Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1
Mykola Slotschewski

Im Sumpf des Oligarchen


E


r ist geheimnisumwittert, der Oli-
garch, der Amerika einen seiner
größten Skandale beschert hat. Er ist
der Unternehmer, der ein mögliches Amts-
enthebungsverfahren gegen Präsident Do-
nald Trump verursachen könnte und zu-
gleich Trumps Herausforderer Joe Biden ei-
nigen Ärger eingebracht hat. Der 76-Jährige
ist derzeit der Präsidentschaftskandidat, der


  • noch – die besten Aussichten auf die Nomi-
    nierung der Demokraten besitzt.
    Die Affäre nahm ihren Anfang im Früh-
    jahr 2014. Der Sohn des damaligen US-Vize-
    präsidenten Biden kam in den Vorstand der
    ukrainischen Gasfirma Burisma. Hunter Bi-
    den stand damit in den Diensten des Oligar-
    chen Mykola Slotschewski. Damals versi-
    cherte Joe Biden, es gebe keine Interessens-
    konflikte. Doch war er damals für die
    Ukrainepolitik der US-Regierung mit verant-
    wortlich.
    In der Ukraine werden gegen das Unter-
    nehmen Ermittlungen wegen krummer Ge-
    schäfte eingeleitet – und 2016 plötzlich wie-
    der ad acta gelegt. Spätestens als kurz da-
    nach der zuständige Generalstaatsanwalt in
    Kiew von seinem Posten entfernt wird,
    schwant jedem kritischen Geist: Hier geht es
    nicht mit rechten Dingen zu. Betrieb etwa
    Joe Biden die Demission des Staatsanwalts,
    um seinen Sohn zu schützen?
    Donald Trump wäre seinen Widersacher
    wohl los, würde er diese Frage mit einem Ja
    beantworten können. Doch bei seiner eifri-
    gen Suche nach Beweisen könnte der Präsi-
    dent einen verhängnisvollen Fehler began-
    gen haben. Er sieht sich mit dem Vorwurf
    konfrontiert, den ukrainischen Präsidenten
    Wolodimir Selenski zu Ermittlungen ge-
    drängt zu haben, um den politischen Riva-
    len Joe Biden zu diskreditieren.
    Um sich der vertrackten Angelegenheit zu
    nähern, muss man Burisma genauer be-
    trachten. Slotschewski ist dafür berüchtigt,
    Politik und eigene Interessen miteinander
    zu vermischen. 2003/04 leitete er unter
    dem später nach Russland geflohenen kor-
    rupten Präsidenten Viktor Janukowitsch das


Staatskomitee für Naturressourcen, von
2010 bis 2012 wirkte er als Umwelt- und Res-
sourcenminister. Was stets gleich war: Die
Öl- und Gas-Förderlizenzen seiner Firma
vermehrten sich immer, wenn er in der
ukrainischen Regierung saß. Auch wenn
Slotschewskis Firma seit 2017 behauptet, die
zahlreichen Strafermittlungen wegen Geld-
wäsche, Steuerhinterziehung und illegaler
Aneignung staatlicher Mittel seien einge-
stellt, teilte die Nationale Antikorruptionsbe-
hörde mit, dass sie weiter gegen den Ex-Mi-
nister ermittelt.
Dabei sollte 2014 eigentlich zum Wende-
punkt werden. In dem Jahr, als der gestürzte
Staatschef Janukowitsch das Land verlassen
musste, hatte Slotschewski ein Problem:
Während sich andere Oligarchen mit dem
Regierungschef absetzten, lagerte sein
Reichtum im Boden der Ukraine – Öl und
Gas. Um sich in die neue Zeit zu retten, bau-
te der Oligarch eine unbelastete Fassade auf.
Dafür braucht es Symbolfiguren. Seine Wahl
fiel auf Hunter Biden und den ehemaligen
polnischen Präsidenten Aleksander Kwas-
niewski. 50 000 Dollar soll der Sohn des Vi-
zepräsidenten monatlich für seinen Vor-
standsjob bei Burisma bekommen haben.
Genug Geld, um seine Anwaltskarriere in
New York an den Nagel zu hängen.
Burismas Website wies Biden junior bis
zum 25. August 2019 als Manager des Unter-
nehmens aus. Es war der Tag, an dem Vater
Biden seine Kandidatur für das US-Präsiden-
tenamt bekannt gab. Und der Monat, nach-
dem Trump mit dem ukrainischen Regie-
rungschef Selenski telefoniert hatte.
Slotschewski selbst wird die Aufregung in
Amerika mit Sorge erfüllen. Gerade war es
ruhig geworden um den Mann mit markan-
ter Glatze und mächtigem schwarzem Voll-
bart. Jetzt gerät der 1966 in Kiew geborene
Geschäftsmann durch Trumps Affäre wie-
der ins Gerede, der Verdacht der Korrupti-
on kommt hoch. Doch einer Schuld sei er
sich nicht bewusst, sagt er. Er fügt dann ger-
ne zur Rechtfertigung hinzu, dass sein Kon-
zern, der 30 Prozent des ukrainischen Gases
fördert, in den letzten Jahren 185 Millionen
Dollar Steuern gezahlt und 2017 den Wettbe-
werb „Wohltätige Großunternehmen der
Ukraine“ gewonnen habe. Trump und Bi-
den werden es mit Freude zur Kenntnis
nehmen. Mathias Brüggmann

Unternehmer
Slotschewski:
Politik und eigene
wirtschaftliche
Interessen
miteinander
Wikipedia vermischt.


Was der


Präsident


getan hat,


hat einen


ungeheuer-


lichen


Charakter.


Adam Schiff
Chef des Geheimdienst-
ausschusses im
US-Repräsentantenhaus

BusinessLoungeLounge


Demokratisch: Die frühere US-Außenministerin
und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton
winkt vor dem Ed-Sullivan-Theater am Broadway
in New York einer Gruppe von Schaulustigen zu.
Sie ist prominenter Gast der „Late Show“, einer
täglichen US-Talkrunde mit Stephen Colbert.

Juristisch:Huawei-
Finanzchefin Meng
Wanzhou verlässt ih-
re Wohnung im ka-
nadischen Vancou-
ver mit Fußfessel,
um einen Gerichts-
termin wahrzuneh-
men. Meng war auf
Ersuchen der USA
festgenommen wor-
den. Kanada prüft
nun, ob die 47-Jäh-
rige an die USA
ausgeliefert werden
soll. Die USA wer-
fen ihr Betrug und
den Bruch der
Sanktionen gegen
den Iran vor.

J F W r n v u t m E f d n r a s f d S d

Technisch: Michael Schöllhorn (l.), Chief Opera-
ting Officer von Airbus, und Werkschef André
Walter stellen in Finkenwerder ein neues Monta-
geverfahren für Flugzeuge der A320-Familie vor.
Roboter sollen die Produktion beschleunigen.

Technisch:Michael Schöllhorn(l ) Chief Opera

Filmisch: Der ukrainische Präsident Wolodimir
Selenski (l.) begrüßt den US-Schauspieler und
Regisseur Tom Cruise in seinem Präsidentenbüro
in Kiew. Cruise möchte in der Ukraine drehen.

Filmisch:Der ukrainischePräsidentWolodimir

imago images/MediaPunch, AP, AFP, dpa

Die Ukraine-Affäre von
US-Präsident Donald Trump
führt zum umstrittenen Chef
des Gaskonzerns Burisma.

Namen des Tages
1

MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
55
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