Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1
Hans-Peter Siebenhaar Wien

B

eim Festakt zum Wechsel an der Spitze
der Oesterreichischen Nationalbank
(OeNB) darf klassische Musik nicht feh-
len. In Wien wählte man ausgerechnet
eine 1920 für die Inszenierung von
Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ am Burgtheater
komponierte Suite. Manche der Gäste interpretieren
die Auswahl der Komposition als Wink mit dem
Zaunpfahl. Denn der neue Gouverneur der OeNB,
Robert Holzmann, der als österreichischer Noten-
bankchef Mitglied im EZB-Rat ist, sorgt derzeit für
viel Getöse. Sein rabiates Vorgehen gegen unliebsa-
me Mitarbeiter der ehrwürdigen Finanzinstitution
hat große Unruhe ausgelöst. Holzmann bemüht sich
nun, die Wogen zu glätten – und das auf ungewöhn-
liche Weise. Im Beisein seines Amtsvorgängers Ewald
Nowotny bat Holzmann vor der Belegschaft öffent-
lich um Vergebung. „Ich möchte mich bei Ewald und
bei Ihnen für die Wolken entschuldigen, die in den
letzten Wochen und Tagen über dem Himmel der

OeNB aufgetaucht sind“, sagte der 70-Jährige in An-
wesenheit der österreichischen Bundeskanzlerin Bri-
gitte Bierlein und von Bundesbank-Präsident Jens
Weidmann am Dienstagabend in Wien. Zur Erklä-
rung fügte Holzmann an: „Dahinter stand und steht
das Interesse zur Wahrung der Integrität der exzel-
lenten und traditionsreichen Institution.“

Unabhängige Untersuchung folgt
Nowotny nimmt die Entschuldigung an. „Aus mei-
ner Sicht ist damit die Sache erledigt. Ich hoffe,
dass sich die Notenbank nun mit voller Energie ih-
rer Arbeit widmen kann“, sagte der frühere Gouver-
neur dem Handelsblatt in Wien. Doch die Kündi-
gung der Personalchefin und andere Vorgänge wer-
den ein Nachspiel haben. Unabhängige Experten
sollen die jüngste Entwicklung untersuchen und be-
werten. Die Ergebnisse sollen bald vorliegen.
Holzmann, der auf Vorschlag der rechtspopulis-
tischen FPÖ Anfang September an die Spitze der

österreichischen Notenbank gerückt war, suspen-
dierte die langjährige Personalchefin Susanna Kon-
rad-El Ghazi. Gründe für die Entlassung wurden of-
fiziell nicht genannt – angeblich ging es um Kompe-
tenzstreitigkeiten. Holzmann ließ das Büro der
Personalchefin versiegeln und sie vom Sicherheits-
dienst zum Ausgang geleiten. Außerdem versuchte
er, den langjährigen Chef für Beteiligungen und
Zahlungsverkehr, Stefan Augustin, mit sofortiger
Wirkung in Rente zu schicken. Augustin, der in Ös-
terreich die Einführung des Euros maßgeblich mit-
organisiert hat, ist 62 Jahre alt. Zudem wollte Holz-
mann den Pressesprecher, Christian Gutlederer, als
Vizefilialleiter in die Tiroler OeNB-Zweigstelle ab-
schieben. Alle Personalmaßnahmen sind aber wie-
der zurückgenommen worden, und die betroffe-
nen Personen bleiben im Dienst.
Abgesprochen war Holzmanns Vorgehen nur mit
OeNB-Direktor Eduard Schock, einem früheren
FPÖ-Politiker. Hingegen waren die der konservati-

Fehlstart für


Notenbankchef


Der neue Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Robert Holzmann, bringt


durch Personalentscheidungen die Belegschaft gegen sich auf. Mit einer


Entschuldigung versucht das EZB-Ratsmitglied, den Schaden zu begrenzen.


Oesterreichische
Nationalbank (OeNB):
Sie gehört zu den
19 Notenbanken des
Euro-Systems.

Bloomberg

Finanzen


& Börsen


WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
30

Free download pdf