Neue Zürcher Zeitung - 09.10.2019

(Brent) #1

34 REFLEXE Mittwoch, 9. Oktober 2019


Daniel Imwinkelried· Der vergangene Sommer wird
derReisebranche und denTouristeninErinnerung
bleiben. GrosseVeränderungen haben sich schon
seiteiniger Zeit abgezeichnet, jüngst haben sich die
Ereignisse aber überschlagen. DieTouristiker wis-
sen nun, was die vielzitierte «Disruption» für sie
bedeutet.
Dramatisch war derKonkurs vonThomas Cook,
Europas zweitgrösstem Reiseveranstalter. Das
finanziell schwache Unternehmen führte einen
grossenTeil seines Geschäfts noch auf traditionelle
Weise. Es erwarb Hotel- und Flugkontingente und
versuchte dann, diese an sonnenhungrige Europäer
zuveräussern. Dieses Geschäftsmodell ist anfällig
für Schocks – seien esAnschläge, Wetterkapriolen
oderVeränderungen bei denWährungsrelationen.
Erschüttern solcheVorkommnisse eineRegion, ris-
kiert derReiseveranstalter, auf seinenKontingen-
ten sitzenzubleiben.
Solche Sorgenkennen die Online-Reisever-
anstalter (OTA) nicht.Für die Nutzer stellen sie
gleichsam in EchtzeitPakete aus Flug und Über-
nachtung zusammen.Auch verkaufen sie nicht ein-

fachWochenarrangements, vielmehrkönnen die
Kunden dieReisedaten selber bestimmen.Dabei
kommt es ganz auf den Preis und die Geschwin-
digkeit der IT an. Irgendwann werdenBadeferien
und Städtereisen wohlauch bei uns nur noch über
das Internet verkauft, wie das in skandinavischen
Ländern bereits derFall ist.Daskommt auch den
Airlines entgegen:WennOTA in EchtzeitReisepa-
kete schnüren, eröffnet ihnen das die Chance, leer
gebliebene Sitze loszuschlagen, ohne dass jemand
erfährt, zu welchem Preis das geschieht.
Hotelplan,grösster SchweizerReiseveranstalter
undTochterfirma der Migros-Gruppe, wappnet sich
für diesenTr endbruch. Bei der IT gilt dieFirma be-
reits als fortschrittlich, nun verstärkt sie das On-
line-Geschäft noch durch die Akquisition des deut-
schenOTAVtours. DieseTransaktion ermöglicht
es Hotelplan auch, dasAuslandsgeschäft zu verstär-
ken, was dringend angezeigt ist.Das Unternehmen
muss sich nämlich sputen: Seine Marge ist niedrig,
und der unter Spardruck stehende Migros-Chef
Fabrice Zumbrunnen ist jüngst mit wenigrentablen
Migros-Firmen nicht gerade gnädig umgesprungen.

Onli ne-Buchungen boomen


Hotelplan wappnet sich

für die Zukunft des Reisens

Andrea Martel·Das «R»-Wort geistert derzeit wie-
der in denKöpfen der Schweizerinnen und Schwei-
zer herum – «R» wieRezession.Darauf lassen zu-
mindest die Suchanfragen bei Google schliessen,
wo der Begriff seitAugust vermehrt auftaucht.
Die Ängste sind nachvollziehbar, denn über der
Schweiz wie auch über demRest derWelt braut
sich ein Unwetter zusammen, wie die UBS in ihrer
jüngstenKonjunkturanalyse schreibt.Die Ursachen
sind zwar weniger wirtschaftlich als vielmehr poli-
tisch: der eskalierende Handelsstreit zwischen den
USA und China, die nach wie vor ungeklärteFrage,
wie und wann Grossbritannien aus der EU austre-
ten wird, die zunehmenden Spannungen in der
Golfregion.Aber wo Unsicherheit herrscht, leidet
immer auch dieKonjunktur.
Die globaleWirtschaft hat denn auch be-
reits deutlich an Schwung verloren,vorallem in
Europa. So deuten etwa dieVorlaufindikatoren in
Deutschland darauf hin, dass sich dasLand nahe
einerRezession befindet. Und wenn die europäi-
scheWirtschaftlahmt, bremst das früher oderspä-
terauch die Schweiz – vor allem, wenn derFran-
ken gegenüber dem Euro wieder stärker wird und
damit die Schweizer Exporte verteuert.
Aber eine Eintrübung ist nochkeineRezes-
sion. Und genau dies ist derKern der Einschät-
zung derKonjunkturexperten: Ihrer Ansicht nach
muss die SchweizerWirtschaft zwar mit einer Ab-
kühlungrechnen, aber ein negativesWachstum –
und dies über mehr als ein Quartal – ist aus heuti-
ger Sicht nicht zu erwarten.Selbst die UBS, deren
neusterAusblick deutlich pessimistischer ist als
jener der anderen Prognoseinstitute, spricht expli-

zit nicht von einerRezession,sondernvon einer
«Periode von schwachem, aber positivemWachs-
tum». Begründet wird die Zuversicht mit zweiFak-
toren: Zum einen sieht es selbst in der Euro-Zone
nicht wirklich nachRezession aus, sondern eben-
falls «nur» nach schwachemWachstum. Zum ande-
ren verleiht die inländischeWirtschaft der Schweiz
eine gewisse Stabilität. Zwar ist die Nettozuwande-
rung deutlich schwächer als noch vor zehnJahren,
und auch die Löhne wachsen in diesemJa hr kaum,
aber derKonsum profitiert vomrobusten Beschäf-
tigungswachstum der letzten Quartale und vom da-
mitverbundenenRückgang der Arbeitslosigkeit.
So ist die SchweizerWirtschaft denn auch im
zweiten Quartal 20 19 gewachsen, wenn auch mit
0,3%relativ schwach. Und auch die am Dienstag
veröffentlichtenArbeitsmarktzahlen fielengutaus.
Die Arbeitslosenquote verharrte imAugust auf
ihrem niedrigen Niveau von 2,1%, nur die Zahl der
Stellensuchenden nahm leicht zu.
Nun sind weder das vergangeneWirtschafts-
wachstum noch die Arbeitslosenzahlen gute Pro-
gnoseinstrumente. Die Arbeitslosigkeit ist als so-
genannt «nachhinkender» Indikator bekannt.Aber
auch die vorlaufenden Indikatoren lassen vorder-
handkeineRezession befürchten: Der Einkaufs-
manager-Index (PMI),der die Stimmung in der In-
dustrie zeigt, deutete imAugust zwar weiterhin auf
eine rückläufige Industriekonjunktur in denkom-
menden Monaten hin; er lag jedoch etwas höher als
imVormonat. Und der entsprechendeIndex für den
Dienstleistungssektor hatsogar in denWachstums-
bereich zurückgefunden. Es besteht also Grund zur
Hoffnung, dass das «R»-WortkeineRealität wird.

Zunehmende Konjunktursorgen


Das «R-Wort»

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