Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1

Bernie Sanders: Sein Leiden könnte die Debatte
um das hohe Alter von US-Politikern befeuern.


imago images/ZUMA Press

Bernie Sanders


Wahlkampf nach


Herz-OP gestoppt


WASHINGTON Über
sein Alter reißt Bernie
Sanders gelegentlich
Witze. Doch jetzt sieht
sich der älteste Bewer-
ber um die Präsident-
schaftskandidatur der
Demokraten mit ei-
nem ernsten Gesund-
heitsproblem konfron-
tiert: Nachdem der
78-Jährige während ei-
ner Wahlkampfveran-
staltung am vergange-
nen Dienstag Schmer-
zen in der Brust
verspürt hatte, musste
er sich einer Herz-OP
unterziehen. Die Ärzte
setzten ihm wegen ei-
ner Arterienverstop-
fung zwei Stents.
Auf Twitter bedankte
sich der Senator von
Vermont nun für Ge-
nesungswünsche: „Ich
habe das Glück, groß-


artige Ärzte zu haben,
die mir helfen, mich
zu erholen.“ Seine
Wahlkampftermine
sagte er „bis auf Weite-
res“ ab.
Sanders tritt im Vor-
wahlkampf der Demo-
kraten unter anderem
gegen Joe Biden (76)
an. Mehrfach war das
hohe Alter der Kandi-
daten Thema gewe-
sen. Auch die Bewer-
berin Elizabeth War-
ren ist bereits 70. Dies
hat zu einer Debatte
geführt, ob die Demo-
kraten nicht besser ei-
ner jüngeren Generati-
on den Vorzug geben
sollten. Der republika-
nische Amtsinhaber
Donald Trump ist aber
73 Jahre alt – und zeigt
bislang keinerlei
Schwäche. HB

K. Knitterscheidt, M. Murphy Düsseldorf

U

m ein Haar hätte Martina Merz
deutsche Wirtschaftsgeschichte ge-
schrieben. Denn als neue Chefin
von Thyssen-Krupp wäre sie fast
die erste Frau an der Spitze eines
Dax-Unternehmens geworden – aber eben nur
fast. Denn der Abstieg des Ruhrkonzerns aus der
ersten Börsenliga kam der Managerin wenige Ta-
ge zuvor. Stattdessen führt die 56-Jährige mit
dem braunen Kurzhaarschnitt nun einen MDax-
Konzern. Das macht sie immer noch zu einer
Ausnahmeerscheinung – und die Aufgaben, die
vor ihr liegen, kaum weniger herausfordernd.
Denn der Managerin muss gelingen, was ihren
Vorgängern versagt blieb: den schlingernden In-
dustrieriesen mit seinen 160 000 Mitarbeitern in
Rekordzeit zu sanieren.
Als Chefkontrolleurin von Thyssen-Krupp wur-
de die studierte Ingenieurin am Dienstag nach
dem Rauswurf von CEO Guido Kerkhoff für zwölf
Monate auf den Posten der Vorstandsvorsitzen-
den entsendet. Ihre oberste Priorität dürfte nun
beim geplanten Verkauf der Aufzugsparte liegen,
der Geld in die klamme Kasse des Ruhrkonzerns
spülen soll.
Gleichzeitig muss Merz die übrigen Geschäfte
restrukturieren. Denn drei der sechs Sparten des
Konzerns schreiben derzeit rote Zahlen. Trübt
sich das wirtschaftliche Umfeld weiter ein, droht
die ohnehin schon hauchdünne Kapitaldecke
weiter abzuschmelzen. Merz will das Unterneh-
men deshalb schlanker aufstellen. Schon ihr Vor-
gänger Kerkhoff hatte dafür einen Plan ausgear-
beitet, den die neue Chefin nun offenbar fortset-
zen will. So heißt es in einem Brief, den das neue
Führungsteam am Montag an die Belegschaft ver-
sandt hat: „Wir werden gemeinsam den mit der
strategischen Neuausrichtung eingeschlagenen
Weg fortsetzen.“
Das bedeutet: weniger Verwaltungskosten und
ein größerer Fokus auf Profitabilität. Damit dürf-
te auch die Schonfrist für Geschäftsfelder, die
schon lange schlecht laufen, endgültig vorbei
sein. Betroffen sind hiervon vor allem die Berei-
che Grobblech (Stahl), der Bau von Produktions-
anlagen für die Automobilindustrie (Anlagenbau)

