Handelsblatt - 02.09.2019

(Barré) #1

ZUKUNFT DEUTSCHLAND Seite 9


Herr Thomsen, LPG versus LNG, Auto-
gas versus Erdgas – es ist nicht so ein-
fach, sich im „Flüssiggas-Dschungel“
zurechtzufinden. Kommt es häufiger zu
Verwechslungen?
Das kommt es in der Tat – auch,
weil der Begriff Flüssiggas in der Presse
häufig pauschal und damit falsch ver-
wendet wird.

Wo liegen die Unterschiede, denn fos-
silen Ursprungs sind die oben aufge-
führten Varianten doch alle, oder?
Zunächst einmal ist Autogas eine
andere Bezeichnung für LPG, auch als
Propan oder Flüssiggas bekannt. An-
sonsten haben Sie natürlich recht,
dass sowohl LPG als auch LNG fossi-
len Ursprungs sind. Doch im Gegen-
satz zu verflüssigtem Erdgas, dem
LNG, gilt LPG laut dem Kyoto-Pro-
tokoll nicht als Treibhausgas. Es hat
kaum Einfluss auf die globale Erwär-
mung oder den Abbau der Ozon-
schicht. Im Auto eingesetzt, emittiert
es im Vergleich zu Diesel 23 Prozent,
im Vergleich zu Benzin 21 Prozent
weniger CO 2. Der Stickstoffausstoß
wird im Vergleich zum Diesel um 98
Prozent reduziert, der Feinstaub im
Vergleich zum Benziner um 99 Pro-
zent. Und auch die Kraftstoffkosten
sinken im Vergleich zu einem Benzi-
ner um bis zu 50 Prozent. Ein weiterer
Vorteil sind die geringen Drücke und
damit die leichte Handhabbarkeit von
LPG im Vergleich zum Erdgas. Eine
Autogasanlage ist sehr schnell einge-
baut und vor allem für ältere Fahr-
zeuge eine sehr günstige Variante –
ohne mechanische Veränderungen am
Motor selbst.

Das klingt, als würden mehr auf Auto-
gas umgerüstete Fahrzeuge auf deut-
schen Straßen die CO 2 -Bilanz deutlich
verbessern?
Das ist eine Tatsache. Und die weit-
aus größere Verbreitung von Autogas
in Europa und der Welt unterstreicht
dies. In Deutschland hält sich jedoch
der Irrglaube, dass LPG gegenüber
Erdgas eine schlechtere Klimabilanz
aufweist, was auch daran liegt, dass
Erdgas rechtlich bessergestellt ist als
LPG. Den Kunden fehlen also die An-
reize, die bei den Alternativen für die
Nachfrage sorgen.

Ist es vor dem Hintergrund der Ener-
giewende nicht aber auch vernünftiger,
sich auf regenerative Kraftstoffe zu kon-
zentrieren und den Elektroantrieb vor-

anzutreiben, anstatt an fossilen Ener-
gieträgern festzuhalten?
Wenn wir die Energiewende und
die CO 2 -Reduktion ernst nehmen
wollen, darf das keine Entweder-oder-
Frage sein. Wir brauchen eine Techno-
logieoffenheit, mit der sich die heute
zur Verfügung stehenden technischen
Möglichkeiten effizient nutzen lassen.
Das schließt nicht aus, dass neue Tech-
nologien erforscht oder Elektroantriebe
weiter verbessert werden. Fakt ist je-
doch, dass LPG bereits heute auf gan-
zer Linie überzeugt. Es handelt sich um
eine etablierte und ausgereifte Techno-
logie, bei der die Klimabilanz passt. Sie
steht sofort in großem Umfang zur
Verfügung, kann einfach, unkompli-
ziert und kostengünstig nachgerüstet
werden. Außerdem gewährleistet eine
flächendeckende Infrastruktur – an je-
der zweiten Tankstelle ist LPG verfüg-
bar – schon heute eine reibungslose
Mobilität. Im Wärmemarkt – dem
zweiten großen Einsatzbereich von
LPG – können wir seit letztem Jahr so-
gar mit Bio-LPG aufwarten. Und als
Branche forschen wir parallel intensiv
an einer Möglichkeit zur synthetischen
Herstellung von LPG, um die fossile
Abhängigkeit zu umgehen.

Welche Vorteile hat Bio-LPG?
Es senkt die CO 2 -Emissionen von
fossilem Flüssiggas noch einmal um bis
zu 90 Prozent und ist damit nicht nur
ausgesprochen umwelt- und klima-
freundlich, sondern auch ein nachhal-
tiger und erneuerbarer Energieträger.
Diesen Umweltnutzen gilt es anzuer-
kennen und in die Strategien der Re-
gierung einzubinden. Hier sehen wir
großen Nachholbedarf – ebenso wie

beim regulären LPG, das aktuell kaum
bessergestellt ist als die klimaschäd-
liche Braunkohle oder schadstoffinten-
sive Energieträger wie Erdöl oder
Steinkohle.

