Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.10.2019

(lily) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen FREITAG, 4. OKTOBER 2019·NR. 230·SEITE 25


Niedriger Ölpreis belastet






Der niedrige Ölpreis macht sich
inzwischenauch in den Kursen
der großen Energiekonzerne bemerk-
bar. Nachdem der amerikanische Kon-
zern Exxon Mobil vor geringeren Ge-
winnen gewarnt hat, haben auch die
Papiere europäischer Unternehmen ge-
litten. Für den französischen Total-
Konzern ging es am Donnerstag um
1,2 Prozent nach
unten. Er zählte zu
den schwächsten
Werten im Euro
Stoxx 50. Eni, En-
gie und Enel litten
ebenfalls mit.

Airbus-Aktie mit Auftrieb






Trotz möglicher Strafzölle der
Vereinigten Staaten legte der Ak-
tienkurs des Flugzeugherstellers aus
Toulouse mit zeitweise 4 Prozent deut-
lich zu und gehörte zu den Gewinnern
des französischen Ak-
tienindex CAC 40.
Die Zuversicht der In-
vestoren gründet sich
auf die rosigen Wachs-
tumsperspektiven in
Zukunftsmärkten, die
der reißende Absatz des Passagierjets
aus der Typenfamilie A320 verschafft.
Die Flugzeuge aus Toulouse sind vor al-
lem von Billigfluggesellschaften in Chi-
na und im übrigen Südostasien heiß be-
gehrt.

Der Finanzplatz London


behauptet seine internationale


Führungsrolle.Seite 27


Technische Analyse mit Blick


aufdenAktienkurs von


Volkswagen.Seite 27


Die Turnerinnen Biles und Seitz


zeigender Welt ihr


fröhliches Gesicht.Seite 31


Mit vier Toren für die Bayern


machtsich Serge Gnabry in


Europa einen Namen.Seite 30


H&M übertrifft Erwartungen






Der Gewinn des Modehändlers
Hennes undMauritz hat im drit-
ten Quartal deutlich zugelegt. Das freu-
te auch die Anleger: Die in den vergan-
genen Jahren sehr gebeutelte Aktie leg-
te zeitweise um 6 Prozent zu. In die-
sem Jahr hat die Ak-
tie nun schon mehr
als die Hälfte wieder
zugelegt. Grund für
den Gewinn ist die
neue Strategie des
Modehändlers: Statt
neue Filialen zu eröff-
nen, investierte H&M
ins Internet.

Tops&Flops


Sonnig trotz Brexit Markante Marke


2.10. 3.10.

Dax

F.A.Z.-Index 2199,07 gs.
Dax 30 11925,25 gs.
M-Dax 25117,53 gs.
Tec-Dax 2720,57 gs.
Euro Stoxx 50 3413,31 3417,37
F.A.Z.-Euro-Index 125,39 gs.
Dow Jones 26078,62 26201,04
Nasdaq Index 7785,25 7872,27
Bund-Future 173,86 gs.
Tagesgeld Frankfurt -0,55 % gs.
Bundesanl.-Rendite 10 J. -0,54 % -0,60 %
F.A.Z.-Renten-Rend. 10 J.-0,26 % gs.
US-Staatsanl.-Rend. 10 J. 1,60 % 1,53 % *
Gold, Spot ($/Unze) 1499,51 1506,23
Rohöl (London $/barrel) 57,52 57,63**
1 Euro in Dollar 1,0925 1,0951
1 Euro in Pfund 0,8897 0,8879
1 Euro in Schw. Franken 1,0940 1,0957
1 Euro in Yen 117,47 117,17
*) Ortszeit 16.00 Uhr, **) Ortszeit 22.00 Uhr

Bundesanl. R. 10 J.

