Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1
Antriebsvarianten

Gas-Autos suchen ihre Chance


D


eutsche Unternehmen ha-
ben die Skepsis gegenüber
alternativen Antrieben weit-
gehend abgelegt. Das zeigt eine ak-
tuelle Befragung des Leasinganbie-
ters Arval. Dem Fuhrpark-Barome-
ter 2019 zufolge nutzt fast die Hälfte
der deutschen Unternehmen Fahr-
zeuge mit Elektro-, Hybrid- oder
Plug-in-Hybrid-Antrieb oder plant
deren Einführung. Ein Schattenda-
sein fristen hingegen weiterhin die
mit Gas und Brennstoffzelle betrie-
benen Modelle. In Deutschland
wurden für die Studie 300 Flotten-
manager befragt.
„Gasbetriebene Autos werden bei
uns von Fuhrparkmanagern nicht
nachgefragt“, sagt Christian Schüß-
ler, Commercial Director bei Arval
Deutschland. Dabei ist die Technik
ausgereift. Autogas (LPG) ist günstig
und vielerorts verfügbar, und der
CO 2 –Ausstoß ist im Vergleich zu Ver-
brennern niedrig. Weil zum Starten
des Autos immer noch Benzin ge-
braucht wird, verfügen fast alle Au-
tos über zwei Tanks: einen für das
Gas, den anderen für Benzin.
Dienstwagenfahrer würden auch
von einer höheren Reichweite profi-
tieren. Doch die Nutzer benötigen
eine genaue Einweisung, und viele
Fuhrparkmanager scheuen laut
Schüßler den Aufwand.
Ein weiteres Hemmnis: Laut
Kraftfahrt-Bundesamt ist der Be-
stand an LPG-betriebenen Autos in
Deutschland in den vergangenen
fünf Jahren von 500 000 auf
400 000 gesunken. Der Schwund

übt wirtschaftlichen Druck auf die
Betreiber der 7 000 Tankstellen aus.
Die Größe des Netzes dürfte in den
nächsten Jahren bestenfalls stagnie-
ren. Noch schwieriger ist die Situati-
on bei CNG-betriebenen Autos. Für
dieses Erdgas stehen nur 900 Tank-
stellen bereit. Besserung ist kaum in
Sicht – investiert wird vor allem in
das Ladenetz für Elektromobilität.

Infrastruktur fehlt
Auch die Brennstoffzelle dürfte auf
absehbare Zeit kaum Dienstwagen-
flotten erobern. „Wir haben es hier
mit dem gleichen Henne-Ei-Pro-
blem zu tun wie anfangs bei der
E-Mobilität: Weil es keine Infra-
struktur für die Fahrzeuge gibt,
werden zu wenige Brennstoffzellen-
fahrzeuge gebaut. Weil zu wenige
Brennstoffzellenfahrzeuge gebaut
werden, kommt die Infrastruktur
nicht vom Fleck“, sagt Schüßler.
Laut KBA waren Anfang 2019
nicht einmal 400 Autos in Deutsch-
land zugelassen, deren E-Motoren
mit Wasserstoff angetrieben wer-
den. Die Fahrzeuge selbst sind ver-
gleichsweise teuer. „Ein Brennstoff-
zellenauto im Fuhrpark eignet sich
derzeit eher für Konzerne zu reprä-
sentativen Zwecken“, sagt Schüßler.
Ganz abschreiben will er aber we-
der Gasantriebe noch Brennstoffzel-
le. „Beide eignen sich grundsätzlich
für Dienstwagen. Aber abzuschät-
zen, ob und wann sich eine von ih-
nen im Fuhrpark durchsetzen wird,
gleicht einem Blick in die Glasku-
gel.“ Andreas Schulte

Bei der


Brennstoff -


zelle besteht


ein Henne-Ei-


Problem wie


anfangs bei der


E-Mobilität.


Christian Schüßler
Commercial Director,
Arval

„Das Statusdenken unter den Fah-
rern lässt nach“, sagt Heiko Luft,
Fuhrparkleiter bei EnBW. Der Versor-
ger ist dabei, die Dienstwagenflotte
so weit wie möglich auf E-Autos um-
zustellen. 300 Ladepunkte hat das
Unternehmen an verschiedenen
Standorten bereits installiert. Weitere
350 an etwa 80 Standorten sollen
noch in diesem Jahr folgen. Mehr als
300 Fahrzeuge rollen elektrisch.
Bei EnBW gebe es mehr Dienstwa-
genfahrer, die sich ein E-Auto wün-
schen, als Wagen zur Verfügung ste-
hen, so Luft. „Es fehlt noch die Mo-
dellvielfalt“, sagt der Fuhrparkleiter.
So werde es etwa in absehbarer Zeit
keine allradgetriebenen E-Autos ge-
ben. Und bei Kleinwagen im Lieferein-
satz mangele es noch an Reichweite.
Basis für den Wechsel zur E-Mobili-
tät ist laut Luft eine Nutzeranalyse.
Das Auto müsse zum Bedarf des Fah-
rers passen. Dazu hat EnBW die Nut-
zungsprofile von Dienstwagen ausge-
wertet und ermittelt, wo nur kurze
Distanzen gefahren werden. „Somit
können wir garantieren, dass nie-
mand liegen bleibt oder sich tagsüber
ums Nachladen kümmern muss.“


