Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1

Aktienkurs hat sich seit Juli vergangenen Jahres hal-
biert. Der Handelskonflikt belastet, weil sich durch
Zölle die Elektronikteile verteuern, sobald sie ex-
und wieder importiert werden.
Die Konjunktur- und damit ausgelöste Kurs-
schwäche haben aber auch ihr Gutes: Anleger be-
zahlen das Unternehmen und heruntergerechnet
jede einzelne Aktie aktuell nur mit dem elffachen
erwarteten Jahresnettogewinn. Das ist preiswert.
Hinzu kommt die sehr geringe Verschuldung:
Den Finanzverbindlichkeiten von 58,2 Millionen
Euro steht ein Eigenkapital von 759 Millionen Euro
gegenüber. Die Verschuldungsquote liegt damit nur
bei 7,7 Prozent. Kein anderes hier porträtiertes Un-
ternehmen ist so gut finanziert.
Günstige Aktien haben aber oft einen Haken. Sil-
tronic hat in diesem Jahr bereits zweimal seine
Prognose gesenkt. Auf kurze Sicht zeigt sich der
Vorstand wenig optimistisch. Angesichts der sin-
kenden Nachfrage und des weltweiten Preisverfalls
schwächte sich das Geschäft im zweiten Quartal
weiter ab. Grund dafür sind höhere Energiekosten
und Abschreibungen als Folge von Investitionen.
So sank der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Ab-
schreibungen (Ebitda) im zweiten Quartal um fast
ein Drittel auf 100 Millionen Euro.
Anleger sollten angesichts der weltweiten Kon-
junkturschwäche weitere Kursverluste einkalkulie-
ren. Mittel- und langfristig erscheint Siltronic aus
Sicht der meisten Analystenhäuser angesichts sei-
ner Marktführerschaft in einem attraktiven Ni-
schenmarkt attraktiv. Die britische Investmentbank
HSBC hat Siltronic mit einem Kursziel von 83 Euro
in ihre Kaufliste aufgenommen.


Infineon: Profiteur, sobald die
Weltwirtschaft wieder anspringt


Infineon ist der einzige Top-10-Wert in der Liste aus
dem Dax. Wie alle Halbleiterhersteller leidet der
bayerische Konzern, der sich mit seinen Produkten
auf Energieeffizienz, Mobilität und Sicherheit kon-
zentriert, unter der weltweiten Konjunkturschwä-
che. Erschwerend kommt die Strukturkrise in der
Automobilindustrie hinzu. Gemessen an so vielen
Problemen überraschte es viele Aktionäre, dass
Konzernchef Reinhard Ploss im August seine Jah-
resprognose bestätigte. Anfang des Jahres hatte er
indes innerhalb nur weniger Wochen gleich zwei-
mal die Ziele senken müssen. Nun zeigte er sich zu-
versichtlicher: „Die strukturellen Treiber in unse-
ren Zukunftsmärkten sind intakt“, sagte Ploss, die
langfristigen Perspektiven seien weiterhin gut.
Wie sehr Infineon vom Wohl und Wehe der Welt-
wirtschaft und Börsenstimmung abhängig ist, zei-
gen die vergangenen großen Konjunkturzyklen.
Nach dem Börsengang im März 2000, als die Dot-
com-Blase die Anlegerwelt euphorisierte, brach
der Aktienkurs ein. Bis heute hat er sich davon
nicht erholt. Nie wieder erreichte die Aktie die ers-
ten Kurse von über 80 Euro. Nach einem kräftigen
Auf und Ab kostete eine Aktie in der Krise knapp
ein Jahrzehnt später weniger als 50 Cent. Die Börse
spekulierte 2009 auf eine Insolvenz der ausgeglie-
derten Siemens-Sparte.
Doch Infineon wandelte sich. Auf den schillern-
den Konzernchef Ulrich Schumacher, der im Renn-
porsche zur Frankfurter Börse fuhr, um den Bör-
sengang zu feiern, folgte eine neue Managergenera-
tion: trocken und präzise in der Ansprache und mit


