Die Welt Kompakt - 09.10.2019

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DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,9.OKTOBER2019 WISSEN 27


nem radikalen Schritt: Er reha-
bilitierte Einsteins Eselei.
Bekannter ist die kosmologi-
sche Konstante heute unter
dem Namen „Dunkle Energie“.
Es ist jene Energie, die einfach
so in jedem Kubikzentimeter
des leeren Raumes stecken soll.
Sie ist bis heute ein Mysterium
geblieben. Auch Physiker kön-
nen sich nichts Genaues unter
der Dunklen Energie vorstellen.
Sie können jedoch berechnen,
dass 69 Prozent des Univer-
sums aus Dunkler Energie be-
steht. Und dass sie dafür sorgt,
dass sich das All ausdehnt.
Weitere 26 Prozent sind
Dunkle Materie und nur fünf
Prozent des Universums sind
jene Materie, die wir kennen
und wahrnehmen können – der
Stoff, aus dem Menschen, Stei-
ne, Ozeane, ja unsere ganze Er-
de, alle Planeten, Monde und

V

or mehr als 400 Jah-
ren sagte der Astro-
nom und Philosoph
Giordano Bruno vo-
raus, dass es im Universum
zahllose Planeten geben sollte.
Für diese und einige andere
ketzerische Bemerkungen lan-
dete er im Jahr 1600 auf dem
Scheiterhaufen.


VON NORBERT LOSSAU

Der Italiener sollte allerdings
mit seiner Aussage Recht behal-
ten. Im Jahr 1995 entdeckten
die Schweizer Astronomen Mi-
chel Mayor und Didier Queloz
von der Universität Genf erst-
mals einen Planeten außerhalb
unseres eigenen Sonnensys-
tems. Der 50 Lichtjahre von der
Erde entfernte Exoplanet er-
hielt die Bezeichnung „51 Pegasi
b“. Heute sind mehr als 3000
Exoplaneten bekannt.
In diesem Jahr werden nun
Mayor und Queloz für ihre ein
Vierteljahrhundert zurücklie-
gende Pionierleistung mit dem
Nobelpreis für Physik ausge-
zeichnet. Bereits fünf Jahre
nach der Entdeckung der bei-
den Schweizer hatte übrigens
der Vatikan den vermeintlichen
Ketzer Giordano Bruno rehabi-
litiert.
Die beiden Experimental-
physiker Mayor (84) und Que-
loz (53) teilen sich die eine
Hälfte des Physik-Nobelprei-
ses. Die andere Hälfte geht an
den kanadischen Physiker
James Peebles (84) von der
Princeton University in den
USA. Der Preis ist mit 830.000
Euro dotiert.
Peebles hat als Theoretiker
viele wichtige Entdeckungen
zur Evolution des Universums
gleichsam am Schreibtisch ge-
macht. Bereits als Student war
er an der Vorhersage der soge-
nannten Hintergrundstrahlung
beteiligt. Diese durchflutet als
„Nachglühen“ des Urknalls das
gesamte Universum. Mittler-
weile ist die Existenz dieser Mi-
krowellenstrahlung experimen-
tell gesichert.
Professor Matthias Stein-
metz, Vorstand des Leibniz-In-
stituts für Astrophysik in Pots-
dam, nennt Peebles eine „ganz
große Figur der Kosmologie“.
Peebles war einer der Architek-
ten des Standardmodells der
Kosmologie, das bis heute die
gültige Arbeitsgrundlage für
Astrophysiker und Teilchenfor-
scher gleichermaßen geblieben
ist. Die vielleicht größte wis-
senschaftliche Leistung von
Peeble, war die Wiedereinfüh-
rung der sogenannten kosmi-
schen Konstante, die ursprüng-
lich Albert Einstein ersonnen,
später aber verworfen hatte.
Als „größte Eselei“ seines Le-
bens hate Einstein sie rückbli-
ckend genannt.
Doch in den 1980er Jahren
geriet die Kosmologie in eine
Krise, weil die Messdaten zur
Hintergrundstrahlung nicht
mit den theoretischen Model-
len in Einklang standen. Dies
veranlasste Peebles 1984 zu ei-


Sterne gemacht sind. Die ande-
ren 95 Prozent sind nach wie
vor eine große Herausforde-
rung für Physiker.
Auch mit der Dunklen Mate-
rie – die unter anderem dafür
sorgt, dass Spiralgalaxien wie
unsere Milchstraße zusammen-
halten und nicht aufgrund der
großen Zentrifugalkräfte ausei-
nanderfliegen – hat sich Peebles
befasst. Er hat theoretische Vor-
hersagen dazu gemacht, dass
Dunkle Materie aus Elementar-
teilchen bestehen könnte.
Steinmetz kennt Peebles seit
vielen Jahren persönlich. Er
kann deshalb ein kleines Detail
über den kanadischen Physiker
verraten, das ihn als sehr be-
scheidenen Menschen erschei-
nen lässt. Beim ehrwürdigen
Princeton-Lunch, so erzählt es
Steinmetz, säßen die wichtigen
Wissenschafter immer am Kopf

