Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1
„In diesem konkreten Fall
ist es eine besonders
schwierige Situation.“
Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister,
über die Prüfung eines Kredits für die
Deutschlandtochter des insolventen
Reiseveranstalters Thomas Cook

„Wir erwarten, dass auch nach
20 21 noch Brexit-Banker
kommen.“
Gertrud Traud, Chefvolkswirtin Helaba,
rechnet mit etwa 3 500 zusätzlichen
Bankjobs in Frankfurt durch einen Brexit.

D


er Empörungsfaktor ist gesichert: sechs Millio-
nen Euro Abfindung für nur ein Jahr als Vor-
standsvorsitzender eines Unternehmens. Und
das auch noch bei Thyssen-Krupp, dem angeschlagenen
Ruhrkonzern, der eigentlich jeden Euro braucht, um
seine Zukunft zu sichern. Guido Kerkhoff ist seit dem



  1. Oktober nicht mehr Chef des Essener Unternehmens.
    Er widersetzte sich den Vorstellungen der Eigentümer
    und wurde gefeuert.
    Aus Sicht des 51 Jahre alten Managers lässt sich die
    mit dem Aufsichtsrat ausgehandelte Abfindung erklä-
    ren. Als Thyssen-Krupp-Finanzvorstand wurde Kerkhoff
    geradezu gedrängt, den Chefposten zu übernehmen. Es
    fand sich kein Nachfolger für seinen Vorgänger Hein-
    rich Hiesinger, der ebenfalls mit den Investoren im
    Clinch lag und im Juli 2018 selbst gekündigt hatte. Kurz-
    um: Kerkhoff hat sich den Wechsel auf den Schleuder-
    sitz vergolden lassen. Wer will ihm das vorwerfen?
    Aus Sicht der Belegschaft ist das allerdings ein Af-
    front. Die Mitarbeiter bangen seit Jahren um ihre Jobs,
    weil das ewige strategische Hin und Her enorme Risi-


ken für die Zukunft des Unternehmens birgt. Aus Sicht
des Unternehmens sind sechs Millionen wiederum Pea-
nuts, bei Thyssen-Krupp geht es um Milliarden.
Trotzdem ist Kerkhoffs Abfindung einmal mehr ein
Grund dafür, die Abschaffung dieser unseligen finan-
ziellen Abschiede zu fordern. Denn die Begründung,
damit würden persönliche Risiken abgesichert, ist ad
absurdum geführt. Manager, die durch ihre Führungs-
positionen zu Millionären geworden sind, müssen nicht
mehr abgefunden werden, wenn es schiefgeht. Dabei
sollte es völlig gleichgültig sein, ob die Vorstände raus-
geworfen werden oder selbst das Handtuch werfen. Da
muss nichts mehr abgesichert werden. Abfindungen
sind nur noch goldene Fallschirme.
Natürlich: In den meisten Fällen geht es mit rechten
Dingen zu. Selbst Hiesinger oder ein Jahr zuvor Bahn-
Chef Rüdiger Grube bekamen Geld hinterhergeworfen,
obwohl sie selbst gekündigt hatten. Formal hat das alles
seine Ordnung. Mal sind es Sondervereinbarungen mit
den Managern wie im Fall Thyssen-Krupp. Mal dauert
die Vertragsauflösung, und so lange werden die Vor-
stände dann eben bezahlt: siehe Grube. Sogar die Boni
und Tantiemen werden theoretisch angesetzt – natür-
lich zu 100 Prozent oder mit dem Zielwert.
Diese Praxis der juristischen Vertragsaufhebungs-
akrobatik ist weitverbreitet. Sie unterläuft anerkannte
Regeln der guten Unternehmensführung. Und die lau-
ten: Abfindungsdeckel bei zwei Jahresvergütungen und
keine Zahlungen bei Kündigung durch den Vorstand
selbst. Noch einfacher und besser wäre es, Abfindun-
gen generell auf den Index zu stellen.

Abfindungen


Kappt goldene Fallschirme!


Vorstände, die wie bei
Thyssen-Krupp über Jahre
Millionen verdient haben, müssen
nicht abgefunden werden, meint
Dieter Fockenbrock.

Der Autor ist Chefkorrespondent im Ressort
Unternehmen & Märkte. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Es sollte


völlig


gleichgül-


tig sein, ob


Vorstände


rausgewor -


fen werden


oder selbst


das Hand -


tuch werfen.


dpa, AFP, Foto Vogt GmbH/Euroforum

Datenschutz


Ein kleines


Stück Hoheit


V


ielen Internetnutzern war
die Existenz von Cookies
lange verborgen geblieben.
Sie wussten nicht, dass Webseiten-
betreiber kleine Programme auf ih-
ren Rechnern hinterlegten, die ihr
Surfverhalten im Netz aufzeichne-
ten und für Werbezwecke aufberei-
teten. Die Unternehmen brauchten
diese Informationen, denn mit ih-
nen konnten sie die Webseiten indi-
viduell nach den Bedürfnissen der
Nutzer gestalten, den Warenkorb si-
chern oder auch Reklame auf den
Werbebannern anzeigen, die zu
den Produkten passten, die der
Nutzer zuvor im Netz gesucht hatte.
Man könnte sagen: Die Cookies
sorgten für eine Win-win-Situation.
Allerdings hatten sie einen ent-
scheidenden Makel: Die Firmen
wussten, was sie taten – die Nutzer
meist nicht. Das hat sich in den ver-
gangenen Jahren gründlich geän-
dert. Immer mehr Nutzer machen
sich darüber Gedanken, wohin ihre
Daten wandern. Sie fordern die Ho-
heit über ihre Daten zurück.
Der Europäische Gerichtshof gibt
den Nutzern nun ein Stück Hoheit
und Klarheit zurück. Er entschied
am Dienstag, das Unternehmen kei-
ne Cookies ohne Einwilligung der
Nutzer installieren dürfen. Websei-
tenbetreiber müssen die Nutzer
deutlich ausführlicher über die
Sammlung von Nutzerdaten und die
Verwendung von Cookies informie-
ren, als sie das heute tun. Das ist
ein Schritt in die richtige Richtung
auf dem Weg zu mehr Datentrans-
parenz und Datensouveränität.
Allerdings fehlt nach wie vor ein
europaweit einheitlicher Umgang
mit Cookies. Den sollte eigentlich
die neue E-Privacy-Richtlinie regeln


  • doch die Reform lässt weiter auf
    sich warten. Datenschutzgrundver-
    ordnung oder auch das deutsche
    Telemediengesetz liefern dagegen
    nur unzureichende Hinweise.
    Viele Nutzer sind es inzwischen
    leid, sich von den Cookies der Un-
    ternehmen tracken zu lassen. Sie
    sorgen vor und installieren bei-
    spielsweise den Browser Firefox
    von Mozilla, der keine Cookies
    mehr zulässt. Es ist ein stiller Pro-
    test. Den lauten Protest müssen Ge-
    richte wie der EuGH ausrufen.


Das Urteil des EuGH zur Praxis der
Cookies in der Werbewirtschaft
geht in die richtige Richtung, meint
Catrin Bialek.

Die Autorin ist Teamleiterin
Technologie.
Sie erreichen sie unter:
[email protected]

Unternehmen & Märkte
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MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
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