Süddeutsche Zeitung - 02.10.2019

(avery) #1

Nach dem Feuertod einer jungen Frau im
FlüchtlingslagerMoria auf der Insel Les-
bos bringt die griechische Regierung Hun-
derte Migranten aufs Festland. Sie plant
auch ein neues Asylgesetz. Giorgos Kou-
moutsakos, Vizeminister für Migration,
kommt gerade aus der Kabinettssitzung,
die über das neue Gesetz beraten hat.


SZ: Griechenland will künftig viel mehr
abgelehnte Asylbewerber abschieben,
vor allem in die Türkei. Geplant ist auch
erstmals eine Liste sicherer Herkunfts-
staaten. Um welche Länder geht es?
Giorgos Koumoutsakos: Die Liste ist noch
in Arbeit. Aber in den nächsten 20 Tagen
wollen wir das neue Gesetz vorlegen.
Stehen auch Länder wie Marokko oder
Algerien auf der Liste?
Es wird eine umfassende Liste sein. Mehr
kann ich im Moment nicht sagen.
Und die Türkei? Sie wollen bis Ende
2020 etwa 10000 Migranten, die auf
den griechischen Inseln gelandet sind,
in die Türkei zurückbringen.
Zur Türkei gibt es viele Meinungen. Wir
werden alles genau betrachten und uns
eng mit unseren europäischen Partnern ab-
stimmen. Das gilt auch für Abschiebungen
in Drittländer. Hier sollten die EU-Staaten
künftig enger zusammenarbeiten, auch ge-


meinsame Rückführungen organisieren.
Schweden, Deutschland und Griechen-
land zum Beispiel, mit einem Flugzeug.
Dann würde man dies als gemeinsame eu-
ropäische Maßnahme begreifen.
Mit der Türkei hat die EU im März 2016
eine Vereinbarung geschlossen, die da-
zu führte, dass Zehntausende Migran-
ten auf fünf griechischen Inseln bleiben
mussten. Nun ist eine Frau in Lesbos bei
einem Feuer gestorben.

Das ist ein tragisches Ereignis. So etwas
darf nie wieder passieren. Leider verste-
hen einige unserer europäischen Partner
erst jetzt, vor welcher Herausforderung
wir in Griechenland stehen. Die Grenze Eu-
ropas ist hier, in der Ägäis.
Sie bringen nun Hunderte Menschen
aufs Festland. Was heißt das für die Ver-
einbarung mit der Türkei?
Wir müssen sie an Land bringen, die

Camps in Lesbos und Samos sind hoff-
nungslos überfüllt. Sie sollten den Text der
Vereinbarung genau lesen. Es heißt dort
nur, die Migranten sollen von den Inseln in
die Türkei zurückgebracht werden. Nir-
gendwo steht, dass sie auf den Inseln für
das ganze Verfahren bleiben müssen.
Warum wurden die Migranten dann
dort so lange festgehalten?
Man kann den Text so interpretieren, aber
das ist nicht zwingend. Wenn alle Migran-
ten wissen, dass sie auch, wenn sie auf
dem griechischen Festland sind, nach Ab-
lehnung ihrer Asylanträge in die Türkei zu-
rück müssen, wirkt das ebenfalls abschre-
ckend. Die Vereinbarung mit der Türkei
bleibt für uns wichtig.
Warum?
Es mag Kritik an dieser Vereinbarung ge-
ben, aber sie ist das einzige Instrument,
das wir haben. Wir müssen daran festhal-
ten, es wirksamer gestalten. Wir müssen
der Türkei sagen, dass sie neue Schmuggel-
routen unterbinden muss. Es entsteht eine
neue Route im Norden über Samothraki
und Alexandroupolis. Und eine über Zy-
pern. Die Türkei muss die Netzwerke der
Schmuggler zerschlagen. Ich bin am Mitt-
woch und Donnerstag in Ankara. Das ist ei-
ne gute Gelegenheit, mit Innenminister Sü-
leyman Soylu auch darüber zu sprechen.

