ten als Oberarzt ausgab. Sie ha-
ben es bereits gesagt: ein be-
sonders prestigeträchtiger Job.
Sind Hochstapler in vielleicht
weniger exponierten Sektoren
seltener?
Das ist gut möglich. Aber auch
Manager oder andere hochrangi-
ge Angestellte stehen ja in beruf-
lichen Situationen, die ein hohes
Sozialprestige versprechen – und
natürlich viel Geld. Das ist eine
massive Verführungssituation
für Menschen, die gut in der
Selbstinszenierung sind und we-
nig Skrupel haben.
Eigentlich ideale Vorausset-
zungen für den beruflichen Er-
folg, oder?
Definitiv. In der freien Wirt-
schaft gibt es sicherlich häufig
Situationen, in denen man mit
einem ausgeprägten Schuldbe-
wusstsein und Geradlinigkeit
nicht unbedingt schnell voran-
kommt. Dafür mit einer gewis-
sen Ellenbogenmentalität. Ich
gehe übrigens davon aus, dass es
bei Hochstaplern eine sehr hohe
Dunkelziffer gibt. Sie fliegen ja
oft nur wegen ganz trivialer Din-
ge auf. Ich kenne den Fall einer
falschen Oberärztin, die aufge-
flogen ist, weil sie auf ganz pri-
mitive Weise einen Urlaubs-
schein gefälscht hat. Erst da-
durch ist eine Lawine ins Rollen
gekommen, an deren Ende sich
herausgestellt hat, dass der Ärz-
tin nie eine Approbation erteilt
worden war. Oft lässt sich in sol-
chen Fällen bei Hochstaplern ei-
ne Art Entwicklung erkennen.
Sie wollen sich zu Beginn der
ganzen Leistungsmaloche nicht
beugen und kriegen etwa ein
Zeugnis vor Augen, das sie leicht
fälschen können – zum Beispiel
eine Promotionsurkunde. Wenn
sie dann über diese Schwelle hin-
weg sind, fangen sie an, eine Rol-
le zu spielen, nehmen eine Posi-
tion ein, die sich immer mehr
verfestigt.
Sie vermuten, dass die Dunkel-
ziffer der Hochstapler hoch ist.
Hieße das im Umkehrschluss,
dass sie eventuell keinen gro-
ßen Schaden anrichten?
Das würde ich nicht sagen.
Schauen wir uns Donald Trump
an. Ich halte ihn für einen politi-
schen Hochstapler. Und zum
Zweck der innenpolitischen
Wählergewinnung beschädigt er
das multilaterale weltwirtschaft-
liche und politische Gesamtsys-
tem – etwa durch die Aufkündi-
gung des Atomabkommens mit
dem Iran. Die Unvorhersagbar-
keit und Unkontrollierbarkeit
der Politik der USA ist durch
Trump größer geworden. Ähnli-
ches könnte man für Putin, Erdo-
gan oder Salvini sagen. Es sind
Männer mit hoher Eigenliebe, die
ihr negatives Denken zur Richt-
schnur ihres Handelns machen –
um den Preis sozialer Kollateral-
schäden.
DIE WELIE WELIE WELT KOMPAKTT KOMPAKT MITTWOCH, 9. OKTOBER 2019 PANORAMA 31
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Anna Sorokin,
Hochstaplerin aus
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den New Yorker
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/ RICHARD DREW