Einblick
Autobauer
investieren ins
B2B-Geschäft
D
ie Fahrzeugindustrie muss
umsteuern. Mehr als die Hälf-
te aller Neuwagen werden im
Jahr 2035 an Unternehmen und Flot-
tenbetreiber verkauft, prognostiziert
Deloitte in einer Ende vergangener
Woche veröffentlichten Studie zum
deutschen Automobilmarkt. Derzeit
liege der Wert mit 37 Prozent deutlich
darunter. Die Berater sehen hier eini-
ges Potenzial. Und sie trauen den Her-
stellern zu, dieses auch zu nutzen – in-
dem sie das Geschäft mit Finanz-
dienstleistungen etwa für Flottenbe-
treiber ausweiten. Für einen beispiel-
haften Autobauer (OEM) hat Deloitte
im Leasing- und Kreditgeschäft einen
Deutschlandumsatz von zuletzt einer
Milliarde Euro ermittelt. Dieser werde
bis zum Jahr 2035 um fast ein Drittel
auf 1,3 Milliarden Euro zulegen. So
kompensieren die Hersteller zumin-
dest ein Stück weit den erwarteten
Rückgang im klassischen Autoverkauf.
Noch deutlich mehr Chancen er-
warten die Deloitte-Experten bei Mo-
bilitätsdienstleistungen, die auch Un-
ternehmen angeboten werden. Hier
könnte sich der Umsatz des Beispiel-
OEMs binnen 15 Jahren von zuletzt
0,6 auf 1,5 Milliarden Euro mehr als
verdoppeln. Die Hersteller bringen
sich in Position, um auf beiden Fel-
dern zuzulegen. So wirbt beispiels-
weise Daimler Financial Services seit
Ende Juli unter neuem Namen als
Daimler Mobility um Kunden. „Maxi-
mal flexible Mobilitätslösungen“ ver-
spricht das Unternehmen.
Wie wichtig es ist, den direkten
Kontakt zu halten, zeigt die Deloitte-
Studie. Sollte es unabhängigen Mobi-
litätsdienstleistern gelingen, sich zwi-
schen die Hersteller und deren Kun-
den zu drängen, drohen die Gewinne
aus dem klassischen Fahrzeugver-
kauf bis 2035 um über 50 Prozent zu
sinken. Ohne „tief greifenden Wan-
del“ sei es für die OEMs kaum zu
schaffen, 2035 noch profitabel zu
sein, urteilen die Berater. Selbst
wenn dies gelingt, sei es „nicht ein-
fach, den Rückgang des traditionel-
len Autogeschäfts durch neue Ge-
schäftsmodelle zu kompensieren“.
Thomas Mersch
Mehr Dienstleistung
Typischer Umsatz eines Autoher-
stellers auf dem deutschen Markt
HANDELSBLATT Quelle: Deloitte
Car as a PlatformMobility as a ServiceAftersalesFinanzdienstleistungenFahrzeugverkäufe2018 20359,9 Mrd. € 8,3 Mrd. €1,0 Mrd. € 1,3 Mrd. €0,9 Mrd. € 0,4 Mrd. €0,6 Mrd. € 1,5 Mrd. €0 Mrd. € 0,
Mrd. €Andreas Schulte KölnS
mart EQ Fortwo, Mercedes
B-Klasse Electric Drive,
BMW i3: Im Fuhrpark des
Stuttgarter Bauunterneh-
mens Wolff & Müller fah-
ren gleich mehrere der elektrisch an-
getriebenen Modelle, die deutsche
Hersteller derzeit zu bieten haben.
Insgesamt sind es zehn Fahrzeuge –
und es sollen bald mehr werden.
„Wir sind bereit, unseren Fuhrpark
sukzessive weiter auf elektrische Mo-
delle umzustellen“, sagt der zuständi-
ge Flottenmanager Patrick Heidrich.
Wolff & Müller setzt generell auf
Nachhaltigkeit: Gebaut wird etwa nur
mit Ökostrom. Da soll auch die Flotte
möglichst emissionsarm fahren.
Doch es gibt ein Problem: „Flaschen-
hals bei der Elektrifizierung des
Fuhrparks sind fehlende attraktive
Angebote am Markt“, sagt Heidrich.
Die lange vorherrschende Skepsis
gegenüber E-Mobilität lässt bei Fuhr-
parkchefs und Dienstwagenfahrern
nach. Doch der Schwenk hin zu den
alternativen Antrieben gelingt vieler-
orts nicht so schnell wie erhofft – die
Hersteller bremsen. „Der E-Mobility-
Markt bietet noch eine zu geringe
Modellvielfalt“, sagt Christoph Stür-
mer, Automobilexperte der BeratungPricewaterhouseCoopers (PwC).
„Nicht jeder, der grundsätzlich gerne
aufs E-Auto umsteigen würde, findet
ein geeignetes Modell.“
Das gewachsene Interesse an E-Au-
tos belegt eine aktuelle Studie des
Marktforschungsinstituts Dataforce.
Danach sind zwar derzeit erst zwei
Prozent der Dienstwagenfahrer in
Deutschland elektrisch unterwegs.Doch fast zwölf Prozent wünschen
sich als nächsten Firmenwagen ein
E-Auto. Das Wachstumspotenzial für
die Autokonzerne ist enorm: 4,5 Mil-
lionen Flottenfahrzeuge hat der Ver-
band markenunabhängiger Fuhr-
parkmanagementgesellschaften in
Deutschland gezählt.
Ein Grund für die neue Offenheit
gegenüber elektrischen Antrieben:Elektromobilität
Fahrzeugtausch
mit Hindernissen
Das Interesse von Dienstwagenfahrern an E-Autos wächst. Doch
lange Lieferzeiten und eine geringe Modellauswahl stehen dem
Ausbau der E-Mobilität in vielen Konzernflotten im Weg.
E-Auto beim
Stromtanken:
Gerade Hersteller
der Oberklasse
hängen zurück. dpaAbschied vom DieselWomit wird Ihr aktueller Dienstwagen angetrieben?Umfrage, Antworten in Prozent der BefragtenWelchen Antrieb für Ihren zukünftigen Dienstwagen würden
Sie bevorzugen?HANDELSBLATTDiesel Benzin Hybrid Elektrisch49 %28 %41 %
32 %6 %25 %2 %12 %2 % 3 %
Wasserstoff
Befragt: 211 Dienstwagenfahrer • Quelle: Dataforcebei der
Elektrifi-
zierung des
Fuhrparks
sind fehlende
attraktive
Angebote.
Patrick Heidrich
Wolff & MüllerIMPRESSUM
Redaktion: Thomas Mersch,
Stefan Merx, Andreas Schulte
Spezial
MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
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