Der Stern - 26.09.2019

(Romina) #1

  1. Oktober, Tag der Deutschen Einheit. Vor 29
    Jahren wurden durch den Beitritt der DDR zur
    Bundesrepublik aus zwei deutschen Staaten
    einer. Ein Jahr zuvor war die Berliner Mauer
    gefallen. In diese „Wendezeit“ führt das gleich-
    namige Politdrama (Buch: Silke Steiner, Regie:
    Sven Bohse) rund um die Agentin Tatjana
    Leschke / Saskia Kinzel. Petra Schmidt-Schal-
    ler (geboren übrigens 1980 in Magdeburg)
    zeigt uns eine Frau, die für die Zerrissenheit
    zwischen zwei Systemen, zwischen Privatem
    und Politischem steht und die
    die neue Entwicklung 1989
    vor allem mit einem Gefühl
    betrachtet: Angst.


Eine Frau, zwei Ideale


Tatjana Leschke ist Tochter ei-
nes hohen Stasi-Offiziers. Sie
wird zur Top-Agentin ausge-
bildet und in der Identität einer jungen Frau
aus dem Westen mit dem deutsch-amerikani-
schen Wissenschaftler Richard Starke bekannt
gemacht. Ziel: über ihn Zugang zur US-Bot-
schaft und die CIA zu bekommen. Das klappt.
Was nicht nach Plan läuft: „Saskia“ verliebt
sich in Richard, bekommt zwei Kinder mit ihm.
Als am 9. November 1989 die Mauer fällt und
die Agentendatei des DDR-Nachrichtendiens-
tes HVA mit den Klarnamen aller Agenten in
die Hände der CIA zu fallen droht, geht es für
Tatjana / Sas kia um alles – und sie muss ent-
scheiden, was das Wichtigste für sie ist.


„Wendezeit“ erzählt die Geschichte der Wende
aus einer Perspektive, die nicht eben mit Freu-
de über die nahende Demokratie verbunden ist.
Regisseur Bohse: „Mir blieb der Mauerfall als
kollektives Glücksgefühl im Gedächtnis. Umso
interessanter fand ich es, dass bei ,Wende zeit‘
weniger die Freude und die Hoffnung auf Frei-
heit und Demokratie im Mittelpunkt stehen,
sondern die Angst, alles zu verlieren.“
Petra Schmidt-Schaller wechselt virtuos zwi-
schen Welten, Zeiten und Systemen – eine
große Leistung. Sie überzeugt
als junge Tatjana, die vom
Vater zur Stasi-Agentin ge-
drillt wird, genauso wie als
die im Westen lebende Saskia,
die plötzlich viel zu verlie-
ren hat: ihre Familie. Produ-
zentin Heike Voßler: „Petra
Schmidt-Schaller war ein
gro ßer Glücksfall für unseren Film. Ihre atem-
beraubend glaubhafte Wandlung vom 17-jähri-
gen Mädchen bis zur 40-jährigen Erwachsenen
hat mich schon während der Drehzeit fas-
ziniert. Aber nicht nur äußerlich, sondern auch
die Darstellung des emotionalen Dilemmas der
Hauptfigur, ihre Zerrissenheit zwischen priva-
tem Glück und ihrem Auftrag, zwischen ihrer
Heimat im Osten und ihrer Familie im Westen,
hat mich tief berührt.“ Kaum einem Zuschauer
vor dem Fernseher wird es anders gehen.

Mittwoch, ARD, . Uhr

Ungewöhnlicher  lmischer


Blick auf die „Wendezeit“: Eine


Stasi-Agentin muss sich zwischen


ihrer Heimat im Osten und ihrer


Familie im Westen entscheiden


Oben: Die CIA nimmt Tatjana alias „Saskia“ in
die Mangel. Unten: Tatjana wird vom Vater (André
Hennicke) gedrillt. Ganz unten: Am Schluss geht
es ums Überleben (Szene mit Artjom Gilz)

MAGAZIN Highlight


Titelfoto und Fotos: ARD/rbb | Text: Ann-Kathrin Schaub

Zwei


Welten


„Weniger die
Ho nung auf
Freiheit, sondern
die Angst, alles
zu verlieren.“



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