Anwesenheit
von Teilen seiner Familie und eines gan-
zen Feuerwerks an Devotionalien, Filmen,

Cocktails mit so schönen Namen wie „Run-
away Rum Punch“ und „Living in Sin“-
Spritz in Plastik-Sammelbechern.
Die Fans, das muss man sagen, bekom-
men ziemlich viel Bon Jovi geboten in die-
sen vier Tagen, wenn auch etwas wenig
vom echten Jon. Aber wann hat man schon
mal die Gelegenheit, dem Sohn eines
Weltstars so nah zu sein? Das „Indulge
in Hampton Water Wine Tasting“ in der
Spinacker Lounge mit Jesse himself gehört
nicht unbedingt zu den Höhepunkten die-
ser Kreuzfahrt, aber man lernt doch viel
über den Menschen an sich: Wie schwie-
rig es tatsächlich ist, seine Rolle im Leben
zu finden, wenn man der Sohn eines irre
erfolgreichen, extrem gut aussehenden

Tag zwei, die Sonne über Palma ist
schon in Nachmittagslaune, da kündigt
die Schiffsdurchsage endlich sein Kom-
men an. Also alle Mann portside, die Crew
verteilt noch schnell ein paar Fähnchen
mit „Runaway to Paradise“-Logo, schwar-
ze Limousine, Gekreisch.
2000 Bewunderer auf einen Star, das
ist ja schon eine ziemlich exklusive Sache.
Am Abend gibt Jon sein erstes Konzert an
Bord, es ist angekündigt als „Q & A Acous-
tic Storyteller Set“ mit seiner Ersatzbe-
gleitband Kings of Suburbia, die immer
dann einspringt, wenn David Bryan, Tico
Torres und Hugh McDonald gerade nicht
können. Ausgerechnet an diesem Abend
stürmt es in der Bucht von Palma. Das

Vorträgen und Merchandising-Shops. Der
Veranstalter Sixthman, bei NCL zustän-
dig für Konzertreisen, hat die eigentlich
ganz klassisch über die Meere cruisende
„Pearl“ in ein veritables Bon-Jovi-Muse-
um verwandelt.
Überall Fotos von Jon in Lebensgröße,
Vitrinen mit dieser Löwenlederjacke von
einer der ersten Tourneen, als die Haa-
re noch lang und wild waren, der Jeans-
jacke mit der US-Flagge vom 9/11-Kon-
zert, lila Schuhen und dem Marinemantel
von 2013. Im Stardust Theatre läuft die
Jon-Doku „When We Were Beautiful“,
Jons persönlicher Fotograf David Berg-
man plaudert wirklich sehr witzig aus der
jahrelangen Zusammenarbeit mit seinem
Model. An allen Bars des Schiffes wird der
Rosé von Neuwinzer Jesse Bongiovi, dem
Sohn, ausgeschenkt, neben Signature-

Musikers ist. Und man selbst ist weder
das eine noch das andere.

„Keep The Faith“
Für Jesses Hampton-Water-Wein dürfte
sich vermutlich niemand interessieren,
wenn nicht Vater Jon, der sich selbst
einen „Expert Drinker“ nennt, im Werbe-
video ein Gläschen davon trinken wür-
de. Die erste Flasche schmeckt okay, die
zweite schon ziemlich gut, mit 27 Dollar
ist er an Bord ziemlich teuer. Die Kreuz-
fahrerinnen beim Tasting aber sind ganz
aus dem Häuschen, Jesse verteilt Auto-
gramme auf Flaschen und Dekolletés,
und jene, die keine Gold-Card-Alk-Flat-
rate haben, kippen sich am Ende der
Degustation die Reste aus den Gläsern
in mitgebrachten To-go-Bechern zu einer
ganz eigenen Cuvée zusammen.

Konzert wird also in das Stardust Theatre
verlegt, das kleine Theater an Bord, 1042
Plätze, und so wird aus einem exklusiven
Event ein geradezu intimer.
Dass bei Konzerten echte Kunst ent-
steht, passiert selten genug, und für diesen
Abend an Bord einer Party-Cruise hätte
man das schon gar nicht erwartet. Aber die
Unplugged-Version des Stadionrock-Gas-
senhauers „It’s My Life“ ist geradezu groß-
artig und der Stadionrocker selbst nahbar,
selbstironisch und witzig.
Bon Jovi ist ganz offensichtlich gern
so eng mit seinen Fans zusammen und
die mit ihm. Er beantwortet Fragen zum
Abgang seines Freundes und Gitarristen
Richie Sambora, dessen unprofessionel-
ler Umgang mit Drogen und Alkohol ihm,
dem vermutlich diszipliniertesten Rocker
der Welt, den letzten Nerv geraubt

Jons Erinnerungen Lederjacken, Gitarren, Bühnen-Outfits und Goldene
Schallplatten aus 35 Rockstar-Jahren: die Memorabilia Gallery an Bord

Jon und FOCUS Wie jeder andere Fan hatte Redakteurin Barbara Jung-
Arntz genau drei Sekunden für den Fototermin nach dem Konzert
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