Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1
Marcelo Odebrecht

Illusionen eines Sünders


E


s war ein spektakulärer Absturz für
den Chef und Eigentümer des da-
mals größten lateinamerikanischen
Mischkonzerns. Marcelo Odebrecht, brasi-
lianischer Milliardär mit deutschen Wur-
zeln, führte das Familienunternehmen Con-
strutora Norberto Odebrecht in der vierten
Generation. Dann aber geriet er 2015 ins
Zentrum eines Korruptionsskandals, der
ganz Südamerika erschütterte. 100 Mana-
ger, Politiker und Beamte wurden verurteilt.
In Peru sitzen drei Ex-Präsidenten im Ge-
fängnis, einer beging Suizid.
Auch der heute 51-jährige Odebrecht büßt
derzeit eine Haftstrafe ab. Doch seit ein Ge-
richt ihm im September täglichen Freigang
erlaubte, reißen die Meldungen über ihn
nicht ab. Zum Entsetzen der Nation stattete
Marcelo Odebrecht dem Hauptquartier in
São Paulo einen Überraschungsbesuch ab.
Nun legte er mit einem offenen Brief an sei-
ne Familie nach. Er habe das Unternehmen

führungslos vorgefunden und sei bereit, den
Konzern aus der Krise zu katapultieren.
Er zeige noch immer jenen Größenwahn,
mit dem er einst den Koloss schuf, sagen
nun die, die ihn kennen. Und er demons-
triere erneut jene Arroganz, mit der er bis
zuletzt jede Korruption leugnete. Die Staats-
anwaltschaft indes weist nüchtern auf den
Kronzeugendeal hin, dass kein Familienmit-
glied dem Konzern jemals wieder vorstehen
darf. Auch die eigene Familie ist irritiert. Va-
ter Emilio hat sich längst von Marcelo Ode-
brecht abgewandt und stellte umgehend
klar, dass die verschärften Compliance-Vor-
schriften weiterhin gelten.
Marcelos Ambitionen kommen ohnehin
zu einem schlechten Zeitpunkt. In vielen
Ländern hat der Konzern Hausverbot, das
Unternehmen erhält kaum neue Aufträge,
die Belegschaft ist von 190 000 auf 40 000
Mitarbeiter geschrumpft. Geld verdient nur
noch die Chemie-Tochter Braskem – die
aber will das Management verkaufen, um
den Schuldenberg von 22 Milliarden Euro
abzutragen. Marcelo Odebrechts Kampagne
wirkt vor diesem Hintergrund wie das Hirn-
gespinst eines Königs, der sein Reich längst
verloren hat. Alexander Busch

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Corbis Historical/Getty Images

Odebrecht


ist der größte


Korruptions-


fall in der


Geschichte des


Kapitalismus.


Bruno Brandao
Transparency
International

Eike Schmidt

Wien verschmäht


E


ike Schmidt sorgt gerade für Gefühls-
aufwallungen, wie sie die Museums-
szene selten erlebt hat. Am 1. Novem-
ber sollte der derzeitige Direktor der Uffi-
zien in Florenz eigentlich nach Wien wech-
seln und dort das Kunsthistorische Museum
(KHM) leiten. Doch der Deutsche entschied
sich, in Florenz zu bleiben.
Eine kurzfristige Absage, die in Wien für
Empörung sorgt, vor allem bei Kulturminis-
ter Alexander Schallenberg: „Höchst unpro-
fessionell und eigentlich beispiellos“, befand
er. Dabei war es laut italienischen Medienbe-
richten ein Eklat mit Ansage. Entsprechende

Gerüchte gab es immer wieder, doch der
51-Jährige hatte diese jedes Mal zerstreut.
Dazu gab es bis Anfang September auch
mehrere Telefonate mit dem Ministerium in
Wien, in denen er seine im Herbst 2017 ver-
traglich vereinbarte Zusage bekräftigte.
In der Branche ist man sich einig, dass
sich Schmidt für künftige Engagements au-
ßerhalb Italiens disqualifiziert hat. Sein Vor-
gehen gleiche einer „vorsätzlichen Täu-
schung“, erklärt Stella Rollig, Generaldirek-
torin des Wiener Kunstmuseums Belvedere.
Das Ministerium prüft rechtliche Schritte.
Auch Italien zeigt sich irritiert. Schmidt
habe ihn informiert, weitere vier Jahre die
Gemäldegalerie in Florenz führen zu wol-
len, sagte Kulturminister Dario Franceschi-
ni. Eine Zusage machte er davon abhängig,
dass es „zu keinen Problemen mit Öster-
reich kommen darf “. Olga Kronsteiner

BusinessLoungeLounge


Nachbarschaftlich:Bangladeschs Ministerpräsi-
dentin Sheikh Hasina trifft zu einem Besuch in
der indischen Hauptstadt Neu-Delhi ein. Sie
spricht dort mit Premierminister Narendra Modi
über den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen.

Zuversichtlich:
Österreichs Grünen
Parteichef Werner
Kogler stellt sich
vor seinem Ge-
spräch mit Bundes
präsident Alexan-
der Van der Bellen
den Fotografen.
Der Präsident re-
det derzeit mit de
Vorsitzenden der
Parteien, die im
neu gewählten
Parlament vertre-
ten sein werden.

n-





n

Kirchlich: Papst Franziskus (l.) empfängt US-Au-
ßenminister Mike Pompeo zu einer Privatau-
dienz. Pompeo wollte danach in die italienische
Region Abruzzen fahren. Die Familie seines Va-
ters stammt aus der Stadt Pacentro.

Kirchlich:Papst Franziskus(l ) empfängt US Au

Einheitlich:Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier (r.) zeigt sich bei der zentralen Feier
zum Tag der Deutschen Einheit in Kiel volksnah.
Schleswig-Holstein hat aktuell den Bundesrats-
vorsitz und richtete die Feier in diesem Jahr aus.

Einheitlich:BundespräsidentFrank Walter

AFP, dpa, REUTERS, REUTERS

Der Mann, der im Zentrum des
größten südamerikanischen
Korruptionsskandals stand, will
seinen Konzern zurückhaben.

Eklat um den Direktor der Uffizien
in Florenz: Österreich ist verärgert,
weil er kurzfristig ein Engagement
in der Hauptstadt absagte.

Eike Schmidt:
Rechtliche Schritte
gegen den deutschen
Kulturmanager?

Stefano Dal Pozzolo/Contrasto/laif für Handelsblatt Magazin


Namen des Tages


WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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