Warum bleibt das Potenzial von LPG
auch im Wärmemarkt ungenutzt?
Das hat aus meiner Sicht zwei
Gründe. Wir haben als Branche einen
vergleichsweise geringen Anteil am
Gesamtmarkt, trommeln also weniger
und nicht so laut wie andere. Der ande-
re Aspekt ist, dass unsere Technologie
nicht neu ist und eben noch überwie-
gend aus fossilen Quellen stammt. Das
ist wenig sexy und eignet sich nicht für
ein politisch scharfes Profil. Nichtsde-
stotrotz sollten wir die Möglichkeiten,
die mit einer intensiveren Nutzung
von LPG einhergehen, unbedingt
wahrnehmen.

Welche Möglichkeiten sind das?
Im Wärmemarkt sind wir es als Ni-
schenenergieträger beispielsweise ge-
wohnt, dezentrale Lösungen zu eta-
blieren. Der ländliche Raum und die
Landwirtschaft haben ihre eigenen
Erfordernisse. Von der Brennstoffzelle
über Blockheizkraftwerke sind hier ei-
nige Einsatzmöglichkeiten denkbar.
Außerdem ist Flüssiggas als Brennstoff
extrem flexibel und kann auch als Pro-
zesswärme, also beispielsweise zum
Brennschneiden oder für die Getreide-
trocknung, eingesetzt werden.

Und was kann LPG für den Mobilitäts-
sektor leisten?
Mit LPG kann im Fahrzeugbestand
sehr schnell eine deutliche Schadstoff-
Reduktion zu bezahlbarem Preis er-

reicht werden. Denken Sie an den öf-
fentlichen Nahverkehr. Warum dort
nicht die bestehenden Flotten jetzt in
Dual-Fuel umrüsten? Eine Kombina-
tion aus Diesel und Flüssiggas würde
für eine bessere Verbrennung, gerin-
gere Spritkosten sowie eine deutliche
Schadstoff-Reduktion sorgen. Statt-
dessen wird auf Elektrobusse gewartet.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Die
dürfen gerne kommen. Pilotprojekte
begrüße ich. Nur warum liegen in der
Zwischenzeit Möglichkeiten brach?
Zumal noch völlig unklar ist, wie lange
Elektrobusse für den ÖPNV auf sich
warten lassen, wo Batterien und der
Ausbau der Ladeinfrastruktur an ihre
Grenzen stoßen oder wie das ganze
überhaupt finanziert werden soll.

Ist die Politik in der Pflicht, LPG attrak-
tiver zu machen?
Aus unserer Sicht absolut. Dafür
setzen wir uns seit langem intensiv ein.
Beispielsweise gibt es eine Mautbefrei-
ung für LKW mit alternativen Antrieben


  • aber nur, wenn es sich um Neufahrzeu-
    ge handelt. Die umweltfreundlichere
    und wirtschaftlichere Alternative, näm-
    lich bestehende Flotten mit LPG um-
    zurüsten, wird hingegen nicht geför-
    dert. Das kann nicht im Interesse der
    Gemeinschaft sein. Zumal Deutsch-
    land mit Blick auf die Zulassungs-


zahlen für LPG-umgerüstete PKW
und LKW im europäischen Ausland
als wichtiges Transitland auch einen
Vorbildcharakter haben sollte. Wir ha-
ben als Branche alle Voraussetzungen
geschaffen, inklusive eines flächen-
deckenden Tankstellennetzes. Nun ist
es an der Zeit, dass die Politik dieses
Klimapotenzial erkennt und nutzt.

http://www.rheingas.de

— Beitrag PROPAN RHEINGAS GMBH & CO. KG. —

»CO 2 -Reduktion braucht


Technologieoffenheit«


Ehrgeizige Klimaziele erreicht nur, wer alle vorhandenen Ressourcen ausschöpft.


Rheingas-Geschäftsführer Uwe Thomsen bricht deshalb eine Lanze für Flüssiggas (LPG).


Die Betankung mit Autogas funktioniert wie bei Benzin/Diesel. Hier Zapfsäule und oberirdischer Tank.

Uwe Thomsen, Geschäftsführer der Propan
Rheingas GmbH & Co. KG. Voraussichtlich im
Januar 2020 wird im VDE Verlag ein Buch zum
Thema Flüssiggas und Bio LPG veröffentlicht,
dessen Hauptautor Uwe Thomsen ist.
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