Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1
E. Atzler, K. Schneider Frankfurt

D


ie Gleichung könnte so
einfach sein: Wenn die
Kunden häufiger mit
Karte bezahlen, fallen
für den Handel höhere
Gebühren an – und die füllen die Kas-
sen der Banken. Angesichts der Dau-
erniedrigzinsen und sinkender Ge-
winne käme den Geldhäusern das
sehr gelegen. Allein, laut Prognosen
der Beratungsfirmen Accenture und
McKinsey geht diese Rechnung nicht
auf.
So kommt McKinsey in einer Stu-
die zu dem Schluss, dass die direkten
Erträge der deutschen Banken im
Zahlungsverkehr nur leicht steigen
werden – von knapp 15 Milliarden
Euro im Jahr 2017 auf gut 15 Milliar-
den 2022. Ihr Anteil an den Gesamt-
erträgen in diesem Geschäft sinkt
von 67 auf 61 Prozent. Hinzu kommt,
dass die gesamte Zahlungsverkehrs-
branche in Deutschland gemessen an
der Wirtschaftsleistung nach McKin-
sey-Berechnungen weniger Erträge
einfährt als im europäischen Durch-
schnitt.
Das bedeutet, dass die deutschen
Geldhäuser vom Trend zum bargeld-
losen Bezahlen – online oder per Kar-
te – wenig profitieren. Gemessen an
den Umsätzen haben die deutschen
Verbraucher 2018 erstmals an der La-
denkasse mehr mit Karte als mit Bar-
geld gezahlt, wie eine Erhebung des
Handelsforschungsinstituts EHI er-
gab. Zudem wächst der Onlinehandel

rasant. McKinsey rechnet damit, dass
der Anteil der digitalen Zahlungen in
den kommenden Jahren kräftig zule-
gen wird. Allerdings sei die Position
der deutschen Banken hier nicht
stark genug, meint Reinhard Höll,
Zahlungsverkehrsexperte bei der Be-
ratung. Immerhin wachsen McKinsey
zufolge die Zahlungsverkehrserträge
von Banktöchtern oder anderen
Bankeinheiten von knapp vier auf 5,5
Milliarden Euro.
Zu einer drastischeren Einschät-
zung kommt Accenture nach einer
Umfrage unter Bankmanagern: Dem-
nach werden die Erträge der deut-

schen Geldhäuser im Zahlungsver-
kehr von 25 Milliarden Euro im Jahr
2019 auf 22 Milliarden Euro 2025
schrumpfen. Für die weltweite Stu-
die wurden 240 Zahlungsverkehrs -
experten in 22 Ländern befragt.

Heftiger Wettbewerb
Hauptursache für den erwarteten
Umsatzrückgang ist laut Accenture-
Experte Oliver Hommel der Preis-
druck. „In Europa sind die Gebühren
für Zahlungen im Zuge der Regulie-
rung bereits stark gesunken, wir ge-
hen davon aus, dass Banken für die
reine Transaktion künftig immer we-
niger bis gar keine Gebühren mehr
verlangen können.“
Gerade im Firmenkundengeschäft
sorge schon der massive Wettbewerb
zwischen den Geldhäusern dafür,
„dass Banken den Zahlungsverkehr
teilweise nicht mehr kostendeckend
abwickeln können“, so Hommel.
Zum Zahlungsverkehr gehören die
Einnahmen aus Konten von Privat-
wie Firmenkunden sowie verschiede-
ne Gebührentypen – etwa für Über-
weisungen durch Unternehmen oder
für Kredit- oder Bankkartentransak-
tionen sowie Onlinezahlungen. Dabei
müssen nicht die Verbraucher für
Kartenzahlungen eine Gebühr berap-
pen, sondern die Händler.
Weiteren Druck auf die Gebühren
erwartet Hommel durch neue Tech-
nologien wie sogenannte unsichtbare
Zahlungen. „Werden Zahlungen nicht

mehr einzeln angestoßen, sondern
im Hintergrund zunächst gesammelt,
drückt das die Erträge“, erklärt er.
Das heißt, dass Kunden nur noch für
die einmalige Sammelüberweisung
Gebühren berappen. Auch aus Echt-
zeitzahlungen, für die es einen EU-
Standard gibt, dürfte keine neue Ein-
nahmequelle werden.
Für die Banken sind die Prognosen
ernüchternd. Schließlich boomen die
Zahlungsdienstleister, die für Händ-
ler – online oder im Laden – Zahlun-
gen abwickeln. Unternehmen wie
Adyen, Wirecard, Klarna und Stripe
wachsen rasant, es gab zuletzt meh-
rere Milliardenübernahmen in der
Branche. In diesem Geschäft sind die
deutschen Geldhäuser kaum mehr
vertreten. Ihre Gemeinschafsfirma
Concardis haben sie an den däni-
schen Wettbewerber Nets verkauft.

