Focus - 28.09.2019

(Jacob Rumans) #1

WIRTSCHAFT UNTERNEHMEN


Fotos: Katarzyna Skrzypek, Amin Akhtar/laif

62 FOCUS 40/2019


Command Centers jeden Post, Tweet
oder Kommentar im Netz überwachen,
der irgendwie mit dem Konzern zu tun
hatte. Als „völlig unsinnig“ beschreibt
ein ehemaliger Mitarbeiter die teure
Aktion, „denn das Management inte-
ressierte sich überhaupt nicht für unsere
Auswertungen der Kundenmeinungen
und ignorierte sie“. 2017 wollten die
Manager um den Schweizer Chef Peter
Fankhauser noch eine russische Airline
gründen.

Zukäufe ohne klaren Plan
Dann kam der vorige Sonntag. Fank-
hauser hatte erst im August ein weiteres
Engagement des chinesischen Investors
Fosun (u. a. Club Med) ausgehandelt, der
500 Millionen Euro frisches
Geld bringen sollte. Weite-
re 500 Millionen sollten von
Banken und Hedge-Fonds
kommen. Doch die Kredit-
institute wurden angesichts
der drückenden Schulden-
last skeptisch und verlangten
plötzlich 250 Millionen Euro
mehr Sicherheiten – etwa
durch einen neuen Investor,
den Fankhauser aber nicht
hatte. Die Rettung scheiterte,
Thomas Cook meldet Sonn-
tagnacht Insolvenz an. Die
bittere Ironie: Zu den Toten-
gräbern zählt die Royal Bank
of Scotland, die seit einer
anderen Rettungsaktion dem
Staat gehört. Es sei unerträg-
lich, dass ausgerechnet „eine Bank, die
ihre Existenz dem Geld der Steuerzahler
verdankt“, sich so unsolidarisch mit Tho-
mas Cook zeige, kritisiert Brian Strutton,
Geschäftsführer der britischen Piloten-
gewerkschaft Balpa.
In Deutschland verkündete Bundes-
wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU),
dass Condor einen staatlichen Überbrü-
ckungskredit in Höhe von 380 Millionen
Euro bekommen werde, der die 58 Flieger
bis zum Sommer 2020 in der Luft halten
soll. Die Airline sei „im Grunde gesund“,
und es gelte, fast 4900 Jobs zu retten.
Einige Insider wundern sich inzwi-
schen, wie aus 250 Millionen Euro, die
bis vor wenigen Tagen angeblich noch
zur Rettung des Gesamtkonzerns mit
22 000 Mitarbeitern ausreichten, „auf
einmal 380 Millionen allein für die
kleine Condor werden“. Das Plazet der
EU-Kommission dafür stehe ohnehin

noch aus, sagt ein Manager. Und er erin-
nert daran, dass es die Gläubiger der bri-
tischen Thomas Cook Group keinesfalls
klaglos hinnehmen müssten, „wenn sich
eine angeblich noch profitable deutsche
Tochter wie die Condor aus der Verant-
wortung für den Gesamtkonzern heraus-
stehlen möchte“.
Am Mittwoch gab es dann den Domi-
no-Effekt: Auch die deutsche Thomas
Cook AG in Oberursel meldete Insolvenz
an. Immerhin verkündete die Zurich Ver-
sicherung als zuständiger Insolvenzver-
sicherer für Pauschalreisende, sie wer-
de für die zwischen Thomas Cook und
den Hotels oder Airlines vereinbarten
Leistungen einstehen und auch die Rei-
senden wieder nach Hause holen. Die
Hotels hätten daher keinen
Grund mehr, ihre Gäste aus
Angst vor Zahlungsausfällen
vor die Tür zu setzen oder
noch einmal abzukassieren.
„Aber wie lange?“, fragt
Marija Linnhoff vom Ver-
band unabhängiger selbst-
ständiger Reisebüros (VUSR).
Denn die Leistungen der Ver-
sicherung seien bei 110 Mil-
lionen Euro gedeckelt, das
habe „die Bundesregierung
voriges Jahr gegen die aus-
drücklichen Warnungen von
Fachleuten“ entschieden. Bei
140 000 aktuell betroffenen
Urlaubern, die im Schnitt 700
Euro gezahlt hätten, sei die
Summe schon fast ganz auf-
gebraucht. „Und dann ist kein Geld mehr
übrig für alle die Kunden, die bereits ihren
Weihnachtsurlaub oder die Osterferien bei
Thomas Cook gebucht und Anzahlungen
geleistet haben.“

Hohes Risiko für die Reisebüros
Dazu droht der deutschen Reiseszene
eine zweite Pleitewelle: Inhaber von
Reisebüros, die ihre Kunden beim Kauf
einer Thomas-Cook-Reise nicht ausrei-
chend über das Risiko einer möglichen
Insolvenz aufklärten, haften für Schä-
den selbst. Sie hätten die Warnzeichen
der jahrelangen hohen Verschuldung
des Konzerns richtig deuten müssen.
„Die wenigsten Reisebüros haben sich
dazu von ihrer Kundschaft entsprechen-
de Beratungsprotokolle unterschreiben
lassen“, meint Linnhoff. „Leider.“ n

MATTHIAS KOWALSKI

Sieben Anbieter
zeitgemäßer Reiselust

Erleben
Johannes Reck, Gründer der
Event-Seite GetYourGuide,
sieht Erlebnisse am Zielort
(Führungen, Ausflüge) als
Schlüssel zum Erfolg

Alles buchen
Expedia versteht sich
als Rundum-Reisever-
anstalter ohne Kataloge.
CEO Mark Okerstrom
verhandelte mit Lufthansa

China-Power
300 Millionen User hat
Jane Sun, Chefin des
Online-Portals Ctrip.
Dazu zählen Trip.com und
Skyscanner in Europa

Vor allem Hotels
Glenn Fogel hält unter der
Booking Holding ein Impe-
rium: booking.com, agoda,
kayak, momondo, open table
sowie rentalcars.com

Ich am Pool
Madeleine Schneider-Weif-
fenbach ist Influencerin für
Reisen („pilotmadeleine“).
Mit 1,1 Mio. Followern die
erfolgreichste Deutsche

That’s good!
Stephen Kaufer von TripAd-
visor empfiehlt nicht nur
Sehenswürdigkeiten und
Hotels, sondern vermittelt
auch Unterkünfte

Gecheckt?
Der Chef von Holidaycheck,
Christoph Ludmann,
bietet eine Art deutsches
TripAdvisor, spezialisiert
auf Hotelbewertungen

„Reichen die


Leistungen der
Versicherung

auch für bereits
gebuchte

Urlaube an
Weihnachten?“

Marija Linnhoff
Verband unabhängiger
selbstständiger Reisebüros

Dieser Text


zeigt evtl. Pro-


bleme beim


Text an


DAS GANZE SEHEN –


MIT CAPITAL.


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