4.7.2019 2.10.2019 4.7.2019 3.10.2019


Sie lachen immer noch


Die Börse


Der Dauer-Dynamiker


nks.NEW YORK, 3. Oktober. An der
Wall Street wachsen die Sorgen vor einer
möglichen konjunkturellen Abkühlung in
den Vereinigten Staaten. Nach insgesamt
leichten Kursgewinnen in einem von zeit-
weilig starken Schwankungen geprägten
dritten Quartal starteten amerikanische
Aktien mit deutlichen Verlusten in das
Schlussviertel des Jahres. Der breitgefass-
te amerikanische Aktienindex S&P 500
sackte in den ersten beiden Handelstagen
des Oktobers um insgesamt 3 Prozent ab.
Schlechte Zahlen aus dem verarbeiten-
den Gewerbe und überraschend schwa-
che Arbeitsmarktdaten belasteten die Kur-
se am Dienstag und Mittwoch.
Auch an den europäischen Börsen hat
sich die Stimmung eingetrübt. Der Dax
war am Mittwoch mit einem Minus von
2,8 Prozent erstmals seit einem Monat
wieder unter die Marke von 12 000 Punk-
ten gerutscht und hatte mit 11 925 Punk-
ten geschlossen. „Es fühlt sich dieser Tage
an, als ob eins zum anderen kommt“, kom-
mentierte David Lafferty, der die Markt-
strategie des Wertpapierhauses Natixis
verantwortet. Am Donnerstag starteten
die Kurse mit Verlusten in den Handel.
Die heftigen Kursverluste überrasch-
ten, weil sich die amerikanischen Aktien-
märkte in diesem Jahr trotz des schwelen-
den Handelskonflikts zwischen den Verei-
nigten Staaten und China sowie rückläufi-
ger Unternehmensgewinne insgesamt po-
sitiv entwickelt hatten. Der S&P 500 liegt
trotz der jüngsten Verluste im Vergleich
zu Anfang Januar weiter um rund 15 Pro-
zent im Plus – auch gestützt von den jüngs-
ten Leitzinssenkungen der amerikani-
schen Notenbank. Die Federal Reserve er-
wartet weiterhin moderates Wirtschafts-
wachstum, reagierte mit den Zinssenkun-
gen aber auf die Risiken eines nachgeben-
den Wachstums der Weltwirtschaft sowie
negativer Auswirkungen des Handelskon-
flikts. Aktienkurse reagieren in der Regel
positiv auf fallende Zinsen. Unterneh-
men können sich damit günstiger finan-


zieren, und aus Sicht von Anlegern sind
Anleihen mit niedrigen Renditen im Ver-
gleich zu Aktien weniger attraktiv. Gleich-
wohl waren amerikanische Staatsanlei-
hen zuletzt stark gefragt, weil Anleger an-
gesichts der starken Kursschwankungen
extrem sichere Wertpapiere vorzogen.
Im Zentrum des Interesses werden im
Oktober die für Mitte des Monats ange-
setzten Handelsgespräche zwischen Ame-
rika und China sowie die Bilanzsaison für
das dritte Quartal stehen – was für anhal-
tende Volatilität sorgen dürfte. „Noch nie
schien jeden Tag so viel von den politi-
schen Entwicklungen abzuhängen“, sagte
Brent Schutte, Investmentstratege der
Fondsgesellschaft Northwestern Mutual
Wealth Management. „Es gibt ständige
Ungewissheit.“ Auch Nachrichten aus
dem amerikanischen Präsidentschafts-
wahlkampf haben nach Einschätzung von
Aktienhändlern am Mittwoch die Kurse

nach unten geschickt. Der demokratische
Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders
hat seine Wahlkampagne aus gesundheit-
lichen Gründen vorübergehend ausge-
setzt. Sollte Sanders aus dem Vorwahl-
kampf der Demokraten ausscheiden, dürf-
ten viele seiner Anhänger zur Konkurren-
tin Elizabeth Warren wechseln. Die Sena-
torin gilt als scharfe Kritikerin der Finanz-
branche und hatte in Umfragen zuletzt
deutlich auf den bisherigen Spitzenkandi-
daten Joe Biden aufgeholt. „Der Markt un-
terschätzt Warrens Fähigkeit, die Nomi-
nierung der Demokraten und auch die
Präsidentschaftswahlen zu gewinnen“,
hieß es in einem Bericht der Investment-
bank Raymond James.
Für die Bilanzsaison kalkulieren Ana-
lysten derzeit mit weiter nachgebenden
Unternehmensgewinnen. Nach Angaben
des Informationsdienstes Factset rechnen
die Analysten für die im S&P 500 abgebil-

