Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1
Yasmin Osman Frankfurt

D

ie Commerzbank will
ihre Tochter Comdi-
rect vollständig inte-
grieren. Dazu muss sie
zunächst die Minder-
heitsaktionäre des Brokers aus Quick-
born herausdrängen. Rechtlich wird
sich die Commerzbank wohl in je-
dem Fall durchsetzen können, denn
das Gesetz gibt Großaktionären viele
Rechte. Das bedeutet aber nicht
zwangsläufig, dass sich Comdirect-
Aktionäre mit dem erstbesten Ange-
bot zufriedengeben müssen.

Was hat die Commerzbank den Com-
direct-Aktionären angeboten?
Die Commerzbank will den Comdi-
rect-Aktionären für ihre Anteile
11,44 Euro je Aktie bezahlen. Das ent-
spricht einer Prämie von 25 Prozent
auf den Aktienkurs vor Bekanntgabe
dieser Pläne und würde die Com-
merzbank knapp 290 Millionen Euro
kosten. Bislang ist das aber nur eine
Ankündigung. „Mit dem verbindli-
chen Angebot ist innerhalb der
nächsten vier bis sechs Wochen zu
rechnen“, sagt Klaus Nieding, Vize-
Präsident der Deutschen Schutzverei-
nigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Dann müssen Aktionäre entscheiden,
ob sie akzeptieren oder abwarten.

Ist das Angebot großzügig?
Das dürften nicht alle Aktionäre so
sehen. In diesem Jahr notierte die
Comdirect-Aktie zwar meist unter
dieser Schwelle, doch 2018 war ein
Anteilsschein zeitweise knapp 13
Euro wert. Hinzu kommt, dass Com-
direct in den vergangenen eineinhalb
Jahren Initiativen zur Ausdehnung
des Geschäfts angestoßen hat. Diese
fruchten zwar, kosten aber auch
Geld. Die Folge: Trotz steigender
Roherträge lagen die Nettogewinne
nach Abzug der Marketingkosten zu-
letzt unter ihren Vorjahreswerten.
Aus Sicht der Minderheitsaktionäre
ist der Zeitpunkt für eine Zwangsab-
findung also nicht optimal – zumal
die Bank offen sagt, dass sie mit 150
Millionen Euro an Synergien rechnet.

Kann die Commerzbank eine voll-
ständige Übernahme erzwingen?
Für einen Squeeze-out – so nennt
man das Herausdrängen von Kleinak-
tionären per Zwangsabfindung – be-
nötigt die Commerzbank mindestens
90 Prozent der Aktien. Derzeit hält
sie 82 Prozent. Wenn also genug Ak-
tionäre das freiwillige Kaufangebot
annehmen, kann die Bank ein Squee-
ze-out-Verfahren einleiten. Wenn ein


  • extern bestellter – Prüfer beschei-
    nigt, dass die Höhe der Abfindung
    angemessen ist, werden die Minder-
    heitsaktionäre zwangsabgefunden.


Und wenn nicht genug Aktionäre die
Offerte akzeptieren?
Wenn nicht genügend Comdirect-Ak-
tionäre verkaufen, kann die Com-
merzbank die Comdirect trotzdem
auf sich verschmelzen, das Umwand-
lungsgesetz macht‘s möglich. In die-
sem Fall bekämen die Comdirect-Ak-
tionäre Commerzbank-Aktien. Dazu
genügt eine Mehrheit von 75 Prozent
der Stimmen.

Wie plausibel ist dieser Plan B?
Zwar sagt die Commerzbank, dass sie
die Comdirect notfalls „zwangsver-
schmelzen“ will, doch so ein Schritt
hätte einige Nachteile. Bei einer Ver-
schmelzung müsste die Commerz-
bank zwei Wertgutachten erstellen —
für sich und für die Comdirect. Nur
so lässt sich ermitteln, wie viele Com-
merzbank-Aktien den Minderheitsak-

tionären des Online-Brokers zuste-
hen würden. Es ist fraglich, ob die
Commerzbank scharf auf so einen
womöglich peinlichen Vergleich ist.
Schwierig ist die Bewertung ange-
sichts des Umbaus außerdem. Eine
solche Verschmelzung müssten zu-
dem die Hauptversammlungen bei-
der Banken absegnen – beim Squee-
ze-out gilt das nur für die Comdirect.
Eine Verschmelzung ist also aufwen-
diger, teurer, riskanter und dauert
womöglich länger. Daniel Bauer, der
Vorstandsvorsitzende der Schutzge-
meinschaft der Kapitalanleger (SdK),
denkt, dass die Commerzbank diese
Option nur als „Drohszenario“ nutzt,
damit die Comdirect-Aktionäre ein-
knicken.

