Süddeutsche Zeitung - 02.10.2019

(avery) #1
von claudia henzler

Friedrichshafen– DerWeg zum Boden-
see führt in diesen Tagen durch ein Meer
leuchtend roter Äpfel. Die reifen Früchte
hängen an Tausenden schmalen Bäum-
chen, die dicht gepflanzt in ordentlichen
Reihen die Straßen des Nordufers säumen.
Der Bodenseekreis und seine Umgebung
sind eines der wichtigsten Obstanbauge-
biete Deutschlands: Jeder vierte heimi-
sche Apfel kommt von hier. Doch während
die Ernte in vollem Gange ist, befürchten
nicht wenige Obstbauern, dass ihnen bald
die letzte Anbausaison bevorsteht. Die
Landwirte sehen ihre geschäftliche Exis-
tenz durch das Artenschutz-Volksbegeh-
ren „Rettet die Bienen!“ akut gefährdet.
Weil die Initiatoren sechs Monate Zeit ha-
ben, zehn Prozent Unterstützung zusam-
menzubekommen, ist der Erfolg des Be-
gehrens sehr wahrscheinlich.


Die Stimmung ist so aufgeheizt, dass
die Firma Vaude, ein bekanntes Unterneh-
men für Outdoorbekleidung mit Sitz im
Bodenseekreis, kürzlich entschieden hat,
sich aus dem offiziellen Unterstützerkreis
zurückzuziehen. Die Firma ist in der Ge-
gend so hoch angesehen, dass Obstbauern
das Vaude-Logo auf dem Volksbegehren
wie einen Verrat empfanden und einzelne
sogar Vaude-Produkte verbrannten.
Unternehmensleiterin Antje von De-
witz, 47, hat sich schon vor Jahren der Ge-
meinwohlökonomie verschrieben und in
ihrem eigenen Verantwortungsbereich vie-
le Veränderungen durchgesetzt, die unter
anderem mit dem Deutschen Nachhaltig-
keitspreis und dem Verdienstorden des
Landes Baden-Württemberg gewürdigt
wurden: Geringere Umweltbelastungen
und soziale Verbesserungen bei der Textil-
produktion in Asien zum Beispiel, eine kli-
maneutrale Firmenzentrale in Tettnang
bei Friedrichshafen. Die Ziele des Volksbe-
gehrens hält von Dewitz nach wie vor für
sinnvoll – nach ausführlichen Gesprächen
will sie den Landwirten aber auch nicht
absprechen, dass ihre Ängst berechtigt
sind. „Wir möchten als Unternehmen in
unserem Einsatz für mehr Natur- und Ar-
tenschutz nicht auf den Gesetzestext zum


Volksbegehren reduziert werden“, hat von
Dewitz auf ihrer Homepage posten lassen.
„Ja, es ist wichtig, dass Veränderungen in
der Landwirtschaft eingeleitet werden.
Diese müssen aber gut durch die Landes-
regierung begleitet werden.“
Martina Biegger ist eine der jungen Obst-
bäuerinnen vom Bodensee, die ihre Mitbür-
ger auf großen Plakaten auf ihren Feldern
darum bitten, das Volksbegehren nicht zu
unterschreiben. Mit 28 Hektar Anbauflä-
che ist ihr Betrieb recht typisch für die fa-

miliär geprägte landwirtschaftliche Struk-
tur am Bodensee. Biegger stört sich am ge-
planten Pestizidverbot: Die Initiative Pro
Biene will – anders als beim bayerischen
Volksbegehren – ein Verbot von Pflanzen-
schutzmitteln auf allen landwirtschaftli-
chen Flächen durchsetzen, wenn sich diese
in einem Schutzgebiet befinden. Es soll
zwar Ausnahmen geben, aber der Gesetz-
entwurf lässt völlig offen, wo welche Mittel
zugelassen werden könnten. Beim Start
der Unterschriftensammlung vor einer Wo-

