Der Stern - 26.09.2019

(Romina) #1
Hans-Martin Tillack hörte erstmals
vor über zwei Jahren von den
Geschäften des Rüstungslobbyisten
Ahmad El Husseini. Seitdem recher-
chierte er über ihn, immer wieder auch
gemeinsam mit Frederik Richter von Correctiv

re zurück – doch im Jahr 2015 fürchtete
Rheinmetall angeblich eine „Rückabwick­
lung“ des Geschäfts. Weil die Emiratis mit
der Trefferquote der Kanone unzufrieden
seien, drohten sie, den Kaufpreis von 80
Millionen Euro nicht zu zahlen. Darum
ging an den Scheich und seinen Helfer
El Husseini der Auftrag, die Emiratis zu
überzeugen, dass die Trefferquote durch­
aus ordentlich genug sei. Sie sollten, so
die Vereinbarung mit Rheinmetall, „die
Argumente des Unternehmens“ an „die
politischen Instanzen der Endkunden
heran tragen“. Die 15 Millionen winkten als
„Erfolgsprämie“.

E


s klang eher so, als sollten der Scheich
und El Husseini jemanden dafür bezah­
len, die Augen zuzudrücken. Freilich
sagte Federal sogar schriftlich zu, Amts­
trägern „weder Geld, Wertsachen noch
andere Vorteile“ anzubieten oder zu ge­
währen. Und Rheinmetall weist „Spe ­
ku lationen“ um mögliche Zahlungen an
Amtsträger „entschieden zurück“.
Es ist nur eine weitere unglaubliche Ge­
schichte rund um den Millionär aus dem
Libanon, seine Rüstungsgeschäfte und die
vielen Freunde in der SPD. Was weiß Ger­
hard Schröder über die Millionenströme,
die El Husseini lenkte? Der Ex­Kanzler ließ
Fragen von stern, Correctiv und ZDF unbe­
antwortet.
Auf alle Fälle hat jetzt sein langjähriger
Vertrauter Steinmeier ein Problem. Er
stand von mindestens 2012 bis 2016 wie­
derholt auf den Empfängerlisten für die
Präsentkörbe des Waffenhändlers. Hätte

der heutige Präsident die Gaben zwischen­
durch einmal zurückgewiesen, hätte ihn
El Husseini kaum immer wieder auf die
Empfängerliste gesetzt. Weil Steinmeier in
diesen Jahren anders als Schröder und Schi­
ly noch Abgeordneter und ab Ende 2013
auch Außenminister war, spricht überdies
ziemlich viel dafür, dass er die teuren
Geschenke nicht annehmen durfte – auch
wenn man sich kaum vorstellen kann, dass
El Husseini den Außenminister mit ein
paar Flaschen Wein von dem Charme des
Fregattengeschäfts überzeugt hatte.
Steinmeier hätte dennoch die Geschen­
ke zurückweisen können, um „gar nicht
erst den Eindruck“ zu erlauben, dass er „als
Amtsträger“ für persönliche Vorteile emp­
fänglich sei, findet Timo Lange von der
Organisation Lobbycontrol.
Die Regeln sagen dies: Bundestagsabge­
ordnete müssen bereits Gastgeschenke
über 200 Euro abführen. Bei anderen Ge­
schenken dürfe selbst bei kleineren Gaben
im Wert von bis zu 200 Euro „nicht ohne
Weiteres davon ausgegangen werden“,
dass sie angenommen werden dürften,
heißt es in einem Gutachten des wissen­
schaftlichen Dienstes des Bundestags aus
dem Jahr 2014.
Laut Ministergesetz hätte Steinmeier
überdies als Außenminister der Bundes­
regierung Geschenke angeben müssen, die
er „in Bezug auf sein Amt“ erhalten hatte.
Die offizielle Wertgrenze liegt bei 153,39
Euro. Sicher ist: Steinmeier hat dem Kanz­
leramt keine teuren Weine und Champa­
gner von El Husseini gemeldet.
Das Präsidialamt sagt heute, es lasse sich
„nicht mehr nachvollziehen“, ob El Hus­
seini oder seine Firma „Präsentkörbe an
das Abgeordnetenbüro von Frank­Walter
Steinmeier schickte“. Die „in der Vorweih­
nachtszeit angekommenen Naturalge­
schenke“ seien immer „gesammelt und
weiterverteilt worden“, zum Beispiel an
Mitarbeiter.
„Wenn er die Geschenke weiterverteilen
ließ, hatte er dennoch die Verfügungsge­
walt über sie“, unterstreicht der Speyerer
Verfassungsrechtler Hans Herbert von
Arnim. Was ist mit den Bestimmungen
zum Umgang mit teuren Geschenken,
die für den Abgeordneten und Minister
Steinmeier galten? Fragen dazu ließ das
Präsidialamt unbeantwortet. 2

Nein, beteuern Rheinmetall und Thys­
sen­Krupp, alles sei in Ordnung gewesen.
„Gründe, die uns von einer geschäftlichen
Bindung an den Partner Federal hätten ab­
halten können, haben wir nicht gefunden“,
versicherte Papperger bereits im Mai 2019.
Auch bei Thyssen­Krupp fand man bei
einer Prüfung der Geschäfte „keine kon­
kreten Hinweise auf Korruption“, so der
Konzern. „Es muss einen Grund gegeben
haben, dass man statt des direkten Weges
den umständlicheren Weg gewählt hat“,
glaubt dennoch die Grünen­Abgeordnete
Katja Keul.
Mindestens ähnlich mysteriös ist eine
zweite Sache, in der Rheinmetall den
Schröder­Bekannten El Husseini bereits
im November 2017 wegen des Verdachts auf
Betrug angezeigt hat – bei der Außenstel­
le Celle der Staatsanwaltschaft Lüneburg.
Die hat inzwischen Anklage gegen El Hus­
seini und zwei weitere Personen erhoben;
noch hat das Landgericht Lüneburg nicht
über die Zulassung entschieden. Es geht
um Gelder aus einem anderen merkwür­
dig erscheinenden Vertrag mit Rhein­
metall aus dem Jahr 2015. Der Konzern hat­
te damals der Firma Federal insgesamt
15 Millionen Euro überwiesen, auf ein
angebliches Sperrkonto. El Husseini soll
dieses Konto dann, so der Vorwurf, un­
rechtmäßig geräumt haben.
Sein Anwalt weist den Vorwurf zurück.
Unstrittig ist nur, dass es um 30 Geschüt­
ze des Typs MLG 27 geht, die Rheinmetall
an die Marine der Emirate geliefert hatte,
für Korvetten und Schnellboote. Der Be­
ginn der Ausfuhren liegt um die zehn Jah­

Millionen von
Thyssen-Krupp
flossen auf
Konten etwa
in Hongkong –
Auszug aus einem
Prüfbericht


EIN SPERRKONTO MIT 15 MILLIONEN EURO GERÄUMT,


48 MILLIONEN UMGELEITET – INZWISCHEN HAT RHEINMETALL DEN


FRÜHEREN HELFER WEGEN ANGEBLICHEN BETRUGS ANGEZEIGT


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