Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1
M. Greive, T. Sigmund Berlin

E

rst in zwei Wochen bricht
Olaf Scholz zur Jahresta-
gung des Internationalen
Währungsfonds (IWF)
nach Washington auf. Im
Bundesfinanzministerium laufen die
Vorbereitungen aber bereits jetzt auf
Hochtouren. Denn der sozialdemo-
kratische Finanzminister gerät mit
seiner Finanzpolitik immer stärker in
die Defensive.
Dass Länder wie Frankreich oder in-
ternationale Organisationen wie der
IWF von Deutschland fordern, mehr zu
investieren und die schwarze Null zu
opfern, ist schon lange keine Nachricht
mehr. Dass aber auch deutsche Ökono-
men inzwischen nahezu einhellig der
Meinung sind, der ausgeglichene Haus-
halt ergebe immer weniger Sinn, das ist
neu. Und darauf werden die anderen
Finanzminister Scholz beim Treffen in
Washington genüsslich hinweisen, so
die Erwartung in seinem Ressort.
So schreiben etwa die Wirtschafts-
forschungsinstitute in ihrem neuen
Jahresgutachten, „ein Festhalten an
der schwarzen Null wäre schädlich“.
Zwar warnen die Ökonomen, der
Staat dürfe nicht für kurzfristige
Strohfeuermaßnahmen wie eine „Ab-
wrackprämie“ neue Schulden ma-
chen. Aber er dürfe auch nicht dem
Abschwung hinterhersparen.
Dass der Staat Schulden machen
kann, um eine Krise abzufedern, gilt
unter Ökonomen als unstrittig. Viele
Volkswirte sehen die schwarze Null
inzwischen aber auch ganz unabhän-
gig von der angespannten konjunktu-
rellen Lage kritisch. So summiert sich
laut der KfW allein bei den Kommu-
nen der Investitionsrückstand auf
138,4 Milliarden Euro, vor allem Stra-
ßen und Schulen sind marode.

Hinzu kommt der Bedarf an Investi-
tionen in die digitale Infrastruktur und
die Bekämpfung des Klimawandels.
Angesichts der Herausforde-
rungen glauben mittlerwei-
le auch arbeitgebernahe
Ökonomen wie der
Chef des Instituts der
deutschen Wirtschaft,
Michael Hüther, die
schwarze Null sei aus
der Zeit gefallen.
Auch international
nimmt der Druck auf
Deutschland wieder zu,
Schulden zu machen – aber aus ei-
nem anderen Grund. Die Konjunktur-
aussichten für die Weltwirtschaft und
den Euro-Raum haben sich zuletzt
eingetrübt, was auch am Zustand der
deutschen Industrie liegt. Weil sie
über ein Drittel der Industrie im
Euro-Raum ausmacht, droht ihre
Schwäche andere Euro-Länder mit in
den Abschwung zu ziehen.