hoher Fachkenntnis ausgestattet, so wie Peter Bau-
er und aktuell Reinhard Ploss. Sie machten Infine-
ons Halbleiter unverzichtbar für die weltweite Au-
tomobilindustrie. Inzwischen ist Infineon mit sei-
nen Systemlösungen für Industrieelektronik und
Sicherheitsanwendungen in fast allen Bereichen
des Lebens vertreten. Die neun Milliarden Euro
teure Übernahme des amerikanischen Wettbewer-
bers Cypress Semiconductor macht weitere Ambi-
tionen deutlich. Cypress ist Spezialist für Chiplö-
sungen beim autonomen Fahren. Das Geschäft mit
Halbleitern ist zyklisch. Das heißt aber auch: Infine-
on bleibt in jedem Aufschwung der Weltkonjunk-
tur, sobald die Nachfrage nach Speicherchips
steigt, eine Spekulation auf steigende Kurse.

Sartorius: Gemessen am Wachstum
üppig bewertet
Fernab allen Konjunkturgejammers hat der Göttin-
ger Pharma- und Laborzulieferer Sartorius die Er-
wartungen im zweiten Quartal übertroffen. Erlöse
und Gewinne stiegen erneut zweistellig, Vorstands-
chef Joachim Kreuzburg hob die Umsatzprognose
an. Zum Portfolio des 1870 gegründeten Unterneh-
mens gehören Produkte wie Zellkulturen, Labor -
instrumente oder Verbrauchsmaterialien.
Wer heute über einen Kauf von Sartorius-Aktien
nachdenkt, sollte wissen, dass die Börse die Er-

folgsgeschichte schon lange und außerordentlich
stark honoriert. Seit Jahresanfang ist der Kurs um
50 Prozent gestiegen, in den vergangenen zehn
Jahren um über 5 000 Prozent. Analysten erwarten
zwar weiterhin Gewinnzuwächse – allerdings eher
im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Das ist
zwar nicht schlecht, allerdings bezahlen Anleger
das Unternehmen und heruntergerechnet die Aktie
mit dem 50-fachen erwarteten Jahresnettogewinn.
Daran gemessen wächst das Unternehmen zu lang-
sam. 2015 verdiente Sartorius unter dem Strich 126
Millionen Euro, ein Jahr darauf 103 Millionen, an-
schließend 115 und im abgelaufenen Jahr 141 Millio-
nen Euro. Solch bescheidene Steigerungsraten
rechtfertigen keine so hohe Bewertung an der Bör-
se. Die Aktie ist also teuer.
Analysten sind angesichts der nicht enden wol-
lenden Börsenrally hin- und hergerissen. Reihen-
weise heben sie die Kursziele an, zuletzt etwa War-
burg Research und Hauck & Aufhäuser. Doch weil
der Aktienkurs noch viel rasanter gestiegen ist, mö-
gen die Bankhäuser die Aktie trotz höherer Kurs-

ziele nicht mehr zum Kauf empfehlen. Der Grund:
Der Aktienkurs legt schneller zu, als die Analysten
ihre Kursziele anheben. Kurzum, die Aktie scheint
in den vergangenen Jahren viel Zukunft vorwegge-
nommen zu haben.