Die Türkei will offenbar mehr Geld von
der EU, dafür, dass sie die Flüchtlinge
zurückhält?
Wir müssen akzeptieren, dass die Türkei ei-
ne große Last trägt mit fast vier Millionen
Flüchtlingen und Migranten. Und ich den-

ke, die EU sollte über eine weitere Unter-
stützung der Türkei nachdenken. Nicht
bedingungslos, aber ich halte es für wich-
tig.
Erwartet Griechenland auch mehr Hilfe
von der EU?
Ja, das tun wir. Die meisten Migranten
kommen über das östliche Mittelmeer,
nicht über die zentrale Mittelmeerroute
nach Italien. Wenn dort 1300 Menschen an-
kommen, sind es hier 5000. Die zentrale
Mittelmeerroute aber ist viel mehr im
Blick der EU. Damit man unsere Stimme
besser hört, haben wir uns jetzt mit Bulga-
rien und Zypern zusammengetan, wir wei-
sen gemeinsam auf die Probleme hin.
Am Freitag wird Bundesinnenminister
Horst Seehofer nacheinem Besuch in An-
kara nach Athen kommen.
Der französische Innenminister wird eben-
falls dabei sein. Wir werden unseren wich-
tigsten Partnern in der EU sagen, in welch
schwieriger Situation wir sind. Wir werden
auch auf die neue Vereinbarung von Malta
zur Verteilung von Bootsflüchtlingen hin-
weisen, die Seehofer initiiert hat. Das ist
für uns schon ein Vorbild.
Was bringt das neue Asylgesetz noch? Be-
kannt ist schon, dass Migranten vor der
Abschiebung in „geschlossenen Zen-
tren“ untergebracht werden sollen.

Wir werden alle unsere europäischen und
internationalen Verpflichtungen respektie-
ren. Aber wir müssen die Asylprozesse be-
schleunigen. Die Tsipras-Regierung hat
das Gesetz sehr flexibel ausgelegt, sehr
breit. Wir werden strenger sein. Wir wer-
den mehr Asylkomitees haben, mehr Rich-
ter. Im Unterschied zu unseren Vorgän-
gern sind wir entschlossen, eine robuste
Migrationspolitik umzusetzen.
Es heißt, Migranten, die sich den Behör-
den widersetzen, zum Beispiel dem Um-
zug in ein bestimmtesLager, sollen Nach-
teile haben.
Wenn griechische Staatsbürger bei Rechts-
verstößen mit Strafmaßnahmen rechnen
müssen, warum soll das nicht auch für Leu-
te gelten, die illegal in unser Land kommen
und sich nicht an die Gesetze halten.
Enthält das neue Gesetz auch Integrati-
onsmaßnahmen? Da gibt es in Griechen-
land bislang fast nichts.
Nicht dieses Gesetz. Aber unter den Flücht-
lingen sind Tausende unbegleitete Jugend-
liche. Das ist eine riesige Herausforderung
für uns. Wir denken an eine Geberkonfe-
renz zu diesem Thema, unter der Schirm-
herrschaft von Unicef. Wir werden unse-
ren Teil tragen, aber auch hier müssen die
Lasten in Europa besser verteilt werden.
interview: christiane schlötzer

Giorgos Koumoutsakos will
eine „robuste Migrationspolitik“
durchsetzen.FOTO: IMAGO

Manchester/Brüssel– Der Tory-Partei-
tag läuft zwar noch, aber die Delegierten
sind in Schlussspurt-Laune und haben ih-
re Rückfahrtickets aus dem verregneten
Manchester nach Hause längst gekauft.
Ein paar Minister haben einige – dem auf-
ziehenden Wahlkampf geschuldete – teu-
re Ankündigungen wie 40 neue Kranken-
häuser, eine Erhöhung des Mindestlohns
und viele schöne, neue Straßen gemacht.
Aber eigentlich warten alle nur auf den
Chef und seine Show: An diesem Mittwoch
hält Premierminister Boris Johnson seine
Abschlussrede, und es wäre eine große
Überraschung, würde sie sich nicht sehr
laut und sehr emotional um das Motto ran-
ken: „Get Brexit done“. Oder besser: „We
get Brexit done.“ Denn die Opposition, das
wiederholt Johnson oft und gern, wolle ja
den Brexit verhindern.
Am Dienstagmorgen hatte Johnson in
mehreren Interviews versichert, er werde
in den kommenden Tagen, vielleicht
schon direkt nach seiner Rede in Manches-
ter, jenes in Brüssel so sehnsüchtig erwar-
tete Papier losschicken. In ihm soll Lon-
don im Detail darlegen, wie genau man
sich den neuen Deal vorstellt, der den
Backstop beseitigt, die Auffanglösung für

