Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1
Falls Erich doch einmal abtritt, wird sein ältester
Sohn Alexander als Kronprinz gehandelt. Von sei-
nem Vater, berichten Konzernkenner, habe Alexan-
der die Durchsetzungsfähigkeit und den Wachs-
tumswillen geerbt. „Management bedeutet, sich zu
entscheiden, durch welche Tür man gehen will“,
sagt Alexander Sixt. „Und dann, wenn man sich
entschieden hat, auch tatsächlich mit letzter Kon-
sequenz hindurchzugehen.“ Gerade in der Krise
dürfe man nicht zaudern.
Einen wesentlichen Teil der Kosten machen bei
Sixt der Fuhrpark, der damit verbundene Zinsauf-
wand sowie die Abschreibungen darauf aus. Nach
der Finanzkrise konnte die Sixt SE dank einer zügi-
gen Verkleinerung der Flotte und einer entspre-
chend besseren Auslastung bereits im dritten Quar-
tal 2009 wieder eine schwarze Null erwirtschaften.
„Aufgrund dieser Anpassungsfähigkeit hat Sixt in
seiner Geschichte noch nie ein Geschäftsjahr mit
Verlust beendet“, sagt Alexander Sixt.
Eine Krise, so der Junior, habe immer auch Vor-
teile: Denn in der Krise sei man als Manager ge-
zwungen, alle Prozesse, alle Produkte, alle Abläufe
infrage zu stellen. „Im Zuge dessen“, erinnert sich
Alexander Sixt, „haben wir 2009 viele prozessuale
Optimierungen umgesetzt, von denen wir heute
noch profitieren.“ So kann Sixt dank einer genaue-
ren Kostenrechnung inzwischen genau beziffern,
mit welchen Kunden das Unternehmen Gewinn
und mit welchen es Verlust macht, etwa weil Letzte-
re besonders häufig mit Sonderwünschen anrufen.
Die vergangenen Jahre standen bei Sixt im Zei-
chen der Expansion in die USA. Alles begann ganz
klein, mit einer einzigen Station am Flughafen
Miami. Investitionsbetrag: unter einer Million Euro.
„Wir haben dieses Geschäftsmodell immer wieder
inkrementell angepasst und haben dabei laufend ge-
lernt“, erinnert sich Alexander Sixt. Dann kam die
zweite Station dazu, die dritte Station und so weiter.
Im Vergleich zu den dominierenden Low-Cost-
Anbietern in den USA bot Sixt seinen Kunden oft
besseren Service zu einem dennoch wettbewerbs-
fähigen Preis. Inzwischen macht Sixt in den USA
rund 500 Millionen Dollar Umsatz pro Jahr und ist
profitabel. Das erscheint nicht besonders viel ge-
messen am Konzernumsatz von rund drei Milliar-
den Euro. Aber es bietet sich die Chance, sich eine
immer dickere Scheibe vom Kuchen des größten
nationalen Vermietungsmarkts der Welt abzu-
schneiden. „Wir haben jetzt endlich eine Präsenz
im Flughafenterminal von Orlando“, schwärmt Ale-
xander Sixt, „und allein der Vermietungsmarkt am
Flughafen Orlando ist so groß wie der von Öster-
reich, Schweiz und Süddeutschland zusammen.“
Innerhalb von fünf Jahren will Sixt in den USA auf
eine Milliarde Euro Umsatz kommen.
Als weiteren Wachstumstreiber sieht Sixt die Zu-
sammenführung von Mietwagen- und Carsharing-
flotte zu einem einzigen, per App buchbaren Ange-
bot. So sollen die Autos besser ausgelastet werden.
Wachstum ist bei Sixt keine Frage des Ob, son-
dern nur des Wie. Ebenso wie den Vater scheint
auch den Sohn jener unbedingte Wille anzutrei-
ben, der echte Unternehmer ausmacht: immer
weiter, immer größer. In seiner Zeit als Unterneh-
mensberater bei Roland Berger hat Alexander Sixt
in vielen Projekten gelernt, wie schnell Unterneh-
mern ins Schleudern geraten: „Da geht der Umsatz
ein bisschen zurück, dann springt der erste Groß-
kunde ab, die Bank verschlechtert die Konditionen.
Es kommt eine Spirale in Gang, in die möchte man
nicht kommen.“ Nur durch Wachstum sei man
trotz steigender Kosten in der Lage, dem Unterneh-
men und seinen Mitarbeitern eine Zukunftsper-
spektive zu geben.
Für die Liste der erfolgreichen Unternehmen hat
BCG-Experte Moldenhauer drei gemeinsame Er-
folgsfaktoren identifiziert: „Die Top-Ten-Unterneh-
men haben sich in der Rezession finanziell sehr
schnell Luft verschafft, indem sie die Kosten ge-
senkt und ihre Finanzierung langfristig gesichert
haben.“ Früher als andere hätten die erfolgreichen
Unternehmen dann ab 2010 erkannt, dass die Kri-
se vorbei sei, und ebenso entschlossen in eine zu-
vor definierte Wachstumsstrategie investiert. Dabei
hätten sie sich auch die dauerhaften Niedrigzinsen
in der Euro-Zone zunutze gemacht, um neue Inves-
titionen günstig zu finanzieren.
Zur erfolgreichen Investitionsstrategie gehört laut
Moldenhauer jedoch auch die entschlossene Desin-
vestition, der Verkauf von Geschäftsfeldern, die