deten Aktiengesellschaften im dritten
Quartal mit einem Gewinnrückgang um
3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das
wäre bereits das dritte Jahresviertel in Fol-
ge mit schrumpfenden Gewinnen. Die
Entwicklung der Unternehmensgewinne
ist ein entscheidender Faktor für den lang-
fristigen Trend der Aktienkurse.
In der Regel übertreffen die Konzerne
ihre Erwartungen, weil sie vor der Bilanz-
saison gerne tiefstapeln, um die Progno-
sen nicht zu verfehlen. Für das dritte
Quartal sind die Warnungen vor schwä-
cheren Gewinnen aber häufiger als üb-
lich. Von den 113 S&P-500-Konzernen,
die ihre Aktionäre vor der Bilanzsaison
über veränderte Prognosen informiert ha-
ben, sprachen 73 Prozent solche Warnun-
gen aus. „Das liegt über dem Fünfjahres-
durchschnitt von 70 Prozent“, heißt es
von Factset. Am deutlichsten reduzierten
Unternehmen aus konjunktursensiblen

Wirtschaftsfeldern ihre Prognosen: Ener-
gieproduzenten wie Exxon Mobil, Grund-
stoffhersteller wie International Paper,
Technologiekonzerne wie Micron Tech-
nology und zyklische Konsumwerte wie
Amazon und Ford.
An der Wall Street wird der Trend mit
Argusaugen beobachtet. Insbesondere die
Konsumtitel stehen im Mittelpunkt, weil
die amerikanische Wirtschaft zu zwei
Dritteln vom Konsum abhängt. Im vier-
ten Quartal kommt auch die für den Ein-
zelhandel entscheidende Weihnachtssai-
son ins Spiel. „Bis jetzt war der Verbrau-
cher ein Lichtblick“, sagt Shawn Snyder,
Investmentstratege in der privaten Vermö-
gensverwaltung der Citigroup. Aber auch
in diesem Segment finden sich erste Zei-
chen von Schwäche. Die Verbraucheraus-
gaben lassen nach und waren im August
nach offiziellen Angaben unerwartet
schwach nur um 0,1 Prozent gestiegen.

A


ls ein Freund neulich im Internet
Sushi bestellen wollte, war das
nicht so ganz einfach: Statt wie bisher
mit der hinterlegten Kreditkarte und
der Prüfziffer zu bezahlen, sollte er ei-
nen zusätzlichen Sicherheitscode ein-
geben, der ihm in sein Online-Banking
zugestellt worden sei. Um sich im On-
line-Banking einzuloggen, reichten
wiederum nicht mehr die Zugangsnum-
mer und das Passwort. Dafür brauchte
er noch seinen Tan-Generator samt
EC-Karte. Den Sicherheitscode fand
er nicht. Willkommen in der neuen
Welt der Internetbezahlung. Die von
der EU ersonnene Zahlungsdienste-
richtlinie PSD2 soll das Bezahlen im In-
ternet sicherer machen – doch vieles
ist nun erst einmal komplizierter. Bei
der Bankenaufsicht Bafin häufen sich
die Beschwerden von Kunden, die mit
der Umstellung nicht zurechtkommen.
Viele Online-Händler verzichten offen-
kundig einfach darauf, die zusätzli-
chen Sicherheitsvorkehrungen einzu-
führen, weil sie diese ihren Kunden
nicht zumuten wollen. Der Sushi-
Freund hat dem Lieferanten am Ende
ganz klassisch Bargeld gegeben. Das
Gros der Internethändler wird aber an-
dere Wege finden müssen, um Sicher-
heit und Komfort zu vereinen.

