Focus - 28.09.2019

(Jacob Rumans) #1
AUSLAND

Foto: imago images/photothek, instagram

FOCUS 40/2019 39


M

anchmal läuft es bei
Heiko Maas, 53, wie
in der Geschichte
von Hase und Igel:
Deutschlands Kanz-
lerin Angela Merkel
ist schon da, wenn
er ankommt. Als er
sich Dienstag dieser Woche mit seiner
Wagenkolonne vom JFK-Flughafen durch
die Staus von New York zu seinen ersten
Treffen während der UN-Vollversamm-
lung quält, hat Merkel bereits Donald
Trump und den iranischen Regierungschef
Hassan Rohani getroffen. Die Kanzlerin
will den Atomdeal mit dem Iran retten,
zwischen Trump und Rohani vermitteln.
Nach dem Angriff des Mullah-Staats auf
saudische Ölanlagen sind viele nervös.
Sprechen von drohender Kriegsgefahr im
Nahen Osten. Von einem Krieg, den kei-
ner will, in den man einfach so hinein-
schlittert. Die Zeit drängt.
Und deshalb hetzt auch Merkels Außen-
minister gleich nach seiner Ankunft am
East River weiter. Dabei, sagen Kritiker,
sei Maas’ Sache die Pendeldiplomatie
eigentlich nicht. Jetzt also Gespräche mit
dem saudischen Staatsminister al-Jubeir,
dann mit dem iranischen Außenminister
Mohammed Sarif. Sie dauern länger als
geplant. Das „Drop-in“, wie es seine Mit-
arbeiter in Diplomatendeutsch formulie-
ren, beim Empfang des US-Präsidenten im
vornehmen Hotel „Lotte Palace“ schenkt
er sich. Der Eindruck
mag täuschen, aber
Maas scheint auch nicht
böse drum. Es ist keines
von Trumps Hotels, einst
gehörte es dem Sultan
von Brunei, Suiten kos-
ten bis zu 25 000 Dollar
die Nacht.
Am nächsten Mor-
gen eilt Maas nach
einem Presse-Briefing
zur „Joint Commission“
im Uno-Hauptquartier.
Diesmal redet er mit den

Mitunterzeichnern des Atomdeals, Russ-
land, Frankreich, China, darüber, was
noch zu retten ist. Franzosen und Deut-
sche, sagt Maas, seien sich einig: Die Poli-
tik der Nadelstiche des Iran werde nicht
länger toleriert. Er steht auf der Straße in
seinem eng geschnittenen Anzug, vis-à-vis
einem Trump Tower, der sich gegenüber
dem UN-Gebäude erhebt. Maas, witzeln
manche, sei der einzige Sozialdemokrat,
der in einen Slim-Fit-Anzug passe.

Show auf der Weltbühne
Gespräche im Viertel- oder Halbstunden-
takt – so ist das, wenn sich die Weltge-
meinschaft alljährlich an der amerika-
nischen Ostküste trifft, um über globale
Probleme zu debattieren. Über 50 Begeg-
nungen hat Maas auf der Agenda – dip-
lomatisches Speed-Dating nennt man das
wohl. Und man fragt sich, was das brin-
gen soll. Maas’ Mitarbeiter sagen, das sei
nützlich, um etwas von der Stimmung in
der Welt mitzubekommen.
Die UN-Generalversammlung ist eine
internationale Bühne, eine, auf der sich
auch Deutschland, das im Januar für zwei
Jahre in den Sicherheitsrat gewählt wur-
de, präsentieren kann. Und ebenso ein
Außenminister, dem manche die Lei-
denschaft für außenpolitische Themen
absprechen. Und von dem viele erwarten,
dass er endlich ausführt, was eine ganze
Riege deutscher Spitzenpolitiker unter
anderem bei der Münchner Sicherheits-
konferenz gefordert hat:
nämlich dass Deutsch-
land endlich mehr Ver-
antwortung und Füh-
rung in der Welt über-
nehmen müsse.
Aber, um es mit Mer-
kels Worten zu formu-
lieren, schafft er das?
Ausgerechnet Maas, der
frühere saarländische
Regionalpolitiker und
Bundesjustizminister, der
als Laie auf den Posten
geschoben wurde?

Auf Fotos macht er eine gute Figur, doch in diplomatischen


Angelegenheiten bleibt er hinter den Erwartungen: Selten war


ein deutscher Außenminister so farblos wie Heiko Maas


Der Aussehminister


TEXT VON GUDRUN DOMETEIT UND MARC ETZOLD

Instagram-Botschaft Maas
arbeitet an seiner UN-Rede
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