Focus - 28.09.2019

(Jacob Rumans) #1

Foto: bayern.by – Gert Krautbauer


FOCUS�GESUNDHEIT 9

In Japan gilt Waldbaden als Medizin. In den Kurorten Bayerns


nutzt man das Eintauchen in die Welt der Bäume, um


den Stresslevel zu senken und das Wohlbefinden zu steigern


Tief durchatmen


H


inter dem dunkelgrü-
nen Vorhang liegt eine
andere Welt: voller Ge-
heimnisse und stiller
Erhabenheit. Sie ver-
spricht unzählige Variationen von
Grün, heitere Lichtsprengsel, die
durch die Baumkronen brechen,
kühlenden Schatten. Automatisch
geht der Atem tiefer, streift der Blick
umher, beginnt die Entspannung.
Kein Wunder, dass der Wald so
angesagt ist. Der moderne Stadt-
mensch, stets gehetzt, den Blick
nach unten aufs Display gerichtet,
sehnt sich nach der Natur als Kon-
trastprogramm. Mit jedem Schritt
hinein ins Grüne wird das Brummen
der Autos leiser, das Klopfen eines
Spechts vernehmlicher. Ein leichter
Pilzgeruch liegt in der Luft. Während
sich Nase, Augen und Ohren freuen,
atmen die Lungen Sauberkeit.

Studien belegen: Der Wald
hat heilsame Kräfte

Der Wald hat therapeutisches Po-
tenzial, davon sind heute mehr und
mehr Wissenschaftler überzeugt. Der
Trend zum Waldbaden – das Verwei-

len im Wald mit weit geöffneten Sin-
nen – kommt aus Japan, wo man die
heilsame Wirkung des Shinrin-yoku
in zahlreichen Studien belegt haben
will: Nach einem zweistündigen Auf-
enthalt im Wald sinken Blutdruck und
Blutzuckerspiegel, die Immunabwehr
ist erhöht, lauten einige Erkenntnisse
des Forschers Qing Li, Professor an
der Nippon Medical School in Tokio.
Regelmäßige Besuche sollen Herz-
und Kreislaufbeschwerden, Stoff-
wechselstörungen und Autoimmuner-
krankungen vorbeugen. Wie die Effek-
te hierzulande aussehen, müssen
Forscher noch genauer untersuchen.
Bereits gut belegt ist die lindernde
Wirkung des Waldes bei chronischen
Schmerzen, Depressionen – und
Stress. „Psychische Erkrankungen, die
sich auch körperlich niederschlagen,
nehmen zu“, sagt Angela Schuh, Aka-
demische Direktorin am Lehrstuhl
für Public Health und Versorgungs-
forschung (IBE) an der Ludwig-Maxi-
milians-Universität München (LMU).
„Viele Menschen leiden heute unter
Schlafstörungen und der zunehmen-
den Entrhythmisierung des Alltags.“
Hier kann der Wald eine Chance sein,
die eigene Mitte wiederzufinden.

Der Wald bietet günstige Be-
dingungen zur Gesundheits-
förderung und Prävention –
etwa bei Stresserkrankungen


  • Das spezielle Klima ist von der
    Baumart, der Belaubung, der
    Baumhöhe und der Dichte des
    Baumbestands abhängig.

  • Der Wald sorgt für eine hohe
    Luftreinheit, eine feinstaub-
    freie Atmosphäre und Ruhe.

  • Es herrschen ausgeglichene
    Temperaturverhältnisse
    und hohe Luftfeuchtigkeit,
    der Wald schützt vor Hitze,
    Sonne, Regen und Wind

  • Die würzige Waldluft, ange-
    reichert durch ätherische Öle
    der Nadel- und Laubbäume,
    fördert das Wohlbefinden.


Waldklima

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