Handelsblatt - 04.10.2019

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Frachtschiff
in Hamburg:
Milliardenschäden
durch Zölle.

E+/Getty Images





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Hohes Handelsdefizit
US-Außenhandelsbilanz mit
mit der EU in Mrd. US-Dollar

2012 2018

Exportvolumen 2018
in Mrd. US-Dollar

HANDELSBLATT • Quelle: Thomson Reuters

EU USA

318

USA EU

Paris, Brüssel, Washington, Rom

D

onald Trump kostete seinen Erfolg
genüsslich aus. Die Entscheidung der
Welthandelsorganisation (WTO) im
Streit über die Subventionen für Air-
bus sei ein „großer Sieg für die Verei-
nigten Staaten“, verkündete der US-Präsident. Die
Freigabe für die Strafzölle in Höhe von 7,5 Milliar-
den Dollar jährlich auf Einfuhren aus der Europäi-
schen Union sei jetzt gekommen, „weil sie glauben,
dass ich die WTO nicht mag“, so Trump. „Und sie
wollen sicherstellen, dass ich glücklich bin.“
Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer
schritt daraufhin umgehend zur Tat. Er ließ eine
achtseitige Liste von Importprodukten veröffentli-
chen, die ab dem 18. Oktober mit Strafzöllen belegt
werden sollen. Zehn Prozent sollen auf neue, in die
USA importierte Verkehrsflugzeuge erhoben wer-
den. Außerdem verteuern die USA Lebensmittel,
Konsumwaren und Industrieprodukte, die in ganz
Europa hergestellt werden, um 25 Prozent.
In der Aufstellung findet sich auch eine Extra-
Passage für Deutschland: Unter anderem Industrie-
werkzeuge wie Zangen, Metallscheren, Schrauben-
zieher und Löt- oder Schweißgeräte werden mit
Zöllen belegt, auch Kamera-Equipment wie Objek-
tivlinsen sowie Bücher und Farbdrucke sind betrof-
fen, ebenso Lebensmittel wie Kaffee und Kekse.
Die Ankündigung überraschte die Europäer
nicht – die US-Regierung hatte in den vergangenen
Monaten kein ernsthaftes Interesse an einer gütli-
chen Beilegung des 15 Jahre alten Streits über die
Hilfen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing ge-
zeigt. Dennoch reagierten Politik und Wirtschaft
enttäuscht: „Handelskriege sind leicht zu begin-
nen, aber sie eskalieren schnell und nehmen meist
kein gutes Ende“, sagte EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker und kündigte eigene Vergel-
tungsmaßnahmen an. Der Hauptgeschäftsführer
des Bundesverbandes der Deutschen Industrie,

Joachim Lang, kritisierte, die US-Zölle auf Grundla-
ge des WTO-Verfahrens seien zwar juristisch legi-
tim, für die Wirtschaft und die politischen Bezie-
hungen aber „überaus schädlich“.
Auch an den Finanzmärkten wächst die Sorge,
die um sich greifenden Handelskonflikte könnten
die Industrieländer in eine Rezession führen. Auch
die USA scheinen dagegen nicht mehr immun: Die
wichtigsten Aktienindizes an der Wall Street gaben
in dieser Woche zweimal in Folge stark nach, nach-
dem schwache Zahlen aus dem produzierenden
Gewerbe und vom Arbeitsmarkt als Warnsignale
für einen drohenden Abschwung gedeutet wurden.
So schrumpften die Aktivitäten im US-Gewerbe auf
den niedrigsten Stand seit zehn Jahren, und die
Zahl der im September neu geschaffenen Jobs blieb
hinter den Erwartungen zurück.
In Deutschland befindet sich die Industrie be-
reits in einer Rezession und zieht das Wirtschafts-
wachstum nach unten. Das Bruttoinlandsprodukt

werde in diesem Jahr nur um 0,5 Prozent und
2020 um 1,1 Prozent zulegen, prognostizierten die
führenden Forschungsinstitute in ihrem Herbstgut-
achten. „Wir sehen überall eine Verlangsamung
des Wachstums, die wir von allen Organisationen
prognostiziert bekommen“, sagte Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) nach einem Treffen mit den
Spitzen von internationalen Institutionen.
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hatte am
Wochenende errechnet, dass die Zölle in der EU,
und dort vor allem in Deutschland und Frankreich,
einen Milliardenschaden verursachen dürften. In
einer zweiten Runde von Zöllen würden die USA
aber selber noch stärker getroffen.
Denn die Europäer lassen keinen Zweifel daran,
dass sie es den USA mit gleicher Münze heimzah-
len werden. „Wenn jemand unseren Flugzeugsek-
tor mit Zöllen belegt, werden wir genau das Glei-
che tun“, sagte Juncker. Die Kommission hat be-
reits eine milliardenschwere Liste mit
US-Produkten vorbereitet, die mit eigenen Zöllen
belegt werden könnten. Sie muss aber abwarten,
bis die WTO die Höhe der erlaubten Wiedergutma-
chung für die US-Hilfen für Boeing festlegt – was
noch acht bis neun Monate dauern dürfte.
Die Kommission könnte theoretisch auf Grundla-
ge eines anderen alten Streitfalls kurzfristig zum
Gegenschlag ausholen und Strafzölle in Höhe von
vier Milliarden Euro verhängen. Die Option „liegt
auf dem Tisch“, warnte Handelskommissarin Ceci-
lia Malmström Anfang der Woche. Die Juristen der
Brüsseler Behörde aber haben Bedenken angemel-
det – ein solches Vorgehen sei kaum mit den WTO-
Regeln vereinbar. Auf deren Einhaltung pocht
Malmström aber. Es gebe daher „keine Pläne, kurz-
fristig zurückzuschlagen“, sagt ein EU-Diplomat.
Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister
Bruno Le Maire forderte die US-Regierung erneut
auf, eine Verhandlungslösung in dem Streit zu su-
chen. „Seit Monaten strecken wir die Hand aus“,
sagte er. Die EU-Kommission hatte im Juli ein de-
tailliertes Angebot überbracht, wie beide Seiten die

DDDDDDiiiiiiieeeeeee UUUUUUUUUSSSSS--RRRReeegiieerrruuuunnnnggggg kkkkkküüüüüünnnnnndddiiigggggttttt iiiiimmmmm SSttrrrrreeeeeiiiiitt üüübbbbbeerrr AAAAiiirrrrbbbbbuuuuuss SSttrraaffzzööllllee aauuuf Immppppoooorrttee auuss ddddeeerrrr


EEEEEUUUU ann. DDie Europäer wolllleeennn zzurückkschlaggggeeennn – – ddiiee FFFrrontteenn ssiiinnnddd verhäärrtteett.


DDDiiee Wirttschaftt ffüürchtet Schäden für diee ggemeinsammeen HHaannnddeellssbeziehuunnggeen.


US-Präsident
Trump:
Kein Interesse an
gütlicher Streit-
beilegung.

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Wirtschaft


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WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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