Jungheinrich: Aktie enthält eine
große Portion Konjunkturpessimismus
Gabelstapler mögen erst einmal wenig nach großer
Welt und Zukunftsfantasie klingen. Doch Amerikas
Investmenthaus Morgan Stanley hat die erfolgrei-
che Jungheinrich-Aktie entdeckt. Fortan kümmert
sich die Großbank um den deutschen SDax-Titel.
Das erste Urteil fällt optimistisch, fast euphorisch
aus: Die Aktie sei „ein nahezu perfektes Anlageve-
hikel, um von einer steigenden Industrieprodukti-
on zu profitieren“, prognostiziert Katie Self. Da die
Aktienkurse typischerweise vorweg liefen, sei jetzt
der richtige Zeitpunkt zum Einstieg gekommen.
Letzteres ist eine etwas gewagte Spekulation der
Analystin. Sie setzt voraus, dass der Abschwung in
der Realwirtschaft die Talsohle bereits jetzt oder zu-
mindest sehr bald erreicht. Tatsächlich sinkt die In-
dustrieproduktion Monat für Monat weltweit, und
auch die Frühindikatoren fallen unverändert wei-
ter. Deshalb leidet der international führende An-
bieter von Hubwagen, Treibgasantrieben, Schub-
mast- und Hochregalstaplern unter sinkenden Er-
trägen. Auf seinem europäischen Heimatmarkt, auf
dem die Hamburger zwei Drittel ihrer Umsätze er-
zielen, schrumpft die Nachfrage nach Gabelstaplern
und Lagertechnik. Deshalb dürfte der Nettogewinn
2019 eher niedriger als im Vorjahr ausfallen – nach-
dem er bereits 2018 leicht gesunken ist.
Der Trend weist erst einmal weiter nach unten,
zumal Aufsichtsratschef Hans-Georg Frey die Aktio-
näre im Sommer – damals noch als Vorstandschef


  • mit einer Gewinnwarnung verschreckte: „Nach
    einem starken Start in das laufende Geschäftsjahr
    spüren wir allerdings seit Kurzem einen deutlichen
    Rückgang der Investitionstätigkeit der Kunden.“
    Nach einem baldigen Aufschwung klingt das
    nicht. Allerdings hat sich der Aktienkurs seit An-
    fang 2018 halbiert, und auf dem Kursniveau ist die
    Wette auf den Aufschwung naheliegender als auf
    den fortgesetzten Abschwung. Zumal sich die Be-
    wertung stark reduziert hat: Wer heute Junghein-
    rich-Aktien kauft, bezahlt die Anteilsscheine mit
    dem zwölffachen Jahresnettogewinn. Darin drückt
    sich bereits mehr Pessimismus als Optimismus aus.
    Noch etwas stimmt positiv: Die großen Trends
    Digitalisierung und Automatisierung dürften den
    Bedarf an Staplern und Lagertechnik auf Dauer
    steigen lassen. Dass sich Jungheinrich auf elektrisch
    betriebene Stapler konzentriert, ist in der Klima-
    diskussion von Vorteil. Auch selbstfahrende Stapler
    gehören zum Sortiment. An diesen Investitionen in
    Zukunftstechnologien, wozu alle Angebote rund
    um die Elektromobilität zählen, hält Vorstandschef
    Frey nach eigener Aussage trotz der weltweiten
    Konjunkturabkühlung fest.


Sixt: Noch viel Wachstumspotenzial,
aber die Aktie ist kein Schnäppchen
Weniger als fünf Euro kostete eine Sixt-Aktie im
Frühjahr 2009. Damals war Europas größter Miet-
wagenverleiher gut 200 Millionen Euro an der Bör-
se wert. Heute kostet eine Aktie knapp 90 Euro,
und Sixt ist 3,7 Milliarden Euro wert.

HANDELSBLATT Nettoergebnis 2019: Prognose; Aktienkurs 2019: aktuell • Quelle: Bloomberg


Jungheinrich
Aktienkurs
in Euro

Nettoergebnis
in Mio. Euro

2009 2019

40

30

20

10

0

240

180

120

60

0

-60

Sixt
Aktienkurs
in Euro

Nettoergebnis
in Mio. Euro

2009 2019

100

80

60

40

20

0

    00

400

300

200

100

0

Jenoptik
Aktienkurs
in Euro

Nettoergebnis
in Mio. Euro

2009 2019

30

20

10

0

1   0

100

    0

0

-   0

-100

Sartorius


Aktienkurs
in Euro


Nettoergebnis
in Mio. Euro

2009 2019

200


1 0


100


    0

0

200

1   0

100

    0

0

-   0

Die besten deutschen Unternehmen
WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
56


Die strukturellen Treiber in


unseren Zukunftsmärkten sind


intakt, und die langfristige


Wachstumsperspektive von


Infineon ist weiterhin gut.


Reinhard Ploss
Infineon-Chef
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