nicht mehr zur Unternehmensstrategie passen: „Un-
ternehmertum definiert sich nicht nur durch das,
was man macht, sondern auch durch das, was man
künftig nicht mehr macht.“ Gleichzeitig hätten die
erfolgreichen Unternehmen die nur vermeintlich
weichen Faktoren Unternehmenskultur und Mitar-
beiterengagement nicht vernachlässigt, „den Grund-
pfeiler aller Erfolge“. Jenseits dieser Gemeinsamkei-
ten zeige sich, dass die einzelnen Wege zum Erfolg
sehr unterschiedlich ausfallen können. Moldenhau-
er: „Es gibt kein Patentrezept, um Wert zu schaffen.“
Sixt hat die Boomjahre genutzt, um die schritt-
weise Expansion in den USA voranzutreiben und
die Verschmelzung von klassischer Autovermie-
tung und Sharingmodellen vorzubereiten. Jung-
heinrich hat seine Organisation umgekrempelt, um
sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen und
so organisches Wachstum durch „Kultur und Dis-
ziplin“ zu ermöglichen, so Jungheinrich-Vormann
Frey. Wachstum durch Übernahmen lehnt Frey ab:
„Ein Großteil der Übernahmen geht schief und ver-
nichtet Wert. Vor allem die Post-Merger-Integration
kann ein Unternehmen komplett lähmen.“
Doch auch der gegenteilige Weg kann zum Erfolg
führen, wie die Sartorius AG in Göttingen zeigt.

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Erfolgsfaktor
Zukäufe
Vorstandschef Joachim Kreuzburg trägt das Haar
länger als in deutschen Chefetagen üblich. Früher
hatte er mit einer Karriere in der Wissenschaft ge-
liebäugelt. Doch nach einem Maschinenbaustudi-
um und einer Promotion in Wirtschaftswissen-
schaften befand er: „Jetzt habe ich lange genug
Bildungseinrichtungen von innen gesehen.“ Er
kommt 1999 als Controller zum Medizintechniker
Sartorius und arbeitet sich innerhalb von 14 Jahren
an die Unternehmensspitze vor.
Die Krise ab 2008 hat er „nicht als existenzbe-
drohend“ empfunden. Aber sie führte ihm eine
Schwäche des Unternehmens vor Augen: Die da-
malige Mechatroniksparte war zu konjunkturab-
hängig, während der Finanzkrise und der folgen-
den Wirtschaftskrise gingen die Auftragseingänge
und Umsätze in der Sparte rapide nach unten. Die
erste Reaktion lautete bei Sartorius wie bei den
meisten anderen deutschen Unternehmen damals:
die Kosten in der Problemsparte senken – betriebs-
bedingte Kündigungen inklusive.
Doch bereits während der Krise befasste sich
Kreuzburg mit der Frage: „Was bedeutet die Kri-
se für unsere langfristige strategische Aufstellung?“
Eine Schlussfolgerung: Sartorius würde einen Teil
der Mechatroniksparte verkaufen, und zwar das
konjunkturabhängige Geschäft mit Waagen für in-
dustrielle Anwendungen, das für ungefähr 40 Pro-
zent des Spartenumsatzes stand. Doch zunächst
hieß es abwarten. Erst als die Auftragseingänge bei
der Mechatronik wieder stiegen, wurde die Indus-
triewägetechnik in einen eigenen Teilkonzern aus-
gelagert und so der Verkauf vorbereitet. Kreuz-
burg: „Mitten im Auftragseinbruch können Sie so
eine Desinvestition ohnehin nicht umsetzen, da be-
kommen Sie keinen vernünftigen Preis.“ Erst 2014
war es so weit, die Industriewägetechnik ging an
den japanischen Konzern Minebea.
Für Sartorius bedeutete der Verkauf den vorläu-
figen Abschluss einer strategischen Entscheidung,
die bereits um die Jahrtausendwende gefallen war:
die Konzentration auf Verbrauchsprodukte für die

Die besten deutschen Unternehmen
WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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Wir haben das


Geschäftsmodell immer


wieder inkrementell


angepasst und dabei


laufend gelernt.


Alexander Sixt
Vorstandsmitglied Sixt

Christian Burkert/laif, PantherMEdia / Wolfgang Rieger [M],


Siltronic AG, PantherMedia / Wolfgang Rieger [M]

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