Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1
Michael Brächer Zürich

E


s soll ein Befreiungs-
schlag sein: Als Urs Roh-
ner am Dienstagmorgen
in Zürich ans Mikrofon
tritt, präsentiert der Ver-
waltungsratschef nicht nur einen
Untersuchungsbericht zur Beschat-
tungsaffäre bei der Credit Suisse,
sondern verkündet auch personelle
Konsequenzen.
Nach der Bespitzelung von Iqbal
Khan verlassen zwei hochrangige Ma-
nager die Bank. Sie hält aber an ih-
rem Chef Tidjane Thiam fest. Die Un-
tersuchung durch eine Kanzlei habe
eindeutig ergeben, „dass unser CEO
diese Überwachung weder angeord-
net hat noch von seinen Untergebe-
nen informiert worden war“, sagte
Rohner.
Laut Darstellung der Credit Suisse
war die Überwachung Khans eine Art
Einzelkämpferaktion. So habe der
Chief Operating Officer Pierre-Olivier
Bouée den Sicherheitschef Remo
Boccali mit der Überwachung des
Bankers beauftragt. Bouée, ein lang-
jähriger Vertrauter von CEO Thiam,
tritt nun mit sofortiger Wirkung zu-
rück. Zum neuen operativen Chef hat
die Credit Suisse James Walker er-

nannt. Sicherheitschef Boccali ver-
lässt die Bank ebenfalls sofort. Die
Bank will unter die Affäre einen
Schlussstrich ziehen, doch es bleiben
Fragen.
Knapp zwei Wochen lang hatten
Privatdetektive den Banker Iqbal
Khan, einst Leiter der CS-Vermögens-
verwaltung, im Auftrag der Bank ob-
serviert. Am 17. September bemerkt
Khan, dass er beschattet wird. Er
stellt einen Detektiv in der Züricher
Innenstadt zur Rede. Was genau sich
an jenem Tag vor dem Restaurant
Metropol ereignet hat, ist umstritten.
So viel steht fest: Khan fühlte sich be-
drängt, die Züricher Behörden ermit-
teln gegen mehrere Personen wegen
des Verdachts der Nötigung.
Der Spitzelskandal brachte die Cre-
dit Suisse international in die Schlag-
zeilen. Er beschädigte nicht nur das
Image der Bank, sondern auch das
ihres Chefs. Denn wie sich bald zeig-
te, lag Thiam mit seinem Untergebe-
nen Khan persönlich über Kreuz. Die
beiden Topbanker hatten sich im Ja-
nuar auf einer Cocktailparty im Haus
von Thiam an der Züricher Goldküste
gestritten. Den Konflikt der beiden
Alphatiere konnte Verwaltungsrats-

chef Rohner offenbar nicht lösen, so-
dass Khan die Bank verließ. Er heuer-
te beim Rivalen UBS an, wo er die
Co-Leitung der Vermögensverwal-
tungssparte übernimmt. Schweizer
Medien spekulierten darüber, dass
Thiam die Detektive aus persönli-
chen Motiven auf Khan angesetzt ha-
ben könnte. Die Untersuchung fand
jedoch keinen Beleg dafür, dass Thi-
am in die Überwachung Khans invol-
viert war. Der Manager selbst stand
am Dienstag nicht auf der Bühne.
Rohner sprach Thiam sein „vollstes
Vertrauen“ aus. Zuvor hatten sich
wichtige Aktionäre der Bank für den
CEO starkgemacht. Der französisch-
ivorische Manager hatte die Bank
durch einen umfangreichen Umbau
gesteuert und das Geschäft mit ver-
mögenden Kunden ausgebaut – mit
Erfolg. So verdiente die Credit Suisse
im vergangenen Jahr rund 2,1 Milliar-
den Franken. Entsprechend erleich-
tert zeigten sich Analysten über die
Entlastung des Bankchefs: „Die CS
Group ohne Tidjane Thiam wäre
heute eine ganz andere Bank, die we-
sentlich schlechter für die Zukunft
gerüstet wäre“, sagt etwa ZKB-Ana-
lyst Javier Lodeiro.

Im Rahmen der Untersuchung
führten die Homburger-Anwälte mit
Khan, Thiam und weiteren involvier-
ten Personen insgesamt 14 Gespräche
und werteten E-Mails und Messenger-
Nachrichten aus. Doch manche Frage
bleibt: Welche Rolle spielte der Streit
zwischen Khan und Thiam in der
ganzen Sache? Und weshalb war der
Credit-Suisse-Chef nicht über die Plä-
ne seines Vertrauten Bouée im Bilde?
Die Bank legte am Dienstag nicht den
vollständigen Bericht, sondern eine
„Zusammenfassung der zentralen Er-
kenntnisse“ vor. Darin weisen die
Anwälte darauf hin, dass manche pri-
vate Nachrichten von Beteiligten of-
fenbar gelöscht wurden. Auch sei der
persönliche Konflikt zwischen Thiam
und Khan nicht Gegenstand der Un-
tersuchung gewesen.

Tod eines Mittelsmannes
Trotzdem sieht der Verwaltungsrat
den CEO durch die Untersuchung
entlastet: „Die Fakten zeigen, dass
nur zwei Personen von der Untersu-
chung in Kenntnis waren“, sagte CS-
Verwaltungsrat John Tiner, der die
Untersuchung überwacht hat. Thiam
habe die Organisation im Griff, so Ti-

Spitzelaffäre


Die Credit Suisse schließt die


Reihen um Tidjane Thiam


Im Skandal um die Überwachung von Iqbal Khan verlassen zwei hochrangige Manager


das Institut. Die Führung der Bank hofft, dass die Affäre damit ausgestanden ist.


Zentrale der Credit
Suisse in Zürich:
Erheblicher
Imageschaden.

Bloomberg

Iqbal Khan:
Der langjährige
Credit-Suisse-Mana-
ger wechselte zum
Rivalen UBS.

REUTERS,

Credit-Suisse-Chef
Tidjane Thiam:
Verwaltungsrat
spricht ihm das
Vertrauen aus.

Bloomberg

Finanzen & Börsen


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MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
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