Bargeld lacht wieder


VonTim Kanning


kann.FRANKFURT, 3. Oktober. Die
neuen Sicherheitsvorgaben für Bezahlun-
gen im Internet werden in Deutschland
bislang von vielen Unternehmen umgan-
gen. Seit dem 14. September gelten so-
wohl für Bankgeschäfte als auch für Be-
zahlungen im Internet neue Vorgaben,
die unter dem Titel PSD2 von der Europäi-
schen Union eingeführt wurden. Dazu
zählt zum Beispiel, dass sich Kunden
beim Online-Banking oder beim Bezah-
len im Netz über zwei Faktoren identifizie-
ren müssen. Das können zum Beispiel ein
Passwort und eine eigens für eine be-
stimmte Transaktion erstellte Tan-Num-
mer sein.
Für Betrüger soll es auf diese Weise
schwieriger werden, unerlaubte Zahlun-
gen durchzuführen. Doch die höhere Si-
cherheit macht vieles auch komplizierter.
In der Praxis verzichten daher viele deut-
sche Online-Händler und Buchungsporta-

le bislang auf eine solche Zwei-Faktor-Au-
thentifizierung, wie eine Umfrage der
Deutschen Presse-Agentur ergeben hat.
„Zwei-Faktor-Authentisierung brauchen
wir nicht“, sagt etwa ein Sprecher des
Hamburger Versandhändlers Otto. Das
Unternehmen vertraue stattdessen auf
„diverse technische Maßnahmen“. Durch
die Authentifizierung mit zwei Faktoren
dauere der Kaufvorgang länger, so sei das
Kauferlebnis unattraktiver.
Ähnliche Begründungen liefern auch
andere Online-Händler. So verzichten die
Otto-Tochter About You und Zalando
ebenfalls auf die Zwei-Faktor-Authentifi-
zierung. „Das wäre zu aufwendig für unse-
re Kunden“, sagt eine Sprecherin von
About You. Man glaube nicht, dass Kun-
den den Zusatzschutz nutzen würden. Za-
lando verweist auf das „eigene, komplexe
Datensicherheitssystem“. Auch Bu-
chungsportale ziehen sich aktuell noch

auf den Standpunkt zurück, ihren Kunden
lieber mehr Komfort als mehr Sicherheit
bieten zu wollen. So lassen sich auch auf
dem Hotelbuchungsportal HRS noch Zim-
mer buchen, ohne dass sich der Nutzer da-
für über zwei Faktoren authentifizieren
müsse. Die Zahlung erfolge bei der Abrei-
se oder über einen externen Dienstleister,
heißt es bei HRS. Der zweistufige Anmel-
devorgang würde den Buchungsvorgang
„massiv erschweren“, so dass weniger
Menschen buchen würden. Die Lufthansa
erklärte, sie wolle sich aus Sicherheits-
gründen nicht dazu äußern, warum sie
keine Zwei-Faktor-Authentifizierung an-
bietet. Die Tochtergesellschaft Eurowings
will dies zumindest prüfen. Die Deutsche
Bahn schafft nach eigenen Angaben zur-
zeit die technologischen Voraussetzun-
gen dafür.
Während sich die Händler mit dem Ver-
weis auf andere Sicherheitsvorkehrungen

offenbar auf der sicheren Seite fühlen, hal-
ten sich die deutschen Banken strikter an
das neue Regelwerk. Doch die ziehen da-
für auch den Zorn mancher Kunden auf
sich. Das geht zumindest aus den Be-
schwerdezahlen bei der Bankenaufsicht
Bafin hervor. Ein Sprecher sprach schon
im September von 5684 Beschwerden
über Banken, was mehr als im gesamten
Vorjahr gewesen seien.
Neben den üblichen Beschwerden zu
einzelnen Geschäftsvorgängen, zur Kon-
toführung oder zu Überweisungen häuf-
ten sich inzwischen die Beschwerden zu
den neuen Authentifizierungsverfahren.
„In diesem Zusammenhang werden häu-
fig Probleme bei der Anmeldung zum On-
line-Banking und dann in der Folge die
mangelnde telefonische Erreichbarkeit
des jeweiligen Instituts gerügt“, sagte ein
Bafin-Sprecher den Zeitungen der Funke
Mediengruppe.

