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Dolmetscher. Spätestens ab 2010 hatte der
Libanese für seine Berliner Firma exklusi-
ve Räume am Pariser Platz angemietet,
direkt gegenüber dem Hotel Adlon – nahe
an Bundestag und Regierung. Ein perfek-
ter Standort für ein Lobbybüro. Im März
2008 kaufte überdies einer seiner vier
Söhne für 1,7 Millionen Euro eine 300-
Quadratmeter-Wohnung in einem von
Stararchitekt David Chipperfield entwor-
fenen Komplex nahe dem Potsdamer Platz,
gut zehn Gehminuten vom Büro entfernt.
Wer hier wohnt, blickt mitten in der Stadt
auf das Grün des Tiergartens und kann
zugleich rund um die Uhr den Premium-
Roomservice des benachbarten Hotels
Ritz-Carlton nutzen.
Die Wohnung wurde, glaubt man Insi-
dern, zum Treffpunkt für gesellige Aben-
de mit Rotwein und Zigarren – Schröder-
Style. Praktisch: Der Altkanzler unterhält
sein Berliner Domizil nur drei Autominu-
ten entfernt.
Steinmeier erinnert sich laut Auskunft
des Präsidialamtes daran, „vor mehr als
zehn Jahren“ El Husseini „zwei- oder drei-
mal begegnet“ zu sein, als dieser als Bera-
ter der Emirate tätig gewesen sei. Von einer
Tätigkeit als „Lobbyist im Rüstungsbe-
reich“ wisse der heutige Präsident nichts.
Einer von El Husseinis SPD-Freunden
sagt, er habe in dem Libanesen immer den
Bauunternehmer gesehen. Aber warum
braucht jemand, der Häuser am Golf hoch-
zieht, ein Büro am Pariser Platz in Berlin?
Ab 2006 lässt sich jedenfalls belegen, wie
El Husseini für deutsche Rüstungskon-
zerne arbeitet. Ab 2012 ist er mitbeteiligt
an einem Milliardengeschäft von Thyssen-
Krupp – und damit an dessen Gelingen
interessiert. Es geht um zwei mit Marsch-
flugkörpern und Boden-Luft-Raketen be-
waffnete Fregatten, die die Marinesparte
des Konzerns für das Regime im nordafri-
kanischen Algerien baut, zum Preis von um
die zwei Milliarden Euro. Kanzlerin Ange-
la Merkel persönlich soll geholfen haben,
den Auftrag einzufädeln. Bereits Anfang
2009 sagte die damalige Große Koalition
überdies staatliche Exportkreditgarantien
für das Milliardengeschäft zu. Aber wäh-
rend auf einer Werft in Kiel ab 2012 die 120
Meter langen Kriegsschiffe des Typs Meko
A-200 entstanden, saß die SPD im Bundes-
tag in der Opposition und wetterte heftig
gegen Rüstungsexporte, auch im Wahl-
kampf 2013.
„Unrechtsregimen sollte man keine Waf-
fen verkaufen“, forderte Parteichef Sigmar
Gabriel noch im Januar 2014 im stern. Doch
seit Ende 2013 war die SPD wieder an der
Regierung, mit Steinmeier als Außen-
minister. Jetzt musste sie auch über den
endgültigen Export der Kriegsschiffe an
das Regime in Algerien entscheiden.
W
ohl dem, der Freunde in der SPD hat.
Bereits im März 2014 – kurz nach-
dem Steinmeier zum zweiten Mal
ins Außenamt eingezogen war – ergatter-
te El Husseini eine Verabredung zum Mit-
tagessen mit dem für Rüstungsexporte
zuständigen Abteilungsleiter des Ministe-
riums, Dieter Haller. Auch Ex-Kanzler Ger-
hard Schröder sollte laut Kalender an dem
Treffen beim Berliner Edel-Italiener Boc-
ca di Bacco teilnehmen. Steinmeier hatte
Haller kurz zuvor auf seinen Posten beför-
dern lassen. Er gilt als jemand, der mit den
Despoten des arabischen Raums wenig
Berührungsängste hat.
Worum ging es bei dem Mittagstermin?
Das Auswärtige Amt will sich nicht äußern.
Haller reagierte nicht auf Fragen. Stein-
meier hatte nach Auskunft des Präsidial-
amtes „keine Kenntnisse“ von dem Essen.
El Husseini habe „zu keiner Zeit Einfluss
auf politische Positionierungen oder
Entscheidungen“ von Steinmeier gehabt,
versichert das Amt.
Bereits im Oktober 2014 gab es aber Be-
richte über einen „Kursschwenk“ der SPD,
auch unter Beteiligung von Steinmeiers
Beamten – Rüstungsexporte nach Saudi-
Arabien oder Algerien galten als kein
Tabu mehr. Steinmeier selbst besuchte als
Außenminister im Januar 2015 Algerien;
der damalige Chef der Marinesparte von
Thyssen-Krupp war Mitglied der Wirt-
schaftsdelegation.
Wer immer wen überzeugt hat – alles
ging gut für Thyssen-Krupp und El Hussei-
ni. Im Februar 2016 stimmt der Bundessi-
cherheitsrat, dem Steinmeier angehört, der
Ausfuhr der ersten der beiden Fregatten zu,
im November 2016 gab es grünes Licht für
die zweite. Sigmar Gabriel rechtfertigte sich,
man sei gezwungen gewesen, nach einer be-
reits früher erteilten Produktionserlaubnis
nun auch die Ausfuhr zu erlauben.
Aber das stimmt nicht. Die Regierung
hätte den Export stoppen können. Sol-
che Genehmigungen könnten „jederzeit
widerrufen werden“, hielt das Bundes-
verfassungsgericht in einem Urteil im
Oktober 2014 fest.
Die beiden Ausfuhrerlaubnisse für die
Fregatten wären vielleicht nicht so glatt
über die Bühne gegangen, wenn damals
bereits Einzelheiten über merkwürdige
Zahlungsströme bekannt gewesen wären.
Thyssen-Krupp ließ das Fregattengeschäft
nämlich zumindest teilweise über eine
Tochter im fernen Singapur abwickeln, und
die schaltete im Jahr 2012 die damals von
El Husseini geführte Firma Federal De-
velopment Establishment in den Vereinig-
ten Arabischen Emiraten ein. Für über 300
Millionen Euro sollte El Husseini die Mu-
nition für die Kriegsschiffe im Pauschal-
paket besorgen – auf dem Umweg über die
Emirate, aber am Ende mit der deutschen
Rüstungsschmiede Rheinmetall als Ver-
tragspartner. Thyssen-Krupp sollte dann
das Schiff komplett mit Munition an die
Algerier verkaufen. Das sei „auf Wunsch 4
Kanzlerin Merkel
und Kronprinz
Muhammad Bin
Zayed Al Nahyan
aus Abu Dhabi –
die dortige
Regierung ist
ein guter Kunde
von Firmen
wie Rheinmetall
NOCH ANFANG 2014 WETTERT DER DAMALIGE SPD-CHEF
SIGMAR GABRIEL GEGEN WAFFENEXPORTE AN „UNRECHTSREGIME“.
EIN PAAR MONATE SPÄTER KOMMT DER KURSSCHWENK
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