Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1
Catrin Bialek Düsseldorf

E


s ist ein weitreichendes
Urteil – vor allem für die
Werbeindustrie: Internet-
nutzer müssen beim Be-
such von Webseiten ei-
ner Speicherung von Cookies aktiv
zustimmen. Das hat der Europäische
Gerichtshof (EuGH) am Dienstag ent-
schieden. Damit stärken die Richter
die Datensouveränität der Nutzer.
„Die bisher übliche Praxis, mit ei-
nem einfachen Klick das Setzen von
Cookies zu bestätigen, ist damit pas-
sé“, sagte der Datenschutzexperte
Christoph Ritzer von Norton Rose
Fulbright in Frankfurt. „Betreiber
von Internetseiten müssen ihr Vorge-
hen überprüfen, um künftig wirksa-
me Einwilligungen der Nutzer einzu-
holen. Damit ist ein ziemlich großer
Aufwand verbunden.“ Zudem müss-
ten Unternehmen damit rechnen,
dass sie von einem erheblichen Teil
der Nutzer praktisch keine Einwilli-
gung mehr erhalten werden.
Im vorliegenden Fall hatte die
deutsche Planet49 GmbH ein Ge-
winnspiel zu Werbezwecken veran-
staltet. Die Anmeldeseite enthielt un-
ter anderem ein Kästchen, das be-
reits mit einem Häkchen versehen

war, womit der Nutzer in das Setzen
von Cookies auf seinem Computer
einwilligte. Das Häkchen konnte je-
doch auch entfernt werden (Opt-out-
Verfahren). Der deutsche Bundesver-
band der Verbraucherzentralen hält
dieses Vorgehen für unzulässig und
verklagte Planet49 auf Unterlassung.
Eigentlich sollten die Kästchen leer
sein und erst von dem Nutzer mit ei-
nem Haken versehen werden (Opt-in-
Verfahren). Der EuGH stellte nun
klar: Mit dem konkreten Vorgehen
der Planet49 GmbH würde der Nut-
zer seine Zustimmung nicht wirksam
erteilen. Der Nutzer solle vor jedem
Eingriff in seine Privatsphäre ge-
schützt werden. „Ein voreingestelltes
Ankreuzkästchen genügt nicht.“
Die Richter meinten, es mache
„keinen Unterschied, ob es sich bei
den im Gerät des Nutzers gespeicher-
ten oder abgerufenen Informationen
um personenbezogene Daten han-
delt oder nicht“. Diensteanbieter
müssten dem Nutzer klar mitteilen,
welche Cookies für welche Zwecke
und welche Dauer benutzt werden.
Für die Werbewirtschaft sind die
Cookies von großem Wert. Zum ei-
nen speichern die Dateien, die auf

den Rechnern der Nutzer hinterlegt
werden, Informationen über das
Surfverhalten. Mit diesen Erkenntnis-
sen soll Werbung zielgenauer ausge-
spielt werden. Zum anderen spei-
chern sie Veränderungen auf Websei-
ten ab, etwa in Warenkörben.
Beim Branchenverband Bitkom
stieß das Urteil auf Kritik. Hauptge-
schäftsführer Bernhard Rohleder
sprach am Dienstag von einer „er-
neuten Mehrbelastung für unzählige
Webseitenbetreiber“. Cookies kön-
nen künftig nicht mehr mit einem
Hinweis an den Nutzer automatisch
gesetzt werden, sondern erfordern
seine ausdrückliche Zustimmung.
„Auch für die Nutzer wird das Surfen
im Netz umständlicher“, sagte Rohle-
der. „Wer weiterhin den Komfort von
Cookies genießen möchte, muss da-
für ausdrücklich eine Einwilligung er-
teilen – mit zusätzlichen Klicks.“
Cookies sind bei Nutzern umstrit-
ten: In einer Bitkom-Studie gaben 54
Prozent der Befragten an, Cookies in
ihren Browser-Einstellungen zu lö-
schen. Vier von zehn Nutzern zeigten
sich genervt von Cookie-Bannern.

> Kommentar Seite 31

Datenschutz


Cookies nur bei


Einwilligung


Der EuGH stärkt die Rechte der Verbraucher. Sie müssen ausdrücklich


zustimmen, wenn Werbefirmen ihr Surfverhalten verfolgen wollen.


Das Cookie-Problem:
Anbieter müssen klar
sagen, welche Cookies
für welche Zwecke und
welche Dauer benutzt
werden.

imago/Photocase,

Unternehmen


müssen damit


rechnen, dass


sie von einem


erheblichen Teil


der Nutzer


praktisch keine


Einwilligung


mehr erhalten.


Christoph Ritzer
Datenschutzexperte

Health-i-Award

Smarte Apps


für die


Gesundheit


Maike Telgheder Hamburg


E


in mobiler Coach, der hel-
fen soll, Handysucht zu ver-
hindern, digitale Etiketten
für Arzneimittel und eine Plattform
zur Organisation von Patienten-
transporten – die Palette der Ideen
für eine smarte Gesundheitsversor-
gung ist breit. Das zeigen in diesem
Jahr erneut die 168 Einreichungen
zum Health-i-Award von Handels-
blatt und der Krankenkasse „Die
Techniker“.
„Es mangelt nicht an guten Ideen
und Pionieren in diesem Land“, sagt
Handelsblatt-Chefredakteur Sven
A fhüppe. „Sie benötigen aber mehr
Öffentlichkeit, damit sie vorankom-
men. Deshalb freuen wir uns, mit
dem Health-i- Award in diesem Jahr
zum vierten Mal besondere Talente
und Geschäftsideen für eine smarte-
re Gesundheitsversorgung auszeich-
nen zu können.“
Neun Bewerber haben es in die
Endrunde geschafft. Wer von ih-
nen den Health-i-Award 2019 be-
kommt, wird am 7. November bei
der Preisverleihung in Berlin be-
kanntgegeben.


Bedarf an innovativen
und digitalen Lösungen
wächst


Die siebenköpfige Expertenjury
um Handelsblatt-Chefredakteur
A fhüppe und Marketingleiter An-
dreas Bündert von der Techniker
Krankenkasse wählte jeweils drei
Finalisten in den Kategorien Junge
Talente, Start-ups und Unterneh-
men aus. Eine Vorauswahl nach
wissenschaftlichen Kriterien hatten
Experten des Uniklinikums Essen
unter der Leitung von Klinikchef
Jochen Werner getroffen.
„Auch in diesem Jahr konnten
wir aus vielen kreativen, innovati-
ven und unkonventionellen Ideen
auswählen“, zieht TK-Marketinglei-
ter Bündert ein positives Fazit der
diesjährigen Bewerbungsrunde.
Der Bedarf an innovativen, digita-
len Lösungen im Gesundheitswe-
sen bleibe weiterhin hoch, so Bün-
dert.
Die Shortlist zeigt, dass es bei den
innovativen Ideen für die Gesund-


heitsversorgung längst nicht mehr
nur um Angebote für den Patienten
geht. Der wissenschaftliche Partner
Professor Werner hat bei der Sich-
tung der Einreichungen festgestellt,
dass sich viele Bewerber detailliert
mit den Prozessen im Gesundheits-
wesen auseinandersetzen wollen.
„Nur so werden wir nachhaltige Ver-
änderungen erzielen können, eben
weil bei diesem Ansatz die menschli-
chen Belange stark in den Vorder-
grund gerückt werden“, sagt Wer-
ner.


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MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
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