Nordirland, aber gleichzeitig den Frieden
auf der Insel wahrt. Dargelegt werden soll
auch, ob der Deal, den Johnson offiziell so
dringend wünscht, ansonsten dem längst
ausverhandelten Austrittsabkommen glei-
chen soll, das Theresa May mit Brüssel be-
sprochen hatte. Wahrscheinlich ist das
nicht, denn auf dem Parteitag hatten meh-
rere Kabinettsmitglieder deutlich ge-
macht, dass viele von Mays Kompromis-
sen nicht mehr gelten sollen. Nach der Ver-
öffentlichung des finalen Angebots will
der Premier am Wochenende in Europas
Hauptstädten für den Vorschlag werben.
Was Johnson allerdings bei seiner Rund-
tour durch die TV- und Radiostudios in
Manchester strikt negierte, sind Details
aus dem britischen Vorschlag, die in der
Nacht zum Dienstag ihren Weg in die Pres-
se gefunden hatten. Der irische Sender
RTE berichtet, London wolle den ursprüng-
lich versprochenen „frictionless trade“, al-
so den kontrollfreien, ungehinderten Han-
del über die innerirische Grenze hinweg,
durch einen System aus grenzfernen Kon-
trollen ersetzen. RTE zufolge sollen die
Zollstationen zwischen fünf und zehn Kilo-
meter entfernt von der EU-Außengrenze
zwischen Nordirland und der Republik lie-

gen. Händler sollen am Ursprungsort oder
an den Kontrollstationen ihre Waren kon-
trollieren lassen, die Transporte würden
dann per GPS bis zum Ankunftsort ver-
folgt. Nur für Nahrungsmittel, Landwirt-
schaftsprodukte und Vieh soll es eine Art
Zollunion geben. Der irische Vizepremier
Simon Coveney twitterte prompt, dieses
Modell sei ein „Non-Starter“.

Johnson behauptet nun, diese Vorschlä-
ge seien veraltet, er werde vielmehr etwas
völlig Neues vorlegen. Allerdings sind sei-
ne Möglichkeiten beschränkt, in einem
BBC-Interview sagte er, Kontrollen wür-
den „absolut minimal“ sein und keine
neue Infrastruktur notwendig machen.
Die Hardliner in der eigenen Partei, die
Mays Deal niedergestimmt hatten, haben
zwar angedeutet, sie könnten Johnson un-
terstützen, wenn er einen Deal nach Hause
bringe, der Kontrollen in Irland zulässt,
aber den Backstop abschafft. Gleichwohl
werde man die Schlussrechnung von 39

Milliarden Pfund nicht zahlen. Die nordiri-
sche DUP signalisiert, man stimme zu,
wenn Johnson ein Zeitlimit für den Back-
stop aushandeln könne – eine Lösung, die
Brüssel ablehnt.
Johnson räumte in Manchester ein, ihm
sei bewusst, dass eine Einigung bald gefun-
den werden müsse. Er sei nach wie vor
„vorsichtig optimistisch“. Und die EU-27?
Prognosen gibt in Brüssel schon lange kei-
ner mehr ab, an die Daueraufregung auf
der Insel hat man sich gewöhnt. „Die Kami-
kaze-Art, mit der die britische Regierung
an das Thema herangeht, haben wir uns
nicht ausgesucht“, seufzt ein hoher EU-Di-
plomat und versichert, alles zu tun, um ei-
nen No-Deal zu verhindern. Den Vorwurf,
für den Leak an RTE verantwortlich zu
sein, weist die EU-Kommission zurück. Es
liege in der Verantwortung Londons, ein
Konzept vorzuschlagen, das alle Ziele des
Backstops erfülle, so eine Sprecherin.
Mit dem Ende des Parteitags öffnet sich
ein Zeitfenster. Im Umfeld von Chefunter-
händler Michel Barnier geht man davon
aus, dass Londons Vorschlag „möglicher-
weise schon am Mittwoch“ eintreffe. Das
Papier werde geprüft und mit der Gegen-
seite beraten. Dann informiere man die