sowie die Herstellung von Federn und Stabilisa-
toren, die zum Komponentengeschäft der Esse-
ner zählt. Auch wenn Merz damit keinen revolu-
tionären Ansatz verfolgt, so hat sie doch einen
entscheidenden Vorteil gegenüber ihrem Vorgän-
ger: Sie genießt das Vertrauen wichtiger Aktionä-
re und Aufsichtsräte. Auch die Arbeitnehmerver-
treter tragen ihre Ernennung mit. Ohne ihre Un-
terstützung wäre es schwierig, strategische
Entscheidungen praktisch umzusetzen.
Vor allem wird die neue Chefin wohl in einem
größeren Umfang Stellen streichen müssen. Im
Mittelbau von Thyssen-Krupp dürfte es schon
bald spürbar enger werden, wenn der Umbau
des Konglomerats zu einer Holding voranschrei-
tet. Die Senkung der Verwaltungskosten zählt seit
Jahren zu den größten Baustellen des Ruhrkon-
zerns. Frühere Manager haben hier Vorarbeit ge-
leistet: Seit 2015 sanken die Ausgaben der Zentra-
le von 650 Millionen Euro auf zuletzt 470 Millio-
nen Euro. Im laufenden Geschäftsjahr sollen sie
die 300-Millionen-Euro-Marke unterschreiten.
Der schwedische Investmentfonds Cevian hat da-
rüber hinaus einen „klar definierten Maßnah-
menplan“ von Merz gefordert. „Wir erwarten,
dass die neue Führung den so dringend benötig-
ten Transformationsprozess beschleunigen und
die Qualität der Umsetzung maßgeblich verbes-
sern wird“, schrieb Cevian-Gründer Lars Förberg
der frisch ernannten Chefin ins Stammbuch.
Dabei dürfte Merz ihre langjährige Erfahrung
bei Automobilzulieferern zugutekommen. Vor ih-
rer Berufung bei Thyssen-Krupp arbeitete sie un-
ter anderem bei Brose und Bosch – in beiden Fäl-
len mussten die Unternehmen während ihrer
Amtszeit harte Sanierungen durchlaufen.
Dass sie mal so weit kommen würde, war nicht
von Anfang an klar. Die Schwäbin machte Mittle-
re Reife in Tuttlingen und konnte nur zum Tech-
nischen Gymnasium Villingen-Schwenningen
wechseln, weil ein Schulfreund ihr anbot, sie im
Auto mitzunehmen.
„Schwache Führungskräfte scheuen sich, kriti-
sche Themen anzusprechen“, hat Merz einmal in
einem Interview gesagt. Ob sie von der anderen
Sorte ist? Das wird sie nun beweisen müssen.

Die Persönlichkeit der Woche


Im Stahlbad der


Erwartungen


Mit Martina Merz steht nun


erstmals eine Frau an der


Spitze von Thyssen-Krupp.


Viel Zeit, sich zu beweisen,


bleibt ihr nicht.


Martina Merz:
Neue Thyssen-
Krupp-Chefin
auf Zeit.

action press

Wir erwarten,


dass die neue


Führung den


Transforma-


tionsprozess


beschleuni -


gen wird.


Lars Förberg
Gründer von Cevian

Celeste Guth


Deutsche Bank


verliert M&A-Chefin


FRANKFURT Die
Deutsche Bank verliert
die Chefin ihres Ge-
schäfts mit Fusionen
und Übernahmen
(M&A), Celeste Guth.
Die Managerin wech-
selt zur Investment-
banking-Boutique PJT
Partners. Die Deut-
sche Bank hatte Guth
erst im Juli auf ihren
Posten befördert. Die
Bank bestätigte Guths
Abgang, nannte aber
keine weiteren Details.
Künftig verzichtet
die Bank Finanzkrei-
sen zufolge auf einen
globalen M-&-A-Chef:
Die Regionalchefs für
Asien, Amerika und
Europa berichten
künftig an Drew Gold-


man, der die Verant-
wortung für das Bera-
tungsgeschäft zusätz-
lich zu seinen anderen
Aufgaben übernimmt.
Die Bank ernannte
mit David Feldmann
(36) außerdem einen
neuen Handelschef für
Deutschland, Öster-
reich und die Schweiz,
wie aus einem inter-
nen Memo hervor-
geht. Er ist damit für
das Anleihe- und Wäh-
rungsgeschäft sowie
für die Abwicklungs-
einheit in der Region
verantwortlich. Feld-
mann beerbt als deut-
scher Handelschef Ste-
fan Hoops, der nun
die Unternehmerbank
leitet. Yasmin Osman

Namen


des Tages


WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
70

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