che sagten die Initiatoren, die unter ande-
rem vom Bund für Umwelt- und Natur-
schutz (BUND) und den Bio-Anbauverbän-
den Demeter und Naturland unterstützt
werden, bei diesem Punkt erhoffe man
sich „ein gutes Begleitgesetz“ von der Lan-
desregierung – eventuell könne man sich
ja an den europäischen Richtlinien für den
Ökolandbau orientieren.
Ministerpräsident Winfried Kretsch-
mann (Grüne) hat schon angekündigt, dass
er das Pestizidverbot in dieser Form verhin-

dern will, auch wenn er durchaus für mehr
Artenschutz sei. Selbst Ökobauern aus der
Grünen-Fraktion sehen den entsprechen-
den Paragrafen kritisch, nach dem Motto:
Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Nun
will sich die Landesregierung bemühen,
ihn in einem Ausführungsgesetz „praxis-
tauglich“ zu gestalten – alternativ könnte
sie einen Gegenentwurf vorlegen.
Sollte sie bald nicht mehr spritzen dür-
fen, sagt Biegger, müsse sie den Obstbau
aufgeben. „Ohne Pflanzenschutz geht’s

nicht.“ Fast drei Viertel ihrer Anlagen lie-
gen im Landschaftsschutzgebiet. Mit ih-
rem Mann leitet Biegger einen Betrieb für
Apfel- und Hopfenanbau bei Meckenbeu-
ren – in neunter Generation. Dass sie den
Hof von ihren Eltern übernimmt, war für
die heute 32-Jährige nicht immer klar. Sie
hat erst Maschinenbau studiert und in der
Industrie gearbeitet, bevor sie sich ganz be-
wusst entschied, zur Landwirtschaft zu
wechseln. Ein Entschluss, der mit Risiken
verbunden ist. Die Bieggers haben kräftig
in ihre Plantagen investiert – im Vertrauen
darauf, dass sich ihre Geschäftsgrundlage
nicht völlig ändern würde.

Martina Biegger und ihr Mann arbeiten
konventionell-integriert: „Wir wirtschaf-
ten nach dem Schadschwellenprinzip: Erst
wenn es nicht anders geht, wird Pflanzen-
schutz eingesetzt. Und nur so viel wie unbe-
dingt notwendig.“ Die Mittel wirkten ex-
trem selektiv, wie Martina Biegger am Bei-
spiel der Gemeinen Spinnmilbe schildert:
„Wenn ich gegen die Milbe spritze, da lacht
mich die Blattlaus aus.“ Und gegen Pilze,
die einen dicken Schorf auf der Schale von
Äpfeln verursachen, gebe es nun mal keine
natürlichen Gegner. „Das ist genauso läs-
tig wie Fußpilz. Da brauchst du auch eine
Creme.“ Selbst Biobauern kommen gegen
den Schorfpilz nicht ohne Pflanzenschutz
aus – sie verwenden dafür eine Kupfer-
und Schwefellösung, die deutlich häufiger
aufgebracht werden muss als die syntheti-
schen Fungizide. Einige Öko-Landwirte
befürchten nun, dass sie die Menge nach
dem Volksbegehren begrenzen müssen.
Auf ihrem Mobiltelefon kann Martina
Biegger auf ein Programm zugreifen, in
dem sie genau dokumentiert, welche Par-
zelle sie auf welche Art behandelt hat – und
wie dabei die Windverhältnisse waren. Sie
muss zu Beginn der Saison auswählen, wel-
che Substanzen sie einsetzen will, damit
ihr der Handel die Ernte auch abnimmt:
„Wir dürfen maximal vier Wirkstoffe ver-
wenden.“ Ihre Äpfel reicht sie ganz ohne
Bedenken direkt vom Baum zum Verzehr.
Von den 4000 Obstbauern in Baden-
Württemberg arbeiten nur etwa zehn Pro-
zent ökologisch. Für Martina Biegger
kommt ein Umstieg nicht infrage. Erstens
hält sie das, was sie tut, für sinnvoll und
nachhaltig, zweitens ist der Markt für Öko-
produkte klein und durch billige Konkur-
renz aus Polen unter Druck. Das ist ein wei-
terer Grund, weshalb manche Biobauern
das Begehren kritisch sehen. Sie haben ei-
nen geringeren Ertrag bei höherem Auf-
wand, was durch höhere Preise ausgegli-
chen werden muss. Eine massenhafte Um-
stellung auf Ökolandbau wäre für sie eine
Bedrohung – sofern nicht viel mehr Leute
auf Bioprodukte umsteigen als für das Bie-
nenvolksbegehren unterschreiben.