Mitgliedstaaten und das Europaparla-
ment. Für die EU-27 bleibt die zentrale Un-
sicherheit bestehen: Kann der Premier ei-
ne Mehrheit im Unterhaus organisieren?
Sollte Johnson das glauben, so EU-Diplo-
maten, dürfte er Brüssels Position entge-
genkommen, damit ein Deal zum 31. Okto-
ber steht. Ein anderes Szenario geht von ei-
ner harten Linie Johnsons aus; dann wür-
de Brüssel kaum Kompromissbereitschaft
zeigen und abwarten, ob sich Johnson an
die Vorgabe des Unterhauses hält, eine Ver-
schiebung des Austritts zu beantragen,
um den Chaos-Brexit zu vermeiden.
Die Zeit drängt: Der EU-Gipfel beginnt
am 17. Oktober, doch ein nächtliches Rin-
gen zwischen Johnson und Kanzlerin An-
gela Merkel, Frankreichs Präsident Emma-
nuel Macron sowie den 25 anderen Regie-
rungschefs soll es nicht geben. Knapp zwei
Wochen bleiben Zeit, um vor dem Europa-
minister-Rat am 15. Oktober ein Ergebnis
zu erzielen. Die Sorge, dass durch Mini-
Deals die Einheit der EU-27 untergraben
und Irland „unter den Bus“ geworfen wer-
de, weisen Diplomaten zurück: „Die EU
hat als Friedensprojekt begonnen, das wer-
den wir nicht gefährden.“
cathrin kahlweit, matthias kolb

von lea deuber

Hongkong– Mit15 000 Soldaten, 160
Flugzeugen und 580 Panzern hat die Volks-
republik China am Dienstag ihren 70.
Gründungstag gefeiert. Die größte Militär-
parade in der Geschichte des Landes sollte
eigentlich eine Machtdemonstration wer-
den. In einer Limousine stehend nahm Prä-
sident Xi Jinping sie ab. „Es gibt keine
Macht, die die Grundlagen dieser großen
Nation erschüttern kann“, sagte Xi, der
auch Oberkommandierender der Truppen
ist. „Keine Macht kann den Fortschritt des
chinesischen Volkes und der Nation aufhal-
ten.“ Der Präsident rief in seiner Rede am
Platz des Himmlischen Friedens zur Einig-
keit auf und versprach dem Land unter
Führung der Kommunistischen Partei
„noch mehr Wohlstand“.
Überschattet wurden die Feierlichkei-
ten nicht nur vom dichten Smog, der über
der Stadt hing. Was ungewöhnlich ist, weil
die Regierung bereits vor Wochen Betrie-
ben in der Umgebung eine Zwangspause
verordnet hatte, um blauen Himmel zu
garantieren. Schlimmer waren aber die Bil-
der aus der chinesischen Sonderverwal-
tungszone Hongkong, wo erneut Hundert-
tausende durch die Innenstadt und in an-
dere Stadtbezirke zogen. Angekündigt war
der Marsch als ein Protest gegen die „Un-
terdrückung Chinas durch die KP seit
70 Jahren“. Die Menschen bezeichneten

den Nationalfeiertag als Trauertag für
Hongkong und warfen Papiergeld, wie es
bei Trauerfeiern in China üblich ist. Die Be-
hörden hatten die Versammlung zwar ver-
boten. Die Menschen ignorierten diese Ent-
scheidung aber einfach. Im Anschluss an
zunächst friedliche Proteste kam es zu Aus-
schreitungen, die zu den massivsten Kra-
wallen seit Beginn der Protestbewegung
gehört haben dürften.
Erstmals wurde ein Demonstrant auch
mit scharfer Munition angeschossen. Der
junge Mann soll an der Brust getroffen
und in ein Krankenhaus eingeliefert wor-
den sein. Berichten zufolge befand er sich
in einem kritischen Zustand. Mindestens
15 Menschen wurden so schwer verletzt,
dass sie ins Krankenhaus mussten. Die Po-
lizei soll am Dienstag mindestens fünf
Schüsse mit scharfer Munition abgegeben
haben. Zwei Warnschüsse wurden dem-
nach abgefeuert, nachdem Polizisten von
einer Gruppe Demonstranten angegriffen
worden waren. Solche Warnschüsse hatte
es bereits bei vorausgegangenen Demons-
trationen gegeben.
Auf einem in sozialen Netzwerken ge-
teilten Video von dem Vorfall ist eine

Kampfszene zwischen einer Gruppe De-
monstranten und Polizisten zu sehen. Ein
Mann geht mit einer Stange auf einen der
Beamten los, daraufhin feuert der aus
nächster Nähe. Der Demonstrant geht zu
Boden.
Bei Ausschreitungen in mindestens
fünf Stadtteilen blockierten Aktivisten

