Süddeutsche Zeitung - 09.10.2019

(sharon) #1

Meinung


Die DDR war ein Unrechtsstaat. Es


ist Zeit, dass sich die Ostdeutschen


ihrer Vergangenheit stellen 4


Politik


Warumso viele


Pflegeschüler ihre


Ausbildung abbrechen 5


Feuilleton


Wiegefährlich ist dieser Film?


„Joker“ löst eine Debatte über


Gewalt im Kino aus 9


Wirtschaft


Dieneue IWF-Chefin startet mit


drastischen Warnungen für


die Weltwirtschaft ins Amt 15


Sport


Die deutscheNationalmannschaft


vor dem Klassiker


gegen Argentinien 23


Medien, TV-/Radioprogramm 27,
Forum & Leserbriefe 13
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel & Schach 12
Traueranzeigen 18


Berlin– Diegroße Mehrheit der Kinder
und Jugendlichen in Hartz-IV-Haushalten
hat nach Berechnungen des Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes weiter nichts vom so-
genannten Bildungs- und Teilhabepaket.
„Noch immer profitieren mindestens 85
Prozent der grundsätzlich Leistungsbe-
rechtigten nicht von dieser Leistung“,
heißt es in einer Studie, die der Verband
am Dienstag veröffentlichte. Die Zahlen
seien „vernichtend“. sz  Seiten 4 und 6

München– Der ehemalige Fußball-Natio-
nalspieler und Kapitän Bastian Schwein-
steiger beendet seine Karriere. Das teilte
der Weltmeister von 2014 am Dienstag
mit. „Dem Fußball werde ich treu bleiben“,
sagte der 35-Jährige. Bis zuletzt hatte der
121-malige Nationalspieler in den USA für
Chicago gespielt. Die meiste Zeit seiner
Karriere verbrachte Schweinsteiger bei
dem deutschen Rekordmeister FC Bayern
München. sz  Sport

Berlin– In der Affäre um die geplatzte
Pkw-Maut belasten Informationen über
weitere Geheimtreffen Bundesverkehrsmi-
nister Andreas Scheuer (CSU). Das Ministe-
rium musste nach einem Ultimatum der
Grünen am Dienstag fünf zusätzliche Ge-
spräche der Ministeriumsspitze mit Vertre-
tern der Mautfirmen CTS Eventim und
Kapsch einräumen. Sie sollen zwischen
dem 3. Oktober 2018 und dem 23. Mai 2019
stattgefunden haben. An drei Treffen war
Scheuer beteiligt, an einem nahm auch
Kanzleramtschef Helge Braun teil. Den
Bundestag hatte das Ministerium über die
Treffen bislang nicht informiert. Sie sind
auch in den Akten zur Maut nicht doku-
mentiert.
Bei den meisten Treffen geht es um Spit-
zengespräche in der heißen Phase der Ver-

handlungen über den milliardenschweren
Mautvertrag Ende 2018. So geht es aus ei-
nem Schreiben von Verkehrsstaatssekre-
tär Steffen Bilger hervor, das derSüddeut-
schen Zeitungvorliegt. Die hochkarätigen
Treffen am 3. Oktober, dem 26., 27., 29. No-
vember und am 7. Dezember fanden zum
Teil parallel zu Treffen auf Arbeitsebene
statt, die dem Bundestag offiziell gemeldet
wurden. Während diese protokolliert wur-
den, unterblieb das bei den Spitzentreffen.
„Zu diesen Gesprächen gab es weder vorbe-
reitenden noch nachbereitende Vermer-
ke“, heißt es in dem Schreiben.
Wegen zweier Geheimtreffen war Scheu-
er, der dem Parlament „maximal mögliche
Transparenz“ versprochen hatte, bereits
unter Druck geraten. Die neuen Angaben
des Ministeriums bergen Brisanz, weil ein

schwerer Verdacht im Raum steht. Nach In-
formationen von Insidern sollen führende
Vertreter der Betreiberfirmen Scheuer im
vergangenen Jahr mindestens bei einem
Treffen vorgeschlagen haben, die Unter-
zeichnung der Mautverträge auf einen Zeit-
punkt nach dem erwarteten EuGH-Urteil
zu verlegen. Scheuer soll dies unter Ver-
weis auf den straffen Zeitplan für das CSU-
Prestigeprojekt abgelehnt haben. Das Mi-
nisterium schloss die Mautverträge noch
einen Tag vor Silvester ab – lange bevor
der EuGH im Juni die umstrittenen Pläne
kippte. Nun drohen Schadenersatzforde-
rungen, die ein späterer Vertragsabschluss
verhindert hätte. Das Ministerium betont,
ein solches Angebot habe es nie gegeben.
Die Opposition verliert derweil das Ver-
trauen in die Arbeit des Ministers. Vor drei