Bisher erhielten Heime
bundesweit im Schnitt
die Schulnote 1,2 –
trotz vieler Mängel.

Berlin –Die Bundesregierungwill bis
zum Jahr 2023 rund 54 Milliarden Euro
zusätzlich für den Klimaschutz ausgeben.
Das geht aus dem Ergänzungshaushalt
hervor, den das Kabinett in seiner Sitzung
an diesem Mittwoch auf den Weg bringen
will. Zugleich hält Finanzminister Olaf
Scholz (SPD) am Ziel des ausgeglichenen
Haushalts für die nächsten Jahre fest.
„Wir wollen dafür keine neuen Schulden
aufnehmen“, hieß es am Dienstag im Mi-
nisterium mit Blick auf die Klimaschutz-
maßnahmen. Bis zum Jahr 2030, wenn
die Klimaziele des Pariser Abkommens
eingehalten werden sollen, könnten sich
die Gesamtausgaben nach vorsichtigen
Schätzungen im Finanzministerium auf
bis zu 150 Milliarden Euro belaufen.
Der höchste Anteil der Gegenfinanzie-
rung soll aus der von der großen Koalition
verabredeten Bepreisung von Kohlendi-
oxid kommen, die 2021 bei zehn Euro pro
Tonne beginnen und schrittweise anstei-
gen soll. Das Finanzministerium rechnet
dabei in den ersten drei Jahren mit Erlö-
sen von insgesamt fast 19 Milliarden Eu-
ro. Hinzu kommen Einnahmen aus dem
bereits bestehenden Handel mit Emissi-
onszertifikaten sowie für 2020 und 2021
die Verwendung von in der Vergangenheit
bereitgestellten, aber nicht abgerufenen
Mitteln, die sich zu einer Rücklage von
rund acht Milliarden Euro angesammelt
haben.
Der Großteil der Mittel für den Klima-
schutz findet sich im sogenannten Ener-
gie- und Klimafonds (EKF), dessen Wirt-
schaftsplan Teil der Kabinettsvorlage ist
und bis 2023 Ausgaben vor allem für För-
derprogramme in Höhe von fast 39 Milli-
arden Euro vorsieht. Die restlichen 15 Mil-
liarden Euro für den Klimaschutz sind
steuerliche Entlastungen oder Förder-
maßnahmen, die im normalen Haushalt
gebucht werden. Dazu zählt neben der
Erhöhung der Pendlerpauschale zum Bei-
spiel die Senkung des Mehrwertsteuersat-
zes für Bahnreisen, die wiederum mit Ein-
nahmen aus einer Erhöhung der Luftver-
kehrssteuer gegenfinanziert werden soll.

Der Ergänzungshaushalt ist notwen-
dig, weil der reguläre Haushalt bereits
vom Kabinett verabschiedet und in erster
Lesung vom Bundestag behandelt wor-
den war, bevor die Koalition sich am


  1. September auf ein Klimaschutzpaket
    verständigte. Für einen Ergänzungshaus-
    halt gilt ein beschleunigtes Verfahren, den-
    noch muss die Bundesregierung sich nun


sputen, um die gesetzlichen Fristen einzu-
halten. Die Verabschiedung des Haushalts
für 2020 im Bundestag steht in der letzten
Novemberwoche an. Verbindlich sind
dann allerdings nur die Planungen für das
Jahr 2020. Der Finanzplan für drei weite-
re Jahre kann sich noch verändern. Sollte
zum Beispiel in den Verhandlungen mit
dem Bundesrat, wo auch die Grünen über
zahlreiche Landesregierungen Einfluss
nehmen können, ein höherer Einstiegs-
preis je Tonne Kohlendioxid beschlossen
werden, müssten die zu erwartenden Ein-
nahmen des EKF ab 2021 entsprechend
nach oben korrigiert werden.