Neue Vorgaben für Online-Zahlungen sorgen für Ärger


VieleHändler verzichten auf zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen / Beschwerden über Banken häufen sich


FRANKFURT, 3. Oktober (dpa-
AFX). Deutsche Bundesanleihen sind
am Donnerstag im Kurs deutlich gestie-
gen. Der richtungweisende Terminkon-
trakt Euro-Bund-Future stieg am Mit-
tag um 0,28 Prozent auf 174,35 Punkte.
Die Rendite zehnjähriger Bundesanlei-
hen fiel im Gegenzug auf minus 0,58
Prozent. In Europa erhielten Staatsan-
leihen generell Zulauf. Auch amerika-
nische Staatsanleihen sind am Don-
nerstag mit Gewinnen in den Handel
gestartet. Am Markt wurden die über-
wiegend fallenden Renditen nicht zu-
letzt mit der Geldpolitik in den Verei-
nigten Staaten erklärt. Zudem erklären
Beobachter die hohe Nachfrage nach
festverzinslichen Wertpapieren mit
der schlechten Stimmung an den Ak-
tienbörsen. Nach einer Reihe schwa-
cher Konjunkturdaten ist die Wahr-
scheinlichkeit einer weiteren Zinssen-
kung durch die amerikanische Noten-
bank Fed spürbar gestiegen. Unterstüt-
zung bekamen festverzinsliche Wertpa-
piere zudem durch das riskante Um-
feld, das gekennzeichnet ist durch zahl-
reiche politische Konfliktherde. Schwa-
che Konjunkturdaten aus der Euro-
zone sorgten ebenfalls für Unterstüt-
zung des Rentenmarkts. Die Unterneh-
mensstimmung in der Eurozone, ge-
messen am Markit-Einkaufsmanage-
rindex, fiel im September auf den tiefs-
ten Stand seit etwa sechs Jahren. Das
Konjunkturbarometer liegt nur noch
knapp über dem Stagnationsniveau.
Besonders bedenklich stimmte Beob-
achter, dass der Dienstleistungssektor
zunehmend vom Abwärtssog der Indus-
trie erfasst wird.
Am Mittwoch dagegen hatten deut-
sche Bundesanleihen noch nicht von
der ausgeprägten Schwäche an den Ak-
tienmärkten profitieren können. Im
Gegenteil hatten sich bis zum Abend
leichte Verluste eingestellt. Der rich-
tungweisende Terminkontrakt Euro-
Bund-Future fiel auf 173,82 Punkte.
Die Rendite zehnjähriger Bundesanlei-
hen stieg im Gegenzug auf minus 0,55
Prozent. Im Euroraum standen Staats-
anleihen am Mittwoch noch auf breiter
Front unter Verkaufsdruck.


mfe.FRANKFURT, 3. Oktober. Der Eu-
ropäische Gerichtshof (EuGH) hat am
Donnerstag eine wichtige Entscheidung
über Fremdwährungskredite gefällt, die
für Banken teuer werden dürfte. In dem
Fall ging es um ein Ehepaar, das im Jahr
2008 in Polen ein Hypothekendarlehen
von der Raiffeisen Bank International er-
halten hatte. Die Besonderheit: Die Bank
zahlte den Kredit in polnischer Währung
aus, doch richteten sich die Tilgungen
nach dem Schweizer Franken. Das sollte
den Kreditnehmern ermöglichen, von
den damals niedrigeren Zinsen in der
Schweiz zu profitieren. Die Finanzmarkt-
krise machte jedoch einen Strich durch
diese Rechnung, weil sie den Kurs des
Franken deutlich klettern ließ (siehe Gra-
fik). Grund war die Flucht von Anlegern
in den vermeintlich sicheren Hafen
Schweiz. Bankkunden mussten daher für
die Tilgung ihrer Kredite weit mehr Geld
aufwenden als erwartet. Betroffene
Schuldner vor allem aus Osteuropa zogen
daher in Scharen vor die Gerichte.

