Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1
Ulf Sommer Düsseldorf

B


örsianer honorieren keine Erfolge der
Vergangenheit, sondern spekulieren auf
die Zukunft. Deshalb gelten bei der Fra-
ge, welche Perspektiven die zehn erfolg-
reichsten Aktien des vergangenen Jahrzehnts ha-
ben, andere Kriterien als Kursgewinne oder Divi-
denden und Gewinne. Entscheidend ist: In wel-
chen Märkten sind die Unternehmen unterwegs?
Was für ein Wachstum ist zu erwarten? Wie stark
ist die finanzielle Basis, um kraftvoll neue Projekte
anschieben zu können? Und vor allem: Wie teuer
sind die Aktien? Über einen langen Zeitraum stark
gestiegene Papiere können immer noch preiswert
sein, wenn die Unternehmensgewinne im selben
Zeitraum ebenso stark oder gar noch stärker gestie-
gen sind. Deshalb ist es wichtig, den Aktienkurs in
Relation zum Gewinn zu setzen, um so teure und
preiswerte Aktien herauszufiltern.
Anhand dieser Kriterien hat das Handelsblatt die
zehn besten börsennotierten Unternehmen
Deutschlands gemessen – und ist dabei zu überra-
schenden Ergebnissen gekommen. Bei Weitem
nicht jede Aktie eignet sich zum Einstieg. So sollte
man den Medizintechniker Sartorius aufgrund der
hohen Bewertung eher meiden. Doch einige Werte
wie Gabelstaplerhersteller Jungheinrich haben wei-
terhin Potenzial für langfristig orientierte Anleger.
Die schlechte Börsenlage in den vergangenen Ta-
gen dürfte manchen Anleger von Aktien abschre-
cken. Aber man sollte übergeordnete Erwägungen
im Blick haben. Zur Aktie gibt es kaum eine Alter-
native. Das Sparbuch, aber auch Tages- und Fest-
geldkonten bringen keine Zinsen und zehren des-
halb angesichts der Inflation langfristig am Kapital.
Dasselbe gilt für Anleihen. Rund die Hälfte aller eu-
ropäischen Staatsanleihen erwirtschaftet inzwi-
schen eine negative Rendite, darunter fast alle
deutschen Staatsanleihen. Selbst Unternehmensan-
leihen rentieren oftmals mit Minuszinsen; die meis-
ten bringen pro Jahr weniger als ein Prozent Zins.
Immobilien sind nach jahrelang starkem Wertzu-
wachs teuer, Rohstoffe eignen sich angesichts gro-
ßer Kursschwankungen kaum als Langfristanlage.
Gold erwirtschaftet keine Gewinne – das ist der
große Unterschied zu den hinter Aktien stehenden
Unternehmen.

Bleibt als Anlage die Aktie übrig. Ihr größter Vor-
teil: Mögliche Kursgewinne und Dividenden be-
scheren eine höhere Rendite als alle Konkurrenz-
anlagen. Ihr größter Nachteil: Keine Ausschüttung
und kein Kursgewinn sind planbar, geschweige
denn sicher. Das gilt erst recht in Zeiten sinkender
Konjunkturerwartungen – so wie jetzt. Solange in
Deutschland, Europa und in den USA die Unter-
nehmensgewinne und vor allem die Erwartungen
an künftigen Erträge sinken, werden die Börsen
nicht kraftvoll durchstarten.
Immerhin, der Abschwung der Realwirtschaft
startete in Deutschland und weiten Teilen Europas
bereits im Sommer vergangenen Jahres. Er ist da-
mit zeitlich weit fortgeschritten. Sobald die ersten
Frühindikatoren wieder ansteigen, auch wenn
gleichzeitig die Realwirtschaft noch im Abschwung
verharren mag, werden die Aktienkurse wieder zu-
legen – so wie zuletzt inmitten der Rezession im
Frühjahr 2009. Insofern ist die Auseinanderset-

zung mit geeigneten Aktien nicht in einem Auf-
schwung, sondern bereits vorher notwendig – also
jetzt –, um frühzeitig vom kommenden Börsenauf-
schwung zu profitieren.

Siltronic: Günstig bewertet und im
attraktiven Nischenmarkt unterwegs
Erfolgreichste Aktie seit dem Börsentief 2009 ist
Siltronic: Der deutsche Halbleiterhersteller und
Partner führender Chipgrößen, zu denen die Top
20 der Welt zählen, verdiente 2016 unter dem
Strich gerade mal zwölf Millionen Euro. Im abge-
laufenen Jahr waren es 373 Millionen Euro. Doch
wie alle Chipproduzenten leidet auch der Spezialist
für Halbleiter aus Reinstsilizium, wie sie vor allem
in der Elektronikindustrie gebraucht werden, unter
der weltweiten Nachfrageschwäche. Jüngst warnte
der sehr viel größere amerikanische Wettbewerber
Micron vor schwierigen Zeiten. Prompt geriet die
gesamte Branche in Sippenhaft. Auch Siltronic. Der

Top-Werte unter der Lupe


Konjunkturkrise, Gewinnrückgänge und Zollstreit haben die Rally bei


vielen WWWac hstumstiteln jähh uunntteerrbbrooccheenn. Das eröffnet neue Chancen.


Wie Annnllleger jetzt die beesstteeenn KKaauuffggeelleegggeennhheeiitteenn ffinnddeenn können.


picture alliance, I Dream Stock/Masterfile, PantherMedia / wolfg [M]


HANDELSBLATT Nettoergebnis 2019: Prognose; Aktienkurs 2019: aktuell; Infineon: Geschäftsjahr jeweils zum 30.9. • Quelle: Bloomberg

Siltronic
Aktienkurs
in Euro

Nettoergebnis
in Mio. Euro

2012 2016 2019

120

90

60

30

0

600

450

300

150

0

-150

Infineon
Aktienkurs
in Euro

Nettoergebnis
in Mio. Euro

2009 2019

30

20

10

0

1 200


00

400

0

-400

-
00

Die besten deutschen Unternehmen
WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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