Die Welt Kompakt - 09.10.2019

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POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,9.OKTOBER2019 SEITE 4

entwickelte Land der Erde. Nahe
der Hauptstadt Niamey betreibt
die Bundeswehr einen Lufttrans-
portstützpunkt. Hier erklärt der
Oberstleutnant, vor allem habe
die geschützte taktische Luftver-
sorgung der anderen deutschen
Missionen in Afrika Priorität. Auf
dem Rollfeld stehen darum zwei
rund um die Uhr gekühlte Mede-
vec-Maschinen bereit, sie fliegen
VVVerletzte aus.erletzte aus.
Die Rettungskette aus Mali
läuft über den Niger. Die genauen
Reisepläne der Ministerin wurden
geheim gehalten: Nachrichten-
sperre bis zur Landung. Begrüßt
wird sie von ihrem nigrischen
Amtskollegen Issoufou Katambé,
dann geht es zur Residenz des
Premierministers Brigi Rafini. Das
Ministeramt soll der CDU-Chefin
Gravität verleihen, sie vielleicht
sogar ins Kanzleramt bringen. Zu
Hause ist die Lage derweil kompli-
ziert. In Berlin sprechen sie über
die Kanzlerfrage.
Und irgendwie ist da auch noch
der Ministerkollege Jens Spahn,
dessen Besuch bei der Truppe in
AAAfrika dann doch nicht stattfand,frika dann doch nicht stattfand,
ehe die Verteidigungsministerin
zuvor dort war. Die isst auf dem
Stützpunkt mit den deutschen
Soldaten zu Abend, sie wünscht
eine „offene Aussprache“. Sie fin-
det im Vertrauen statt, an einem
langen Tisch in der Feldküche.
Hier in Afrika kommt die Mi-
nisterin der Truppe tatsächlich
näher: Ein Soldat bittet sie vorzu-
treten, um medizinische Ausrüs-
tung an ihrem Arm vorzuführen –
die Ministerin macht mit.
Dann bringt eine Kolonne sie
zum Rollfeld, im Auto läuft das
Einsatzradio Andernach. Sie sagt,
es gehe nun darum, die bilateralen

ren: Bei Gefechten im Zentrum
von Mali starben mindestens 38
malische Soldaten.
So ist hier die Lage. Für die
steht sie nun in der Verantwor-
tung – wie für alle im Ausland ein-
gesetzten deutschen Soldaten. Sie
hat ihre ersten 100 Tage als Vertei-
digungsministerin fast absolviert,
Ton und Auftreten der Neuen im
Amt werden von den 260.
Männern und Frauen der Bundes-
wehr genau beobachtet. Bisher lo-
ben viele Soldaten das angelesene
Detailwissen der Ministerin. Ihre
VVVorgängerin Ursula von der Leyenorgängerin Ursula von der Leyen
(CDU) nennen Einzelne bloß
noch „die Situation vorher“.
In der Maschine der Luftwaffe
fffliegen auch sieben Abgeordneteliegen auch sieben Abgeordnete

des Bundestags mit, ist doch die
Bundeswehr eine Parlamentsar-
mee. Auch die Abgeordneten bli-
cken auf Kramp-Karrenbauer, bis-
her wird ihr Kommunikationsstil
meist gelobt. Sie war im Gegen-
satz zu manchem Vorgänger lange
selbst Abgeordnete.
Nur wegen des umstrittenen
Einsatzes deutscher Spezialkräfte
in Niger (Operation „Gazelle“)
gibt es bei dieser Delegationsreise
härtere Diskussionen – nicht so
hart wiederum, dass dies ein küh-
les Bamba-Bier ausschlösse, das
nehmen Abgeordnete und Minis-
terin später an der afrikanischen
Bar trotzdem zusammen.
Sechs Flugstunden sind es bis
in den Niger, das am wenigsten