Straßen, warfen Pflastersteine, legten Feu-
er und warfen Brandsätze. Die Hongkon-
ger Innenstadt zwischen Central und Cau-
seway Bay war über Stunden durch die
Demonstranten besetzt. Das Liaison Of-
fice, die Vertretung der Zentralregierung
in der Stadt, musste von einem massiven
Polizeiaufgebot geschützt werden. Am

Nachmittag setzte die Polizei dort Tränen-
gas, Schlagstöcke und Wasserwerfer ein,
um die Demonstranten zurückzudrängen.
Am Morgen waren Straßen und U-Bahn-
höfe gesperrt. Über 20 der Stationen blie-
ben bis zum Abend geschlossen. Mindes-
tens 6000 Polizisten hielten sich bereit.
Mehrere Einkaufszentren und Hunderte

Geschäfte in der Stadt blieben ge-
schlossen.
An den friedlichen Protestmärschen am
Mittag nahmen Hongkonger jeden Alters
teil. Obwohl der Veranstaltung eine offiziel-
le Genehmigung fehlte und die Teilnahme
dadurch illegal war, ließen sich die Men-
schen nicht aufhalten. Die Polizei hat in
den vergangenen Wochen viele Hongkon-
ger aufgrund der Teilnahme an solchen
Märschen verhaftet. Die Demonstranten
wiederholten ihre fünf Forderungen an die
Hongkonger Regierung. Darunter eine un-
abhängige Untersuchung der Polizeige-
walt und Straffreiheit für die Demonstran-
ten, die in den vergangenen Monaten fest-
genommen wurden. Außerdem wollen die
Hongkonger, dass die Proteste nicht mehr
als Aufstand bezeichnet werden und dass
Peking der Bevölkerung das Recht auf all-
gemeine und freie Wahlen zugesteht.

Auch in Hongkong wurde trotz der Pro-
teste der 70. Jahrestag gefeiert. Wenn auch
notgedrungen deutlich kleiner. Abgerie-
gelt von der Öffentlichkeit fand im Messe-
zentrum der Stadt eine Zeremonie nur für
geladene Gäste statt. Eine Ehrengarde hiss-
te die Nationalflagge an der goldenen
Bauhinien-Statue, einem Wahrzeichen
der Stadt. Zwei Helikopter mit einer chine-
sischen und einer etwas kleineren Hong-
konger Fahne flogen über den Hafen ent-
lang der Hongkonger Skyline. Ursprüng-
lich war wie jedes Jahr ein Feuerwerk
geplant. Das war bereits vor einiger Zeit ab-
gesagt worden.
Regierungschefin Carrie Lam verbrach-
te den Feiertag nicht in der Stadt. Gemein-
sam mit einer großen Delegation war sie
zur Militärparade nach Peking gereist. Mit
Blick auf die Proteste forderte Xi Jinping
dort in seiner Rede „langfristige Stabili-
tät“ und bekräftigte den Grundsatz „Ein
Land, zwei Systeme“, der der Bevölkerung
in Hongkong weitreichende Grundrechte
zusichern soll. Die Schwächung dieser
Rechte durch Peking hatte die Demonstra-
tionen im Sommer erst ausgelöst.
Gleichzeitig sprach Präsident Xi Jin-
ping aber auch mit Blick auf Taiwan von
dem Grundsatz einer „friedlichen Wieder-
vereinigung“. Peking betrachtet die Insel-
republik als einen Teil Chinas. „Der Kampf
für eine vollständige Wiedervereinigung
des Vaterlandes muss fortgesetzt werden“,
sagte der Präsident.  Seite 4

„Wir müssen akzeptieren,
dass die Türkei eine große Last
trägt mit fast vier Millionen
Flüchtlingen und Migranten.“

Seoul –Die Verhandlungen zwischen
Pjöng jang und Washington über das
nordkoreanische Atomprogramm wer-
den wieder aufgenommen. Sie gingen
am 5. Oktober auf Arbeitsebene weiter,
teilte Nordkoreas erste Vize-Außenminis-
terin Choe Son Hui am Dienstag mit. Am



  1. Oktober werde es einen vorbereiten-
    den Kontakt geben. Sie äußerte sich
    optimistisch über das bevorstehende
    Treffen. Wo es stattfinden sollte, sagte
    sie nicht. Monatelang waren beide Sei-
    ten nicht weitergekommen in der Frage,
    wie Sanktionen gegen Nordkorea gelo-
    ckert werden können. ap