Der Ergänzungshaushalt und der Wirt-
schaftsplan des EKF benennen bislang
nur die Volumina der Ein- und Ausgaben.
Genauere Angaben zur Ausgestaltung ein-
zelner steuerlicher Maßnahmen enthal-
ten sie noch nicht. So gibt es bislang weder
Festlegungen über die künftige Staffe-
lung der Luftverkehrssteuer, noch liegt
ein endgültiges Modell für die Verände-
rung der Kraftfahrzeugsteuer vor, die
künftig den Ausstoß von Kohlendioxid
stärker belasten soll.
Die höchsten Ausgaben allein aus dem
EKF sind zwischen 2020 und 2023 in den
Bereichen Gebäudesanierung (insgesamt
rund 14 Milliarden) und Verkehr (rund
zwölf Milliarden Euro) geplant. Damit die
Mittel besser abgerufen werden als bis-
her, sollen die Förderprogramme attrakti-
ver und zum Teil zeitlich befristet werden.
Das gilt zum Beispiel für die Förderung
des Austauschs von Ölheizungen gegen
klimafreundlichere Modelle mit bis zu
40 Prozent der Kosten. nico fried

Berlin– Ein Pflegeheim hat gravierende
Mängel in der Schmerztherapie und be-
kommt dennoch die Gesamtnote eins,
weil der gute Speiseplan die schlechte
Schmerzbehandlung ausgleicht. Solche
Szenarien waren mit dem Pflege-TÜV
noch gängige Praxis. Mit dem neuen Qua-
litäts- und Prüfsystem, das am Dienstag
vom Spitzenverband der Gesetzlichen
Krankenversicherungen (GKV) in Berlin
vorgestellt wurde, soll sich das nun än-
dern. Im Vordergrund soll künftig die Fra-
ge stehen, wie gut es einem Heim gelingt,
auf die Bedürfnisse seiner Bewohner ein-
zugehen. Und Pflegebedürftige und ihre
Angehörigen sollen besser erkennen kön-
nen, welche Qualität ein Pflegeheim hat.
Mit der Vorstellung am Dienstag trat
das neue System in Kraft – es soll das alte
nun schrittweise ersetzen. Darüber, dass
eine Änderung überfällig ist, waren sich
Sozialverbände und Pflegekassen bereits
lange Zeit einig. Die externen Prüfer be-
werteten die Einrichtungen bisher mit
Blick auf verschiedene Kriterien, die alle
gleich gewichtet wurden; der Speiseplan
zählte folglich genauso viel wie die Medi-
kamentenvergabe. Die Noten der Pflege-
heime fielen in den allermeisten Fällen
„sehr gut“ aus.
Das neue System soll deutlich differen-
zierter sein. „Die Verbraucherinnen und
Verbraucher bekommen künftig eine Fül-
le von Informationen über die Versor-
gungsqualität und die Ausstattung der
Einrichtungen“, sagte Monika Kücking,
die Leiterin der Abteilung Gesundheit
beim GKV Spitzenverband, bei der Vorstel-
lung. Eine von drei Säulen in der Bewer-
tung sind ihr zufolge die Überprüfungen
von externen Gutachtern des Medizini-
schen Diensts der Krankenkassen (MDK).
Sie besuchen jede Einrichtung einmal im
Jahr. Pro Heim greifen sie neun Bewohner
stichprobenartig heraus. Sie führen mit