Umweltbonus lockt


EnBW erwägt, bis zu 14 000 Mitar-
beitern vollelektrische Autos zur pri-
vaten Nutzung zur Verfügung zu stel-
len. So will man auch die Unterneh-
mensstrategie beflügeln, die auf
einen geringeren CO 2 -Aussstoß zielt.
In den kommenden Wochen werde
EnBW prüfen, ob es möglich sein
wird, ein attraktives Angebot für die
Mitarbeiter zu schnüren. „Anschlie-
ßend können wir entscheiden, ob
wir in die nächste Phase der Aus-
schreibung gehen“, sagt Luft.
Doch Tausende E-Autos wird auf
die Schnelle kein Hersteller liefern
können. Viele Autobauer können die
Nachfrage schon jetzt nicht bedie-
nen. „Wer heute versucht, E-Autos
anzuschaffen, muss feststellen, dass


die Lieferfähigkeit extrem einge-
schränkt bis nicht vorhanden ist“,
klagte Marc-Oliver Prinzing, Vor-
standschef des Bundesverbands
Fuhrparkmanagement, schon im
Frühjahr. Nur schwer kommen etwa
die Hersteller von Oberklassefahrzeu-
gen mit ihren Elektrovarianten vom
Fleck. Der Produktionsstart von Au-
dis erstem E-SUV, dem E-Tron, war
von Problemen begleitet: Im April
meldete der Autobauer, dass im Ge-
samtjahr wegen eines Batterieeng-
passes rund 10 000 Stück weniger
vom Band rollen würden als geplant.
Die Folge: längere Lieferzeiten. Im
Juni dämpfte ein Rückruf wegen
Brandgefahr die Euphorie abermals.

Geduldsspiel für die Nutzer
Generell ist Geduld gefragt: „Wenn
wir E-Autos ordern, rechnen wir mit
einer Lieferzeit von vier bis fünf Mo-
naten“, sagt Gabriel Hackel. Der Ma-
nager Compensation and Benefits ist
bei Faurecia auch für die Dienst -
wagenregelungen verantwortlich.
Der Autozulieferer lockt potenzielle
E-Dienstwagen-Fahrer auch mit finan-
ziellen Anreizen. „Für die Nutzung ei-
nes Autos mit einem besonders nied-
rigen CO 2 -Ausstoß gibt es einen Bonus
von 150 Euro auf die monatliche Lea-
singrate. Hinzu kommen noch einmal
100 Euro für die Verwendung eines
alternativen Antriebs“, erklärt Ha-
ckel. Das Geld kann der Nutzer etwa
für eine bessere Ausstattung seines
Fahrzeugs verwenden.
Die Regelung gilt seit Jahresbeginn
und kommt laut Hackel gut an: „Das
Interesse unserer Dienstwagenfahrer
am E-Auto ist durch sie deutlich ge-
stiegen. Aber natürlich würde ich mir
eine noch größere Bereitschaft wün-
schen“, sagt er. Etwa 30 Fahrer, de-
ren dreijähriger Leasingvertrag in
den nächsten Monaten ausläuft, inte-
ressierten sich für den Umstieg auf
die betriebliche E-Mobilität. Insge-
samt haben 400 Faurecia-Mitarbeiter
einen Dienstwagen.
Hackel hat aber auch einen Hemm-
schuh beim Umstieg auf die E-Autos
ausgemacht: Die Leasingrate für
E-Autos soll auch die Kosten für die
Installation und den Betrieb einer La-
debox zu Hause abdecken. Doch der
finanzielle Einsatz kann ins Leere lau-
fen: Die Installation sei vor allem bei
Mitarbeitern, die in Mietwohnungen
leben, kompliziert. „Dort müssen un-
sere Fahrer zunächst die Hauseigen-
tümer und die Mietergemeinschaft
um die Erlaubnis zur Installation ei-
ner Lademöglichkeit bitten. Doch die
wird längst nicht immer erteilt.“
Längst nicht alle Fuhrparkmanager
sind schon auf E-Auto-Kurs. Laut ei-
ner Studie von Geotab, einem Anbie-
ter von Telematiklösungen, sehen sie
in der geringen Reichweite von
E-Fahrzeugen noch immer ein be-
trächtliches Hindernis für den Ein-
satz in der Flotte. Auch eine fehlende
öffentliche Ladeinfrastruktur, lange
Ladezeiten, hohe Fahrzeugkosten
und damit verbundene Investitionen
werden in der Erhebung genannt.
Die bestehenden Bedenken sowie
die mangelnde Verfügbarkeit der
E-Autos könnten einer anderen An-
triebstechnik zum Erfolg in der Flotte
verhelfen – der Kombination aus
E-Antrieb und herkömmlichem Ver-
brennungsmotor: „Bald kommen mit
Verspätung einige attraktive Plug-in-
Hybride auf den hiesigen Markt“,
sagt PwC-Experte Stürmer. „Da wird
alles weggekauft werden.“

 


 

 


Flottenmanagement & Firmenwagen
MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
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