A

m dritten Tag ihrer Rei-
se lernt die deutsche
VVVerteidigungsministe-erteidigungsministe-
rin, was Wüste bedeu-
tet. Vorn im gepanzerten Cockpit
einer A400M fliegt sie in den Nor-
den von Mali, hier sind deutsche
Soldaten stationiert. Annegret
Kramp-Karrenbauer will das jetzt
alles mal selbst sehen. Im steilen
Landeanflug taucht die Maschine
aaab in Richtung Camp „Castor“,b in Richtung Camp „Castor“,
die Ministerin hat eine schwarze
Sicherheitsweste an, als sie das
Flugzeug verlässt und zügig in ih-
ren gepanzerten UN-Wagen ein-
steigt, sie stößt sich dabei leicht
den Kopf.

VON CHRISTIAN SCHWEPPE
AUS NIAMEY, BAMAKO UND GAO

Doch der Reihe nach – die erste
Station ist der Niger. Es ist Anne-
gret Kramp-Karrenbauers bisher
gefährlichste Reise im neuen Amt,
sie ist nur unter schwersten Si-
cherheitsauflagen möglich. Die
deutschen Soldaten sind in West-
afrika einem steigenden Risiko
aaausgesetzt – das wird ihr hier be-usgesetzt – das wird ihr hier be-
wwwusst. Das Reisegebiet ist aus-usst. Das Reisegebiet ist aus-
ffführlich „vorerkundet“ worden. ührlich „vorerkundet“ worden.
WWWer die Delegation drei Tageer die Delegation drei Tage
durch die Sahelzone begleitet, er-
lebt eine Ministerin, die nicht nur
AAAfrika entdeckt, sondern verstärktfrika entdeckt, sondern verstärkt
aaauch die Komplexität ihres Amtes.uch die Komplexität ihres Amtes.
Sie sitzt ganz vorn links im Air-
bus A310 der Luftwaffe, auf Platz
1 C. Sie hat zwei Abteilungsleiter
dabei und den Leiter des Lei-
tungsstabs, dazu ihren Sprecher
und den Adjutanten. Ihre Sicher-
heitseinweisung erhielt sie am
vergangenen Mittwoch, in der
Nacht vorher liefen beunruhigen-
de Nachrichten über die Agentu-

BIENEN-VOLKSBEGEHREN

Kretschmann bezieht
erstmals Position

Ministerpräsident Winfried
Kretschmann (Grüne) hat
eindringlich vor den Folgen
des Artenschutz-Volksbegeh-
rens im Südwesten gewarnt. Er
wandte sich vor allem gegen
das geforderte Verbot von
Pestiziden in Landschafts-
schutzgebieten. „Das hätte
dramatische Folgen für Tau-
sende von konventionellen und
biologischen wirtschaftlichen
Betrieben“, sagte Kretschmann
in Stuttgart. „Und das geht so
nach unserer Ansicht auf gar
keinen Fall.“ Ein Drittel der
landwirtschaftlichen Nutz-
fläche liege in solchen Schutz-
gebieten. Die Landesregierung
sei dabei, sich zu positionieren
und zu klären, wie eine Alter-
native aussehen könnte. Er
hoffe auf Ergebnisse bis Mitte
nächster Woche. Kretschmann
hatte sich bislang zurückhal-
tend zu dem Volksbegehren
geäußert, sich aber noch nicht
so deutlich positioniert.

BAYERN

Bei Kanzlerkandidatur
will CSU mitreden

CSU-Chef Markus Söder sieht
eine sogenannte Urwahl in der
CDU zur Entscheidung der
Kanzlerkandidatur kritisch –
und besteht ohnehin auf einem
Mitspracherecht seiner Partei.
„Die CSU will natürlich mit-
reden, was in Deutschland
passiert. Und wenn es um den
Kanzlerkandidaten geht, wird
es ein Mitspracherecht der
CSU geben müssen“, sagte
Söder dem „Straubinger Tag-
blatt“. Söder mahnte die Union
ohnehin zur Zurückhaltung.
„Wir wären jetzt aber sehr klug
beraten, die Zeitachsen zu
definieren. Erste wichtige Fra-
ge ist, bleibt die SPD in der
GroKo oder nicht?“, sagte der
CSU-Vorsitzende. Das wisse
man gegen Ende des Jahres,
dann müsse es vielleicht sehr
schnell eine Neuwahl geben.
Denn von einer Minderheits-
regierung halte er nichts.

