Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1
Christoph Kapalschinski Hamburg

O


ft sind es kleine Dinge, an denen Ver-
braucher im Supermarkt erkennen,
dass sich bei Markenherstellern et-
was ändert. Bei Meßmer-Tee ist es
die neue blaue Farbe der Verpackun-
gen. Lars Wagener, seit einem Jahr Chef des Meß-
mer-Herstellers Laurens Spethmann Holding
(LSH), will sich mit dieser Signalfarbe von Konkur-
renten wie Marktführer Teekanne absetzen. In der
Idee steckt die Erfahrung des Marketing-Menschen
Wagener aus seinen Stationen etwa bei Mars und
dem Kekshersteller Griesson.
Der Marken-Relaunch zeigt auch: Wagener kann
etwas bewegen bei dem norddeutschen Familienun-
ternehmen, das neben Tee noch Süßstoff, Müslirie-
gel und Frühstücksflocken für die Eigenmarken des
Handels produziert. Das war nicht ganz sicher, als er
das Amt vor einem Jahr übernahm: Die Miteigner Jo-
chen und Michael Spethmann hatten zunächst die
ehemalige Iglo-Chefin Martina Sandrock als neue
Meßmer-Chefin vorgestellt. Die Familie hatte sich
dazu aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat zurück-
gezogen. Doch die Konstellation funktionierte nicht


  • wohl auch wegen des starken Präsenz der Eigentü-
    mer im Unternehmen. Sandrock ging nach nur ei-
    nem Dreivierteljahr und arbeitet heute als selbst-
    ständige Managementberaterin.
    Wagener ist starke Eigentümerfamilien gewohnt.
    Nach seinem Studium an der WHU begann er seine
    Karriere beim US-Konzern Mars, in dem die Grün-
    derfamilie noch immer eine starke Rolle spielt.
    Nach einer Station bei Danone wirkte er beim


Kekshersteller Griesson, ebenfalls ein Familienun-
ternehmen wie Spethmann.
„Die Konstellation funktioniert mit der Familie
Spethmann sehr gut“, sagt er. Die fünfte Generati-
on, die Töchter der beiden Gesellschafter, sei be-
reits im Unternehmen. Beide arbeiteten als Ange-
stellte auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern. „Das
ist ein tolles Signal nach innen“, sagt Wagener. Ei-
nes Tages könnten sie die Führung übernehmen.
Bis dahin hat der 50-jährige Wagener allerdings

noch einiges vor. Der Tee-Relaunch ist erst mal ab-
geschlossen: Neue Sorten, Biotees und eine Kenn-
zeichnung mit dem Nachhaltigkeitssiegel Utz recht-
fertigen bei Meßmer den Vorstoß mit einigen Tees
in etwas höhere Preislagen. Die Nachfrage ist da:
Laut Teeverband ist der Anteil von Biotees in
Deutschland auf zehn Prozent gestiegen. Der Tee-
verband sieht bei Biotees und anderen hochwerti-
geren Tees das größte Wachstumspotenzial.
Die Unternehmensgruppe mit Sitz in Seevetal bei
Hamburg ist über 100 Jahre alt und komplett in Fa-
milienbesitz. Rund 70 Prozent des Umsatzes stam-
men aus dem Teehandel, der Rest verteilt sich auf
Frühstücksflocken und das Geschäft mit Riegeln
und Süßstoff. Zehn Milliarden Teebeutel produziert
das Unternehmen nach eigenen Angaben jährlich.
Einen großen Teil des Geschäfts macht die Gruppe
als Produzent von Eigenmarken des Handels.
Da will Wagener nun das Geschäft mit neuen
Produkten vorantreiben: Bei Riegeln etwa will er
Ideen für gesundheitsorientierte Innovationen ent-
wickeln, mit denen sich die Supermarktketten ge-
gen höherpreisige Trendriegel etwa aus Nüssen
oder mit Proteinmischung durchsetzen sollen.
2020 will er das Süßstoffsortiment rund um die
Marke Huxol überarbeiten.
Zudem will Wagener stärker ins Ausland gehen.
In Österreich hat er die eigene Teemarke Milford
durch Meßmer ersetzt. Nach Russland und Frank-
reich könnten neue Länder dazukommen – eben-
falls in Eigenregie. Das allerdings könnte noch et-
was dauern. 2017 hat sich die Gruppe bereits an ei-
nem Riegel-Werk in Großbritannien beteiligt.
Weitere Zukäufe könnten folgen. Wagener schaut
dabei auch auf Start-ups: Wie junge Marken Tees
und Riegel zu Höchstpreisen übers Netz verkaufen,
irritiert und fasziniert ihn: „Die Qualität ist meist
gar nicht besser, der Preis aber unglaublich hoch.“
Ein Investment in solche jungen Unternehmen
könne das Wissen der Gruppe um Produkte mit
dem Know-how von Start-ups im Digitalmarketing
ergänzen: „Vielleicht ist das ein kluger Weg, um
beides zusammenzubringen“, meint Wagener.