ihnen persönliche Gespräche und beurtei-
len deren Pflegezustand. Mit dem Pflege-
personal führen sie zudem ein Fachge-
spräch, bei dem sie bei Bedarf Verbesse-
rungshinweise geben. „Wir prüfen nicht
mehr einzelne Kriterien, sondern bewer-
ten die Qualität der Versorgung anhand
von Leitfragen“, sagte Peter Pick, der Ge-
schäftsführer des Medizinischen Diensts
des Spitzenverbandes der Krankenkas-
sen.
Hinzu kommen die internen Qualitäts-
prüfungen der Pflegeeinrichtungen. Sie
müssen fortan halbjährlich interne Quali-

tätsdaten bei ihren Bewohnern erheben,
beispielsweise wie mobil und selbständig
sie sind, und an eine unabhängige Stelle
zur Auswertung weiterleiten. Drittens lie-
fern die Einrichtungen Infos über ihre
Ausstattung oder Möglichkeiten der All-
tagsgestaltung. Veröffentlicht werden die
Daten später in den Online-Portalen der
Pflegekassen. Erste Ergebnisse sollen Mit-
te 2020 erscheinen; bis Ende 2020 soll für
jedes der 13 000 Pflegeheime in Deutsch-
land eine Bewertung vorliegen.
Aus der Politik kamen am Dienstag
überwiegend positive Reaktionen auf den
Systemwechsel. „Das neue Modell ist ein
deutlicher Fortschritt gegenüber dem vor-
herigen, weil es den Blickwinkel auf die Si-
tuation in den Heimen verändert. Es ste-

hen jetzt die Versorgungsqualität und die
gesundheitliche Situation der zu Pflegen-
den im Mittelpunkt“, sagte etwa Heike
Baehrens, die Pflegebeauftragte der SPD
im Bundestag. Auch Kordula Schulz-
Asche, die Grünen-Sprecherin für Pflege-
politik im Bundestag, begrüßte die Ent-
scheidung. „Wir halten es für richtig, dass
jetzt der Pflegebedürftigkeitsbegriff als
Grundlage für die Bewertung genommen
wird, und dass man nicht mehr die Quali-
tät der Dokumentation prüft, sondern die
Qualität der Pflege.“
Der Sozialverband VdK, der das neue
System mit ausgearbeitet hat, zeigte sich
ebenso zufrieden. Ines Verspohl, Abtei-
lungsleiterin „Sozialpolitik“, bezeichnete
die Umstellung als „großen und wichti-
gen Schritt“. Allerdings müsse das System
fortentwickelt werden, insbesondere was
die Einbeziehung der Lebensqualität der
Pflegebedürftigen angehe. Außerdem
sollten Meinungen von Ärzten und Ange-
hörigen in die Bewertungen miteinflie-
ßen. Kritik kam indes auf, weil das neue
System keine rasche Beurteilung liefere.
Die Bewertungen der Heime werden laut
Monika Kücking „zweistellige Seitenzah-
len“ haben. Die pflegepolitische Spreche-
rin der FDP-Fraktion, Nicole Westig, die
einen Wechsel generell begrüßt, forderte:
„Die neuen Qualitätsberichte sind sehr
umfangreich und komplex. Wir brauchen
einfachere und kompaktere Darstellun-
gen.“ benjamin emonts  Seite 4

Obstbäuerin Martina Biegger
fürchtet um die Zukunft ihres
Unternehmens.FOTO: CLAUDIA HENZLER