KRANKENKASSEN

5 0 Milliarden Euro
Minus bis 2040

Das finanzielle Defizit der
Gesetzlichen Krankenver-
sicherung (GKV) könnte sich
einer Studie zufolge bis 2040
auf fast 50 Milliarden Euro
erhöhen. Ab Mitte der 2020er-
Jahre würden die GKV-Aus-
gaben die Beitragseinnahmen
wieder übersteigen, prognosti-
ziert eine Studie des Berliner
IGES-Institutes im Auftrag der
Bertelsmann-Stiftung.

KOMPAKT


Afrikanische Einsichten


��� km

MALI NIGER

Niger

Bamako

Koulikoro

Gao

Niamey

Agadez

TSCHAD

BURKINA
FASO

MAURETANIEN

NIGERIA

ALGERIEN

LIBYEN

SENEGAL

GUINEA

AFRIKA

Kramp-Karrenbauers erste AfrikareiseKramp-Karrenbauers erste AfrikareiseKramp-Karrenbauers erste AfrikareiseKramp-Karrenbauers erste AfrikareiseKramp-Karrenbauers erste AfrikareiseKramp-Karrenbauers erste AfrikareiseKramp-Karrenbauers erste AfrikareiseKramp-Karrenbauers erste Afrikareise

Bis Jahresende will Ministerin


Annegret Kramp-Karrenbauer alle großen


Bundeswehrmissionen im Ausland


besuchen. Dieser Tage in Mali kam sie den


Realitäten ihrer Truppe erstmals richtig


nahe – 72 Stunden im Einsatzgebiet mit


der Neuen im Amt


Fotografien sind eine Erzählung ohne Worte, ein
aufgenommener Augenblick, der für ewig bleibt.
Weshalb Bilder in der Politik immer auch Inszenie-
rung sind: Es geht darum, das Bild von sich zu
schaffen, das andere sich machen sollen. Die Vor-
gänger von Annegret Kramp-Karrenbauer im Ver-
teidigungsministerium haben das meisterhaft ver-
standen. Karl-Theodor zu Guttenberg verkörperte
bei seinen Truppenbesuchen die Hollywood-Äs-
thetik des Kämpfers: der Soldat als Held. So film-
gleich Guttenbergs Inszenierung, so realitätsnah
waren seine Worte. Er war der Erste in der damali-
gen Bundesregierung, der den Militäreinsatz in Af-
ghanistan „Krieg“ nannte. Das Pathos des Gutten-
berg-Bildes war eine Hommage an die Truppe. Die
konnte Ursula von der Leyen nicht für sich gewin-
nen. Was von ihr bleiben wird, ist das Bild der ers-
ten Frau an der Spitze des Verteidigungsministeri-
ums: in Lederjacke, im Morgengrauen vor einer
Militärmaschine, die Hilfsgüter in den Irak bringt.
Und Kramp-Karrenbauer? Die Bodenständige im
Hausfrauenlook, die auf merkelhafte Weise der In-
szenierung trotzt? Oder doch eine Politikerin, die
nicht in ihre Ämter passt, die in Auftritt und Inhalt
zu wenig zu bieten hat für die große politische
REUTERS Bühne? Das liegt ganz im Auge des Betrachters.dro

/ MICHAEL KAPPELER

Bilder, die bleiben


PICTURE ALLIANCE / DPA

/AXEL HEIMKEN

DPA

/ ARNE IMMANUEL BÄNSCH
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