SAP eingeführt
Auch intern hat er etwas geändert. Offenbar neh-
men es ihm die Familienmitglieder im Aufsichtsrat
nicht übel, dass er die Gruppe bei seinem Antritt
als zu langsam und nicht marktnah genug analy-
siert hat. Als einen der ersten Schritte hat Wagener
nun SAP eingeführt. In die Werke soll mehr Auto-
matisierung einziehen. Das soll Arbeitsplätze nicht
unbedingt ersetzen, aber nach einem Jahr der Sta-
gnation neues Wachstum ermöglichen. Fünf bis
acht Prozent jährliches Umsatzplus peilt Wagener
an – sofern nicht wieder ein langer Sommer mit
wenig Teedurst dazwischenkommt. Zuletzt kamen
laut Wagener mit knapp 1 500 Mitarbeitern 480
Millionen Euro Umsatz zusammen.
Allerdings ist das die unkonsolidierte Zahl. Der
jüngste verfügbare Jahresabschluss im Bundesan-
zeiger weist konsolidiert 284 Millionen Euro Um-
satz für 2017 aus, ebenfalls stagnierend. Das Vor-
steuerergebnis sank um 20 Prozent auf gut 25 Mil-
lionen Euro. Wachstum soll aus allen Teilen der
Gruppe kommen, die mit 13 Tochterunternehmen
und Beteiligungen in gut 40 Ländern aktiv ist. Zu-
gleich will Wagener an den sozialen Projekten, et-
wa Ausbildungsförderung für benachteiligte Ju-
gendliche und Co-Finanzierung eines Sozialtreffs in
Hamburg, festhalten.
Nach dem internen Umbau der Anfangszeit will
sich Wagener nun zudem Zeit nehmen, sich inten-
siver mit dem Tee zu beschäftigen – über ostfriesi-
sche Teezeremonie mit Kluntjes und Sahne im
Meßmer-Café in Hamburg hinaus. Derzeit plant er
seine erste Reise auf eine Plantage in Indien.

Lars Wagener


Der zweite Versuch


Der neue Chef des Meßmer-Tee-Herstellers LSH kommt mit den Eigentümern


besser klar als seine Vorgängerin. Das hilft bei notwendigen Neuerungen.


Trendgetränk Tee:
Meßmer wagte einen
Relaunch.

ddp/PicturePress/FoodCentrale

Die Qualität ist


bei jungen


Marken meist


gar nicht


besser, der


Preis aber


unglaublich


hoch.


Lars Wagener
Chef von Meßmer Tee

Lars Wagener:
Er hat in Familien-
unternehmen
Karriere gemacht
und kennt sich mit
deren Kultur aus.

LSH

Familienunternehmen


des Tages
1

MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
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