Berlin –Im Fall des Mordes an einem
Tschetschenen in Berlin sind weitere Indi-
zien aufgetaucht, die auf eine Beteiligung
Russlands deuten könnten. Nach einem
Bericht der WochenzeitungDie Zeitwur-
de der mutmaßliche Mörder kurz nach
der Tat von zwei russischen Diplomaten
im Gefängnis besucht. Die beiden Russen
sollen sich ausführlich mit dem Verdäch-
tigen unterhalten haben. Das Gespräch
fand auf Russisch und ohne Aufsicht
statt. Nach dem Übereinkommen über
diplomatische Beziehungen ist diese
Betreuung erlaubt. Eine so schnelle und
intensive Reaktion gilt aber als unge-
wöhnlich.
Die Ermittlungen zur Tatwaffe erga-
ben nach Informationen der Zeitung,
dass die Pistole der Marke Glock 1986
von Österreich nach Estland verkauft
wurde, in den Einflussbereich der damali-
gen Sowjetunion. Später wurde der Lauf
der Waffe ausgetauscht, womöglich, um
Spuren zu verwischen. Die Polizei soll da-
von ausgehen, dass dem Verdächtigen
die Waffe auf dem Weg von Warschau
nach Berlin übergeben wurde. Die Berli-
ner Staatsanwaltschaft äußerte sich
zunächst nicht. Der Russe wird dringend
verdächtigt, am 23. August den 40-jähri-
gen Tschetschenen mit georgischer
Staatsangehörigkeit in einem kleinen
Park in Berlin-Moabit erschossen zu
haben. Das Opfer soll Anfang der 2000er-
Jahre gegen Russland gekämpft haben.
DerSpiegelhatte berichtet, dass russi-
sche Behörden aktiv bei der Schaffung
der falschen Identität des mutmaßlichen
Mörders mitgewirkt haben sollen. Dar-
auf sollen Sperrvermerke in der Daten-
bank für nationale russische Ausweis-
papiere hindeuten. Die Nummer des fal-
schen Reisepasses soll zu einer Abteilung
im russischen Innenministerium führen,
die in der Vergangenheit Dokumente für
den Militärgeheimdienst GRU ausstellte.
Ein russischer Regierungssprecher
sagte: „Dieser Fall hat natürlich nichts
mit dem russischen Staat und seinen Be-
hörden zu tun.“ Deutsche Politiker hatten
zuletzt Konsequenzen gefordert. Die FDP
beantragte, dass der Bundestagsinnen-
ausschuss sich am 16. Oktober mit dem
Fall beschäftigen soll. Die Bundesanwalt-
schaft in Karlsruhe verfolgt die Ermittlun-
gen nach eigenen Angaben seit Wochen.
Nach der gesetzlichen Grundlage ist die
Bundesanwaltschaft dann zuständig,
wenn es den konkreten Verdacht gibt,
dass hinter einer Tat der Geheimdienst ei-
ner fremden Macht stehen könnte. dpa


„Da lacht mich die Blattlaus aus“


Dasbaden-württembergische Volksbegehren für Artenvielfalt fordert den Verzicht auf Pestizide in allen
Schutzgebieten. Apfelbauern sehen darin eine existenzielle Bedrohung, und sogar Grüne sind skeptisch

Die erhobenen Daten werden
in den Online-Portalen
der Pflegekassen veröffentlicht

Milliarden fürs Klima


Vor allem der CO2-Preis soll neue Schulden verhindern


Ende der Bestnoten


NeuerPflege-TÜV soll Qualität von Heimen differenzierter bewerten


Alter Pflege-TÜV

Neue Steuern für Autos
und denLuftverkehr
sind noch nicht geregelt

Schneller Besuch


im Gefängnis


Russische Diplomaten sprachen
wohl mit mutmaßlichem Mörder

Selbst Biobauern kommen
gegen den Schorfpilz nicht ohne
Pflanzenschutz aus

8 POLITIK HF2 Mittwoch/Donnerstag, 2./3. Oktober 2019, Nr. 228 DEFGH


Jeder vierte deutsche Apfel stammt von Bäumen in Bodensee-Nähe. Wegen des Volksbegehrens ist die Stimmung in der Region aufgeheizt. FOTO: JOHANNES SIMON/GETTY

Mensch im Mittelpunkt: Der neue Pflege-TÜV soll besser auf den Gesundheitszu-
stand von Heimbewohnern eingehen. FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA

Bis 2030 rechnet sein Haus mit etwa
150 Milliarden für den Klimaschutz:
Finanzminister Olaf Scholz. FOTO: DPA
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