Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1

Investitionsfonds


Das wertlose Tilgungsversprechen


Die Idee, Investitionen über


einen Fonds zu finanzieren,


ist nicht ohne Risiko. Das


zeigen Erfahrungen der


Vergangenheit.


J. Hildebrand, M. Greive Berlin


I


n der Debatte um die schwarze
Null und die im Grundgesetz
verankerte Schuldenbremse
wurde zuletzt immer wieder über
die Einrichtung eines Fonds zur Fi-
nanzierung von Investitionen disku-
tiert. Nicht nur Ökonomen haben
dafür Sympathie. Auch im Bundesfi-
nanzministerium gab es dazu schon
Überlegungen. Der Vorteil: Ein sol-
cher Fonds könnte zur Finanzie-
rung von Investitionen Kredite auf-
nehmen, im Bundeshaushalt selbst
bliebe es bei der schwarzen Null.


Schulden steigen


Befürworter der Idee verweisen
darauf, dass es sich um Investiti-
onsausgaben handele und solche
Fonds die Schulden auch tilgen
könnten. Kritiker halten das je-
doch für realitätsfremd und
verweisen auf bisherige Erfahrun-
gen. So hatte die Bundesregierung
im Jahr 2009 den „Investitions-
und Tilgungsfonds“ (ITF) aufge-
legt, um damit das damalige Kon-


junkturpaket zu finanzieren. Aus
dem ITF wurden 16,9 Milliarden
Euro für Investitionen bereitge-
stellt, um gegen den drohenden
Wirtschaftsabschwung anzukämp-
fen.
Wie der Name des Fonds schon
andeutet, waren die Ausgaben von
Beginn an mit einer Zusage verbun-
den: Die Schulden zur Finanzierung
der Investitionen sollten schnell
wieder getilgt werden. Dazu sollte
jährlich ein Teil des Bundesbankge-
winns genutzt werden. Das ent-

spricht dem Lehrbuch: Um in einer
Krise gegenzusteuern, macht der
Staat Schulden, während er in gu-
ten Zeiten den Haushalt wieder kon-
solidiert.
Doch schon unter Bundesfinanz-
minister Wolfgang Schäuble (CDU)
wurde beim ITF von der Tilgungs-
regel abgewichen. Entweder war
der Bundesbank-Gewinn zu ge-
ring, oder er wurde für andere
Aufgaben genutzt. Zuletzt flossen
die Überschüsse in die Asylrückla-
ge. Das hat sich unter Schäubles

Nachfolger Olaf Scholz (SPD) fort-
gesetzt. Zwar existiert die Vor-
schrift zum Investitions- und Til-
gungsfonds bis heute, sie wird
aber nicht angewendet.

Kritik von der FDP
Und so befinden sich heute im ITF
mehr und nicht weniger Verbind-
lichkeiten. Ende Juni habe der
Schuldenstand 19,1 Milliarden Euro
betragen, teilte das Finanzministe-
rium auf Anfrage des FDP-Haus-
haltsexperten Otto Fricke mit. Aus
knapp 17 Milliarden Euro Investiti-
onsmitteln wurden durch Zinsauf-
wendungen Verbindlichkeiten von
19 Milliarden Euro.
Diese 19 Milliarden Euro Altver-
schuldung, die entgegen allen Be-
teuerungen seit mehr als zehn Jah-
ren Niedrigzinsphase im Investitions-
und Tilgungsfonds zwischengeparkt
seien, „sind in der Debatte um
schwarze Null und Schuldenbremse
ein mahnendes Beispiel dafür, dass
politische Versprechen, Schulden
abzubauen, meist nichts wert sind“,
sagt Fricke.
Die Bundesregierung habe inzwi-
schen das Ziel, die Schulden zu til-
gen, vollends aufgegeben. „Einen
Tilgungsplan verfolgt sie längst
nicht mehr.“ Die einstmals be-
schlossenen Regeln habe sie zu-
letzt kreativ umgangen.

Bundesadler:
2009 finanzierte die
Bundesregierung
ihr Konjunkturpaket
über einen Fonds.

MSUnger

  




      



 
 
 
 


 
   




 
     



Diskussion um Finanzpolitik
WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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