Der Stern - 26.09.2019

(Romina) #1

FILM


FOTOS: PANDORA FILM (2); GABOR KOTSCHY/A24; MAMMOTH SCREEN LIMITED/TV NOW

das Unvermögen, mit der die Kirchenver-
treter in diesem Fall agierten, aufzeigen.
Es geht um den Fall des pädophilen
Priesters Preynat und das Agieren des
Lyoner Erzbischofs Barbarin. Den lang-
wierigen und ermüdenden Kampf
ihrer Opfer haben Sie dem Erzähltempo
angeglichen.
Ich wollte genau das erlebbar machen.
Selbst der Täter stand zu seiner Schuld.
Aber den Worten folgt keine Tat. Es gibt
einen verurteilten Kardinal, der seinen
Rücktritt anbietet – und der Papst akzep-
tiert diesen nicht. Das hat in Frankreich
auch viele Katholiken wütend gemacht.
Ist es wichtig, für so einen Film auch die
Perspektive der Täter zu verstehen?
Dieser Priester schrieb Briefe, in denen er
gesteht, dass er böse ist und um Vergebung
bittet. Alfred Hitchcock hat gesagt, je kom-
plexer der Bösewicht, desto besser der Film.
Treten Männer mit pädophilen Neigun-
gen bewusst in den Kirchendienst ein,
um dort ihre Perversionen auszuleben?

M


onsieur Ozon, wie läuft es
zwischen Ihnen und Gott?
Nicht besonders. Ich habe mit
dem Entdecken meiner Sexua-
lität den Glauben verloren.
Aber wenn ich im Flugzeug sit-
ze und ein Luftloch kommt, erlaube ich mir
einen Rückfall.
Haben Sie erwogen, dass Gott für seine
Kirche gar nichts kann?
Diese Leute begehen ihre Verbrechen in
seinem Namen, damit verbietet sich das.
Sie haben mit „Gelobt sei Gott“ eine Art
Dokumentarspielfilm gedreht, der den
Fall eines pädophilen Priesters und sei-

ner Opfer zeitversetzt zum realen Ge-
schehen inszeniert. Wieso keine Doku?
Ich habe die Betroffenen kennengelernt,
und sie waren sehr glaubwürdig. Ich woll-
te ihre tieferen Beweggründe zeigen, und
das funktionierte besser, indem ich sie von
Schauspielern darstellen ließ. In einem
Dokumentarfilm hätten sie nicht gesagt,
was sie mir im Gespräch erzählten.
Ihnen ist gelungen, den Film ohne Hass
auf die Kirche zu drehen.
Das hat weniger mit meiner Nachsicht
gegenüber der Kirche zu tun, als dass mich
die menschliche Seite der Täter interes-
siert. Ich wollte die Tollpatschigkeit und

François Ozon (l.)
mit Darsteller Melvil
Poupaud, der eines
der Opfer spielt

Der französische Regisseur François Ozon über seinen
sensiblen Film um katholische Missbrauchsfälle

Verbrechen im Namen Gottes


104 26.9. 20 19

KULTUR

Free download pdf