Auch das polnische Ehepaar klagte vor
dem Bezirksgericht in Warschau, um die
Nichtigkeit seines Darlehensvertrags mit
der Raiffeisen Bank feststellen zu lassen.
Aus seiner Sicht war die Fremdwährungs-
klausel missbräuchlich. Die polnischen
Richter wollten daraufhin vom EuGH wis-
sen, ob sich die strittige Fremdwährungs-
klausel durch allgemeine Bestimmungen
des polnischen Rechts ersetzen lässt oder
ob sie den gesamten Vertrag hinfällig
macht. Der EuGH hat klargestellt, dass
sich die Lücken des Kreditvertrags nicht
auf diese Weise schließen lassen. Es sei
mit dem EU-Recht vereinbar, die Kredite
für unwirksam zu erklären. Im Klartext
heißt das: Der Kreditvertrag mit der
Fremdwährungklausel ist nichtig.
„In Darlehensverträgen, die in Polen ge-
schlossen wurden und an eine Fremdwäh-
rung gekoppelt sind, dürfen die miss-
bräuchlichen Klauseln über die Wechsel-
kursdifferenz nicht durch allgemeine Be-
stimmungen des polnischen Rechts er-
setzt werden“, heißt es dazu in einer Pres-

semitteilung des EuGH vom Donnerstag.
Für Banken ist das eine schlechte Nach-
richt, denn es dürfte deutlich aufwendi-
ger und teurer werden, strittige Fremd-
währungskredite komplett rückabzuwi-
ckeln, statt nur strittige Klauseln auszu-
tauschen und die Wechselkursdifferenz

auszugleichen. Laut einer Schätzung
könnten auf die Banken Kosten in Höhe
von umgerechnet bis zu 18 Milliarden
Euro zukommen.
Die polnische Bankenaufsicht hat
schon vor längerer Zeit die von ihr über-
wachten Kreditinstitute dazu verdonnert,
zusätzliches Kapital für die aus den stritti-
gen Fremdwährungskrediten voraussicht-
lich entstehenden Belastungen bereitzu-
halten. Die Folgen wird wohl nicht nur
der polnische Bankensektor auszubaden
haben. So ist die deutsche Commerzbank
an der polnischen M-Bank beteiligt, die
ebenfalls Frankenkredite in Milliardenhö-
he an zahlreiche private Haus- und Woh-
nungsfinanzierer vergeben hat. Zwar will
die Commerzbank sich von der polni-
schen Beteiligung trennen, doch die Alt-
lasten aus den Fremdwährungsdarlehen
dürften den Verkaufspreis drücken. Zu-
dem muss die Commerzbank das Hypo-
thekenportfolio nach dem Willen der pol-
nischen Finanzaufsicht wohl auch nach ei-
ner Trennung von der M-Bank behalten.

Politische Risiken


und schrumpfende


Unternehmensgewinne


könnten für anhaltende


Schwankungen an


den amerikanischen


Aktienmärkten sorgen.


Kurse von


Bundesanleihen


legen deutlich zu


Franken-Kredite werden zum Bumerang für Banken


Europäischer Gerichtshof entscheidet für Kreditnehmer / Auch Commerzbank-Beteiligung M-Bank betroffen


An der Börse wachsen die Konjunktursorgen


Zloty je Franken

Quelle: Bloomberg F.A.Z.-Grafik Niebel

1.1.2008 3.10.2019

2,0

2, 5

3,0

3,5

4,0

Warm anziehen:Anlegeran amerikanischen Börsen müssen sich für Schwankungen wappnen. Foto Bloomberg

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