Monaten habe Scheuer im Bundestag „vol-
le Transparenz“ angekündigt, heißt es in ei-
ner Stellungnahme der Grünen-Sprecher
für Finanzen und Verkehr, Sven-Christian
Kindler und Stephan Kühn. „Seitdem sind
nahezu täglich neue Täuschungsmanöver
des Ministers ans Tageslicht gekommen.
Inzwischen haben wir keinen Glauben
mehr in den Aufklärungswillen von Andre-
as Scheuer.“
Wer den Bundestag belüge und die Öf-
fentlichkeit täusche, dürfe „nicht einen
Tag länger Bundesverkehrsminister sein“,
heißt es weiter. Die fehlende Dokumentati-
on bezeichnen die Grünen-Politiker als
„klaren Rechtsbruch“. Sie fordern die Ablö-
sung Scheuers. Kanzlerin Angela Merkel
müsse Scheuer als Verkehrsminister ent-
lassen. markus balser  Seite 4

Eine hohe Mauer über dem Strand: Unten
donnert die Brandungdes Ozeans, oben
machen Leute Picknick. Die Stimmung
ist ausgelassen, einige vollführen toll-
kühne Klettereien mit ihren Smart-
phones. Das Schild, das Selfies verbietet,
ist nicht zu übersehen, aber die kichern-
den Teenager stört es nicht. Die Pose ist
entscheidend, es wird wild drauflos-
geklickt und gepostet.
Eine Szene an der Westküste Indiens,
beobachtet vor wenigen Tagen. Für die
Jagd nach dem spektakulären Bild ris-
kieren junge Menschen vielerorts ihr
Leben, aber in Indien scheinen aber-
witzige Selfie-Stunts besonders beliebt
zu sein. Je exponierter der Ort, je verrück-
ter die Kulisse, desto besser. Und das hat
seinen Preis. Etwa die Hälfte aller tödli-
chen Unfälle beim Aufnehmen von Selfies
geschehen in Indien, wie Auswertungen
eines medizinischen Fachjournals 2018
ergaben.

Am Wochenende traf es nun eine Fami-
lie in Tamil Nadu. Die Mutter hatte sich ge-
rade frisch vermählt, zur Feier des Tages
stieg sie mit ihrem Sohn, 14, und ihren
Töchtern, 18 und 19, fürs Selfie in einen
Fluss. Hüfttief in den Wellen hielten sie
sich an den Händen, plötzlich rutschte
der Junge weg und riss alle mit sich. Es
wurde zunächst nicht bekannt, ob die
Opfer schwimmen konnten, nur der Vater
und dessen Schwester überlebten.
Der indische Staat weiß um das Pro-
blem, er steckt Selfie-Gefahrenzonen ab
und hat in den vergangenen Jahren Foto-
Verbote an exponierten Plätzen ausgewei-
tet, dennoch gelingt es nicht, solche Unfäl-
le – „deaths by selfie“ – zu verhindern.
„Killfies“ werden sie in indischen Medien

genannt. Besonders irrwitzig sind Mut-
proben vor herannahenden Zügen. Nicht
immer gelingt der rettende Sprung vom
Gleis in letzter Sekunde. Und selbst wenn,
endet die Episode dennoch manchmal
tödlich, wenn gleich nebenan schon der
Zug aus der Gegenrichtung heranrast.
Selfies mit Todesfolge sind auf allen
Kontinenten zu beobachten, Indien führt
die Todesliste an, gefolgt von Russland,
den Vereinigten Staaten und Pakistan.
Wenig überraschend: Drei von vier Op-
fern waren Männer, offenbar verspüren
sie einen weit größeren Druck, sich als
Helden zu inszenieren, als Frauen.
Menschen, die zum Narzissmus nei-
gen, scheinen sich für Selfies ganz gene-
rell mehr zu begeistern als andere, so weit

ist dies ein grenzübergreifendes Phäno-
men. In Indien könnten aber auch kultu-
relle Faktoren zu der großen Bedeutung
von Selfies beitragen. So weist die Anthro-
pologin Jolynna Sinanan von der Univers-
ity of Sydney darauf hin, dass Bilder aller
Art einen extrem hohen Stellenwert genie-
ßen, man sieht es selbst an den zahlrei-
chen Götterdarstellungen, die nahezu
jede Wohnung von Hindus in Indien zie-
ren. Wo die visuelle Kultur derart ausge-
prägt ist, bekommen nach dieser These
auch Selbstdarstellungen in sozialen
Medien ein Gewicht, das sie in weniger
visuell geprägten Gesellschaften gar
nicht entwickeln könnten.
Sicher ist: Fast alle, die ihre Selfies mit
dem Leben bezahlten, waren jünger als


