Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1

K


ürzlich haben die Regierungen
Deutschlands und der Niederlande
jeweils ein großes Maßnahmenpa-
ket vorgelegt, um ihre Klimaziele
bis 2030 einhalten zu können. Das
Thema Klimaschutz wird auch am 2. Oktober bei
den deutsch-niederländischen Regierungskonsul-
tationen eine Hauptrolle spielen. „Wenn wir
grenzüberschreitend zusammenarbeiten, hat das
Wettbewerbsvorteile“, stellte Premierminister
Mark Rutte während eines Treffens mit Bundes-
kanzlerin Angela Merkel und ihrem Klimakabi-
nett in Den Haag fest. Und aus dem Klimapaket
der Bundesregierung kann man ablesen, dass
Deutschland beim Klimaschutz die Anbindung
an Europa sucht.
Beim Blick auf die Klimapläne beider Länder
fallen die unterschiedlichen Vorgehensweisen
auf. Ein Hauptthema des Klimapakets der Bun-
desregierung ist die Einführung eines nationalen
CO 2 -Handelssystems für die Sektoren Verkehr
und Wärme. Ein Hauptthema des niederländi-
schen Klimaplans ist die Einführung eines
CO 2 -Mindestpreises für den Stromsektor und ei-
ner zusätzlichen CO 2 -Steuer für die Industrie.
Beide Länder wollen also über den europäischen
Emissionshandel (EU-ETS) hinausgehen:
Deutschland, indem es weitere Sektoren einbin-
det, die Niederlande, indem sie den Effekt des
Emissionshandels in Energiewirtschaft und In-
dustrie verstärken.
Die Regierungen antworten damit auf unter-
schiedliche Herausforderungen. Während
Deutschland seine Emissionen im sogenannten
Non-ETS-Bereich (Verkehr und Wärme) mit drei
Prozent gegenüber 2005 insgesamt kaum verrin-
gert hat, stehen die Niederlande mit minus zwan-
zig Prozent hier viel besser da.


Insbesondere im deutschen Verkehrssektor
geht es nicht voran. Emissionen liegen hier sogar
leicht über dem Niveau von 1990. Im niederlän-
dischen Klimaplan müssen der Energiesektor
und die Industrie die größte Reduktionsheraus-
forderung bis 2030 meistern. In Deutschland ha-
ben diese Sektoren bereits umfangreiche Emissi-
onsminderungen erbracht. Ein weiterer Beitrag
soll in Deutschland durch den Ausstieg aus der
Kohleverstromung und den forcierten Ausbau
der erneuerbaren Energien erreicht werden.
Für grenzüberschreitende Kooperationen gibt
es in beiden Klimaplänen zwei konkrete Anknüp-
fungspunkte: erstens Forschung und Entwick-
lung, zweitens Verkehr. In Forschung und Ent-
wicklung arbeiten beide Länder an einer natio-
nalen Wasserstoffstrategie. Die Niederlande
haben sich gegenüber der EU verpflichtet, eine
starke Rolle beim Thema grüner Wasserstoff zu
übernehmen. Damit klimafreundliche Geschäfts-
modelle und Technologien noch schneller in den
Markt kommen können, wäre ein bilaterales Pro-
gramm mit Deutschland sinnvoll. Beide Länder
sind auch darauf aus, erneuerbare Energieträger
zu erproben, die Niederlande im Rahmen von
mehrjährigen, aufgabenorientierten Innovations-
programmen, Deutschland im Rahmen von För-
derprogrammen wie Kopernikus und den „Real-
laboren der Energiewende“. Hier könnten beide
Seiten von einem engen Austausch profitieren.
Im Verkehrssektor setzen beide Regierungen
auf nachhaltige Energieträger. Konkrete Vor-
schläge zielen etwa darauf ab, die Ladesäulenin-
frastruktur für E-Mobilität auszubauen, CO 2 -arme
Lkw und Biokraftstoffe zu fördern, strombasierte
Kraftstoffe zu entwickeln und die Attraktivität
des ÖPNV zu erhöhen. Der Verkehrssektor ist ein
elementarer Teil des deutsch-niederländischen

Wirtschaftsraums. Der Ausbau der Tank- und
Ladeinfrastruktur sollte deshalb nicht nur in
Nord-Süd-Richtung erfolgen, sondern auch
grenzüberschreitend in Ost-West-Richtung. Dazu
gehört auch der Ausbau der Elektrolyse- und Raf-
finerieprozesse zur Erzeugung von strombasier-
ten, klimaneutralen Energieträgern und Grund-
stoffen im Hafen von Rotterdam.
Nach China sind die Niederlande der zweit-
wichtigste Handelspartner für Deutschland welt-
weit. Eine enge Zusammenarbeit dieser beiden
Wirtschaftsräume in Energiewende und Klima-
schutz wäre ein starkes Signal für den Rest der
Welt.
Dabei wird es auch darum gehen, gleiche Wett-
bewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaf-
fen und damit Standortkonkurrenzen zu vermei-
den. Wenn beide Länder sich in der Energiepoli-
tik nicht eng abstimmen, ist das deutlich zu
spüren, etwa bei der Umstellung der Gasversor-
gung in den Niederlanden oder dem kurzfristi-
gen Atom-Moratorium in Deutschland.
Die Klimapläne beider Regierungen laden zur
grenzüberschreitenden Kooperation im deutsch-
niederländischen Wirtschaftsraum ein. Es wäre
ein Erfolg, wenn die Regierungskonsultationen
konkrete Ergebnisse für diese Zusammenarbeit
liefern würden. Wenn beide Länder zudem den
europäischen Emissionshandel weiterentwickel-
ten und gemeinsam für einen Mindestpreis und
die Ausweitung auf alle Sektoren einträten, dann
wäre schon eine Menge erreicht.

Für eine Achse


Berlin-Den Haag


Durch Kooperation könnten Deutschland und die


Niederlande ihre Klimapolitik effizienter gestalten,


meinen Andreas Kuhlmann und Jan Frederik Braun.


Andreas Kuhlmann ist Geschäftsführer der
Deutschen Energie-Agentur (dena).
Dr. Jan Frederik Braun ist Strategic Energy
Analyst, The Hague Center for Strategic
Studies.

imago/photothek, Jan Frederik Braun [M]

Den Haag hat


sich verpflich-


tet, eine star-


ke Rolle beim


grünen Was-


serstoff zu


übernehmen.


Damit klima-


freundliche Ge-


schäftsmodelle


noch schneller


in den Markt


kommen


können, wäre


ein bilaterales


Programm mit


Deutschland


sinnvoll.



 



 



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Gastkommentar
MITTWOCH, 2. OKTOBER 2019, NR. 190
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