Problemfall Deutschland
„Wir möchten, dass Deutschland sei-
nen Beitrag leistet, dass es mehr Geld
ausgibt und mehr investiert“, sagt da-
her Frankreichs Finanzminister Bru-
no Le Maire. Ähnliche Forderungen
gibt es aus der Europäischen Zentral-
bank (EZB). Wenn Deutschland mehr
investieren würde, müsste die EZB ih-
re Geldpolitik weniger stark lockern,
heißt es aus der Notenbank. Noch
harscher ist die Kritik aus den USA:
Mit ihrer „Schuldenobsession“ schade
die Bundesregierung sich selbst und
der Weltwirtschaft, schrieb kürzlich
Starökonom Paul Krugman.
Finanzminister Scholz hört diese
Forderungen, aber er lässt sie abtrop-
fen. Er weiß, die schwarze Null ist in
der Bevölkerung immer noch popu-
lär. Er will sie wie sein Vorgänger
Wolfgang Schäuble (CDU) nutzen, um
sich den Anstrich eines verlässlichen
Politikers zu geben. Würde er Schul-
den machen, müsste er sich sofort die
alte Kritik anhören, „Sozis“ könnten
nicht mit Geld umgehen.
„Die CDU steht auch in schwierigen
Zeiten für nachhaltige Finanzpolitik“,
sagt etwa CDU-Generalsekretär Paul
Ziemiak dem Handelsblatt. Man kön-
ne in vielen Ländern in Europa se-
hen, dass es keinen Mangel an Schul-
den, sondern an Reformen gebe. Ein
Blick nach Frankreich zeige doch,
dass eine höhere Staatsverschuldung
„nicht zu mehr Wachstum und Wett-
bewerbsfähigkeit“ führe, sagt auch
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer.
„Die Abkehr von der schwarzen Null
birgt die Gefahr eines Dammbruchs.“
Aus Scholz‘ Sicht schöpft die Bundes-
regierung zudem ihre Spielräume be-
reits jetzt aus, wodurch die Finanzpoli-
tik konjunkturfördernd wirkt. Gleich-
zeitig will er sich Pulver trocken halten,
falls Deutschland tiefer in einen Ab-
schwung rutscht. Mal eben die Investi-
tionen hochzufahren bringe momen-
tan nichts, findet Scholz. Aus seiner
Sicht ist genug Geld für Schulen, Stra-
ßen oder digitale Netze da. Nur werde
es nicht abgerufen, weil die Kommu-
nen keine Pläne für baureife Projekte in
der Schublade liegen haben. Mehr als
15 Milliarden Euro an Fördergeldern
habe der Bund zuletzt übrig behalten.
„Bitte nehmt das Geld!“, flehte Scholz
die Kommunen zuletzt an.
Genau mit diesem Argument will er
auch beim IWF-Treffen Forderungen
nach höheren Ausgaben vom Tisch
wischen. Dieses Lamento allerdings
hören die anderen Finanzminister
schon genauso lange, wie sie nach hö-
heren Ausgaben Deutschlands rufen:
viele, viele Jahre.

> Kommentar Seite 18

Finanzen


Attacke auf


die schwarze Null


Der Druck auf Bundesfinanzminister


Olaf Scholz wächst: Nicht nur international, auch


national mehrt sich die Kritik an seiner


Haushaltspolitik. Deutschland solle endlich


wieder Schulden machen.


FinFinFinFinFinFinnanzanzanzanzanznznzminminminmminminmmminmnnististististististsttter er er ererereererer erSchSchSchSchSchchholzolzolzolzolzolzzzzzz(l(l((((l(ll..),.),..),,,
CDUCDCCCDUUUUUU-Ge-Ge-G-GGGeGeGeeenernernernernernnealsalsalsalsalsalsleekrekrekrekrekreekrekrrretäetäetäetäetäeeetäeetäetär Zr Zr Zr ZrZr Zr ZZZZZZZZZZZZiemiemiemiemiemiemiemiiemieiemiemieiiimiiakiakiaiakiakakk::::
NacNacNacNacaacachhahhahhhhhahhahhah ltltiltltillltiltgege gegege eeFinFiFinFinFFinFinnanzanzaaaanznnznzpolpolpolpolpolppolooololooooolitiitiitiitiitiik ak ak ak ak ak ak ak ak aaaaauchuchuchuchuchuchuchchhh
iininnscschscschschschschccchwiewiewwiewiewiewiwiwwwiwiiiiiiiierigrigririgrigiggeeneeenenenennZeiZeiZeZeZeZeZeZeieeieeieiitentententententetentenennn..

Gene Glover für Handelsblatt,

Der deutsche Staatshaushalt
Nettokreditaufnahme des Bundes
in Mrd. Euro

Staatsschulden* in Prozent des
Bruttoinlandsprodukt

HANDELSBLATT *Gesamtstaatliche Schuldenquote nach Maastricht-Kriterium • Quelle: Eurostat, BMF, Bundesbank

0

22,1 Mrd. €

44,

2000 ’14 2019 2019

Finanzplan
des BMF

Finanzplan
des BMF

’10 2023

50

40

30

20

10

0

51,

60 %
Maastricht-Kriterium

2000 2023

90


50

30

dpa

Diskussion um Finanzpolitik
WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
8
Free download pdf