des U-förmigen Tisches und die
weniger wichtigen an den bei-
den Enden. Peebles habe sich
immer dorthin gesetzt, zu den
vermeintlich weniger wichtigen.
Es ist nicht eine einzelne Er-
kenntnis, es sind viele grundle-
gende Vorhersagen zur Natur
des Universums, für die James
Peebles am 10. Dezember 2019
in Stockholm den Physik-No-
belpreis entgegennehmen
wird. Man könnte durchaus sa-
gen, dass hier ein Wissen-
schaftler für sein Lebenswerk
geehrt wird. „Praktisch hinter
allen Ideen zum Aufbau des
WWWeltalls auf großen Skaleneltalls auf großen Skalen
steckt James Peebles“, kom-
mentiert Steinmetz.
Bei Mayor und Queloz ist es
hingegen eine klar zu benen-
nende Entdeckung, die zum
Physik-Nobelpreis geführt hat.
„51 Pegasi b“ geht als der erste
von Menschen entdeckte Exo-
planet mit einem sonnenähnli-
chen Zentralgestirn in die Ge-
schichte der Astronomie ein.
Im Jahr 2015 erhielt „51 Pegasi
b“ von der Internationalen As-
tronomischen Union einen ei-
genen Namen: Dimidium.
Dimidium ist ein sehr unge-
wöhnlicher Planet. Er ist rie-
sengroß und in diesem Punkt
vergleichbar mit Jupiter. Und er
umkreist seinen Stern in einem
recht geringen Abstand, was
wiederum einen Vergleich mit
Merkur nahelegt. Dimidium be-
nötigt deshalb nur vier Tage für
eine Umrundung seines Sterns.
Nur aufgrund dieser speziel-
len Eigenschaften konnten aber
Mayor und sein Schüler Queloz
den Planeten mit der damaligen
Messtechnik überhaupt entde-
cken. Ein großer Planet in ge-
ringem Abstand zu seinem
Stern, kann diesen mit seiner
Gravitationskraft zu besonders
großen „Wackelbewegungen“
verleiten. Diese haben die bei-
den Schweizer Forscher ver-
messen. Wissenschaftlich heißt
dieses Messverfahren „Radial-
geschwindigkeits-Methode“.

Weil also der jupitergroße
Dimidium seinen Stern zu einer
recht starken Radialbewegung
mit bis zu 50 Metern pro Se-
kunde zwingt, konnten die For-
scher dieses Wackeln des Stern
gerade noch beobachten. Dazu
benötigten sie kein großes Tele-
skop, denn genügend Sternen-
licht kam durchaus auf der Erde
an. Die Herausforderung be-
stand vielmehr darin, jene win-
zigen Frequenzverschiebungen
im Lichtspektrum des Sterns
nachzuweisen, die von der Wa-
ckelbewegung verursacht wird.
Zum Vergleich: In unserem Pla-
netensystem sorgt die Gravita-
tionskraft von Jupiter dafür,
dass die Sonne mit bis zu zwölf
Metern pro Sekunde wackelt.
Die Entdeckung von Dimidi-
um löste einen Boom bei der
Suche nach Exoplaneten aus.
Mittlerweile sind zahlreiche
Planeten gefunden worden, die
mehr oder weniger erdähnlich
sind und ihr Zentralgestirn in
einem Abstand umkreisen, der
in die sogenannten habitable
Zone fällt. Dies bedeutet, dass
die Entfernung nicht zu klein
und nicht zu groß ist, so dass
auf dem betreffenden Planeten
die Existenz von flüssigem
Wasser grundsätzlich möglich
ist. Und Wasser ist ja, zumin-
dest nach irdischen Vorstellun-
gen, eine der Grundvorausset-
zungen für die Existenz von
Leben.
Der für viele faszinierende
Gedanke, dass Exoplaneten von
intelligenten Wesen bewohnt
sein könnten, hat die Suche und
Erforschung von Exoplaneten
von Anfang stimuliert. Schon
Giordano Bruno war davon
überzeugt, dass es auf fernen
Planeten auch Außerirdische
geben könnte. Aber auch dieser
Gedanke passte irgendwie nicht
in seine Zeit.
Die seinerzeit von Mayor und
Queloz angewandte Methode
wird heute kaum noch genutzt.
Kleinere und weiter von ihrem
Stern entfernte Planeten lassen
sich besser mit der sogenann-
ten Transit-Methode aufspü-
ren. Zieht, von der Erde aus ge-
sehen, ein Exoplanet vor sei-
nem Stern vorbei, so deckt er
eine kleine Fläche des Gestirns
ab, so dass entsprechend weni-
ger Licht auf der Erde an-
kommt. Es gibt also einen „Dip“
in der Helligkeit des Stern.
Wiederholen sich derartige
Dips mit einer festen zeitlichen
Periode, kann man davon aus-
gehen, dass die Ursache ein Pla-
net ist, der seinen Stern umrun-
det. Allerdings funktioniert die-
se Methode nur dann, wenn die
irdischen Teleskope genau von
der Seite auf das ferne Sternen-
system schauen. Dennoch wur-
den auf diese Weise bereits tau-
sende Exoplaneten entdeckt.
Doch beim Nobelpreis zählt


  • ähnlich wie beim Sport – nur,
    wer als erster ein bestimmtes
    Ziel erreicht. Und das waren in
    der kosmischen Disziplin „Ent-
    deckung von Exoplaneten“ nun
    einmal Michel Mayor und Di-
    dier Queloz.


Die Physik-Preisträger 2019: James Peebles, Michel Mayor and Didier Queloz

COPYRIGHT © NOBEL MEDIA 2019. ILLUSTRATION: NIKLAS ELMEHED

Dimidium


und eine


große Eselei


Physik-Nobelpreis für die Entdeckung


des ersten Exoplaneten und der


Dunklen Energie im Weltall


So präsentierte die Schwedische Akademie der Wissenschaften die
drei Nobelpreisträger für Physik: Ein Kanadier (James Peebles)
und zwei Schweizer (Michel Mayor und Didier Queloz

AFP

/JONATHAN NACKSTRAND
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