10 POLITIK HMG Mittwoch/Donnerstag, 2./3. Oktober 2019, Nr. 228 DEFGH


Back and Stop


Boris Johnson kündigt finale Vorschläge an, wie der Frieden an der irischen Grenze auch nach einem EU-Austritt Großbritanniens garantiert werden kann


„Wir werden strenger sein“


Überbelegte Camps und Unruhen: Griechenlands Vizeminister für Migration erklärt, warum seine Regierung künftig mehr Menschen in die Türkei abschieben will


Brüssel –Janusz Wojciechowski, polni-
scher Kandidat für den Posten des EU-
Agrarkommissars, muss weiter um die
Zustimmung der zuständigen Ausschüs-
se des EU-Parlaments bangen. Seine
Performance bei der Anhörung am
Dienstagnachmittag sei „sehr schwach“
gewesen, und manche Antworten „wirk-
lich merkwürdig“, sagte etwa der öster-
reichische Abgeordnete Herbert Dorf-
mann aus der Fraktion der Christdemo-
kraten. Seine Fraktion, die Sozialdemo-
kraten sowie die Grünen wollen dem
Polen nun schriftlich weitere Fragen
stellen, und dann wieder beraten. In
einem nächsten Schritt könnte Wojcie-
chowski erneut zur Anhörung geladen
werden.kmb


Minsk– Im Ringen um Frieden im
Kriegsgebiet in der Ostukraine haben
die Konfliktparteien eine wichtige Eini-
gung erzielt. Vertreter der ukrainischen
Regierung und der prorussischen Sepa-
ratisten aus Luhansk und Donezk unter-
zeichneten am Dienstag eine Vereinba-
rung über einen Sonderstatus der um-
kämpften Regionen. Damit sei der Weg
frei für ein Gipfeltreffen im so bezeichne-
ten Normandie-Format mit den Staaten
Frankreich, Deutschland, der Ukraine
und Russland, sagte der Ukraines Präsi-
dent Wolodimir Selenskij in Kiew. Ein
Datum für das Treffen solle demnächst
folgen. In der weißrussischen Stadt
Minsk hatte zuvor die Kontaktgruppe
des Konflikts getagt. Die an den Gesprä-
chen beteiligte Organisation für Sicher-
heit und Zusammenarbeit in Europa
teilte mit, dass auch ein weiterer Trup-
penrückzug vereinbart worden sei. dpa


Der irische Vize-Premier
twitterte, das Modell sei
ein „Non-Starter“

Riad –Der Sohn des getöteten saudi-
schen Journalisten Jamal Khashoggi
wirft Gegnern des Königreichs vor, den
Tod seines Vaters missbrauchen zu wol-
len. „Feinde des Heimatlandes“ im Os-
ten und Westen trachteten danach, sei-
nen Fall auszunutzen, schrieb Salah
Khashoggi am Montagabend auf Twit-
ter. Er werde das nicht akzeptieren, wie
es auch sein Vater nicht getan hatte. Er
habe „volles Vertrauen“, dass die saudi-
sche Justiz die Täter zur Rechenschaft
ziehe. Der regierungskritische Journalist


Jamal Khashoggi(FOTO: AP) war an diesem
Mittwoch vor einem Jahr im saudischen
Konsulat in Istanbul von einem Mord-
kommando aus Riad getötet worden. Die
Organisation Reporter ohne Grenzen
fordert Saudi-Arabien auf, eine unabhän-
gige internationale Untersuchung des
Verbrechens zuzulassen.dpa Seite 4


Hören Sie zu diesem Thema
auchden Podcast.
 sz.de/nachrichtenpodcast

So wurde der chinesische Nationalfeiertag in Hongkong begangen: Die Proteste starteten friedlich, später kam es zu
schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. FOTO: ISAAC LAWRENCE/AFP

Smog und Tränengas


China feiert den 70. Gründungstag mit viel Militär und Versprechen von
„noch mehr Wohlstand“. In Hongkong eskalieren derweil die Proteste

Regierungschefin Carrie Lam
verbrachte den Nationalfeiertag
nicht in der Stadt

Polnischer Kandidat wackelt


Einigung zu Ostukraine


Kritik von Khashoggis Sohn


Wieder Atomverhandlungen


AUSLAND


Erstmals wurde ein
Demonstrantmit scharfer
Munition angeschossen
Free download pdf