Sind 11,44 Euro das letzte Wort?
Freiwillig bessern zwar die wenigsten
Unternehmen so ein Angebot nach –
das kommt laut SdK-Chef Bauer „viel-
leicht alle fünf Jahre“ vor. Allerdings
können betroffene Aktionäre nach ei-
ner Zwangsabfindung die Angemes-
senheit des Preises im sogenannten
Spruchverfahren überprüfen lassen.
„Dort wird in der Regel in etwa drei
von vier Verfahren der Preis noch-
mals nachgebessert“, so Bauer. Auch
bei einer Verschmelzung können Ak-
tionäre Nieding zufolge die Bewer-
tung durch ein Spruchverfahren prü-
fen lassen.

Wer würde von einem Nachschlag
im Spruchverfahren profitieren?
Ein Spruchverfahren kann jeder Min-
derheitsaktionär anstrengen, der von
der Commerzbank nach einem
Squeeze-out zwangsabgefunden
wird. Man muss aber nicht selbst kla-
gen. Es genügt, dass andere Aktionä-
re erfolgreich ein Spruchverfahren
anstrengen. „Davon profitieren dann
sämtliche Minderheitsaktionäre“,
sagt Nieding. Das gilt laut Spruchver-
fahrensgesetz auch für Aktionäre, die
mit der ursprünglich angebotenen
Abfindung ausgeschieden sind.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die
Commerzbank nachbessern wird?
Wissen kann man es nicht, aber die
SdK geht davon aus, dass im Rahmen
eines Squeeze-outs, spätestens im
Rahmen eines Spruchverfahrens ein
etwas höherer Preis festgelegt wer-
den wird. „Wir raten daher eher da-
zu, zunächst noch dabeizubleiben“,
sagt Bauer. Auch Rechtsanwalt Nie-
ding betont, es käme „sehr oft“ zu ei-
ner Nachbesserung. Viele Anleger
scheinen es ähnlich zu sehen: Der
Comdirect-Kurs liegt seit Tagen über
der Marke von 11,44 Euro. Petrus Ad-
visers etwa teilte mit, dass er am 27.
September seinen Comdirect-Anteil
auf 3,01 Prozent aufgestockt hat.
Zwar soll der aktivistische Investor
schon davor knapp drei Prozent ge-
halten haben, doch zumindest für
diese letzten Aktienkäufe hat er mehr
als 11,44 Euro gezahlt.

Comdirect


Akzeptieren oder


ablehnen?


Was Comdirect-Aktionäre über das Kaufangebot


der Commerzbank wissen müssen.


Mutter übernimmt Tochter
Comdirect: Aktienkurs in Euro Kennzahlen 2018 im Vergleich

HANDELSBLATT Quelle: Bloomberg

Eigen-
kapitalrendite

Kurs-Buchwert-
Verhältnis

Dividende
je Aktie

Comdirect Commerzbank

0,25 € 0,20 € 0 ,26

2,28

7 ,91 %

3,10 %

11,88 €

11,44 €

Angebot der
Commerzbank

2.10.2017 2.10.2019

13

12

11

10



Commerzbank
im Nebel:
Einige Aktionäre
hoffen auf ein
besseres
Angebot für
Comdirect.

imago/Jan Eifert

Abfindungsofferte

11,44

EURO
je Aktie will die Commerzbank für
die 18 Prozent der Comdirect-
Aktien zahlen, die bislang noch
Kleinaktionäre besitzen.

Quelle: Commerzbank

Finanzen & Börsen
WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
32
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