Tech-Konzerne als Rivalen
Hinzu kommt, dass die Geldhäuser
sich mit neuen Wettbewerbern ausei-
nandersetzen müssen. Die Bezahl-
dienste von Apple und Google, Apple
Pay und Google Pay, sind im vergan-
genen Jahr auch in Deutschland ge-
startet und buhlen um private Kun-
den. Der US-Bezahldienst Paypal
bietet Händlern mittlerweile auch
Bankdienstleistungen wie Kredite an.
„In der Zwischenzeit sind Akteure
wie Paypal und jetzt auch Apple und
Google mit Innovationen an den
Markt gekommen und machen Ban-
ken die Erträge streitig“, sagt Sebasti-
an Maus, Zahlungsverkehrsexperte
des Beraters Roland Berger. „Es ist
für die Banken ertragsseitig schwie-
rig, wenn sie Apple bei jedem Kauf
über Apple Pay einen Teil der Trans-
aktionsgebühren, beispielsweise 0,1
Prozent, abtreten sollen.“ Für Zah-
lungen per Girocard, die oftmals
noch als „EC-Karte“ bezeichnet wird,
sind die Gebühren durch eine EU-
R egulierung auf 0,2 Prozent des Um-
satzes gedeckelt.
Dass sie etwas tun müssen, wissen
die deutschen Geldhäuser. Banken
und Sparkassen arbeiten derzeit un-
ter dem Arbeitstitel „X-Pay“ an einer
Neuaufstellung ihrer Bezahlangebo-
te. Sie peilen nach Handelsblatt-Infor-
mationen an, alle Bezahlarten – die
Onlinebezahlverfahren Paydirekt und
Giropay, das Handy-zu-Handy-Zahl-
verfahren „Kwitt“ und die Girocard –
unter einer neuen Marke zusammen-
zufassen. Während die Umsätze über
die mehr als 100 Millionen Girocards
zulegen, fristen Paydirekt und Giro-
pay ein Nischendasein. Sie könnten
nun in einem ersten Schritt des
X-Pay-Projekts zusammengelegt wer-
den.
Ob die deutschen Kreditinstitute
mit X-Pay aber Erfolg haben, gilt als
fraglich. Die Banken müssten aufs
Tempo drücken, wenn sie ein neues
System etablieren wollten, meint
Maus. Denn der Zahlungsverkehrs-
markt in Europa stehe vor einem
Umbruch. Auch McKinsey-Experte
Höll sagt: „X-Pay ist ein spannender
Ansatz. Es bleibt aber abzuwarten,
wie es sich gegen Paypal und andere
US-Angebote behaupten kann.“
Was für die Banken im Zahlungs-
verkehr unter dem Strich übrig
bleibt, hängt nicht nur von den Ein-
nahmen, sondern auch von den Kos-
ten ab. Höll meint, dass die Kredit -
institute „dringend die Kosten in der
Bargeldlogistik senken“ sollten.
McKinsey beziffert die jährlichen Auf-
wendungen dafür auf zwei Milliarden
Euro. „Ein möglicher Ansatz ist das
Modell niederländischer Banken, die
sich mit ‚Geldmaat‘ über eine eigens
gegründete Gesellschaft ihr Netz von
Geldautomaten landesweit teilen.“

Marktprognose


Magere Erträge im


Zahlungsverkehr


Die deutschen Verbraucher zahlen immer mehr online und per Karte.


Doch die heimischen Banken profitieren nicht von diesem Trend.


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VISA Deutschland

Erträge der deutschen Banken sinken
Erträge im Zahlungsverkehr
für Banken in Mrd. Euro

Stationärer Einzelhandel:
Umsatzanteile der Zahl-
ungsarten 2018* in Prozent
22
Mrd. €

25

HANDELSBLATT

2019 2025

100 % 100 %

46,9

50,0
2,5

48,6

48,3
2,5
2017 2018

*Fehlende zu 100 % = Sonstige
Quellen: Accenture Research, EHI Payment-Entwicklungen

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MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
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