  1. Das dürfte zumindest teilweise erklä-
    ren, warum Indien – ein Land mit sehr jun-
    ger Bevölkerung – weit stärker mit Selfie-
    Exzessen zu kämpfen hat als überalterte
    Gesellschaften in Europa. arne perras


von cathrin kahlweit

London– Die britische Regierung hält ei-
nen Brexit-Deal mit der EU für „offenbar
unmöglich“. Britische Medien wurden am
Dienstag von ungenannten Quellen aus
der Downing Street darüber informiert,
dass ein Telefonat des Premiers Boris John-
son mit der deutschen Kanzlerin um acht
Uhr morgens britischer Zeit deutlich ge-
macht habe, dass die EU nicht zu Kompro-
missen bereit sei. Man habe daher die Hoff-
nung auf eine Einigung über einen Aus-
trittsvertrag aufgegeben. Kurz darauf ver-
öffentlichte die Regierung in London einen
155-seitigen Report darüber, dass das
Königreich für einen No Deal, für einen ver-
tragslosen Austritt, gerüstet sei.
Nach Angaben aus der Downing Street
habe der Premier der Kanzlerin gesagt,

Großbritannien sei der EU mit dem jüngs-
ten Vorschlag für Nordirland sehr weit ent-
gegengekommen. Angela Merkel habe
aber festgestellt, dass ein Vertrag nur mög-
lich sei, wenn „Nordirland in der EU-Zoll-
union“ bleibe.
In Berlin äußerte man sich sehr zurück-
haltend zu der Wiedergabe des Gesprächs;
es wurde aber deutlich gemacht, dass der
von Downing Street zitierte Gesprächsver-
lauf nicht der Wahrnehmung der Berliner
Seite entspricht. Johnsons Mitarbeiter hat-
ten behauptet, Merkel habe gesagt, wenn
Deutschland wolle, könne es jederzeit aus
der EU austreten, dies sei „no problem“.
Nordirland sei eben ein spezielles, britisches
Problem, Irland müsse ein Vetorecht hin-
sichtlich der Geschicke des Nordteils haben.
EU-Ratspräsident Donald Tusk reagier-
te stellvertretend für Deutschland und die

EU auf die Meldung aus London, indem er
Johnson vorwarf, ein „blame game“ zu be-
treiben und der EU die Schuld am Schei-
tern der Gespräche in die Schuhe schieben
zu wollen. „Es geht hier nicht um Schuldzu-
weisungen“, twitterte Tusk. „Die Zukunft
der EU und Großbritanniens sowie die Si-
cherheit und die Interessen der Bürger“
stünden auf dem Spiel. Man sei bereit, wei-
ter zu verhandeln; von einem Abbruch der
Gespräche könne keine Rede sein.
In Großbritannien schlug die Nachricht
aus der Regierungszentrale erwartungsge-
mäß hohe Wellen. Die Vorsitzende der
nordirischen DUP, die in den Vorschlag
von Boris Johnson ein Vetorecht der nord-
irischen Exekutive bezüglich der Zukunft
Nordirlands hineinverhandelt hatte, zeigte
sich empört vom kolportierten Inhalt des
Telefonats zwischen Johnson und Merkel.

Die Forderung, Nordirland müsse in der
Zollunion bleiben, lege die wahren Ziele
der EU bloß: Brüssel sei nicht an einem po-
sitiven Ergebnis der Verhandlungen inter-
essiert. Man akzeptiere aber keine Ultima-
ten und keine Fallen. Die schottische Minis-
terpräsidentin Nicola Sturgeon hingegen
schloss sich der Lesart aus Brüssel an. „Der
Versuch der britischen Regierung, die
Schuld am Brexit-Fiasko anderen, in die-
sem Falle Angela Merkel, in die Schuhe zu
schieben“, so Sturgeon, sei „auf peinliche
Weise durchsichtig“.
Der Bruch zwischen London und der EU
hatte sich bereits Stunden zuvor angedeu-
tet. DerSpectatorveröffentlichte den Text
eines Downing-Street-Insiders, der das En-
de der Gespräche voraussagte und die
Schuld beim irischen Premier Leo Varad-
kar suchte.  Seiten 2 und 4

HEUTE


Die SZ gibt es als App
für Tablet und Smart-
phone: sz.de/zeitungsapp

Schweinsteiger


beendet Karriere


München– Sechs Tage nachdem der Skan-
dal beim Wurstwarenhersteller Wilke öf-
fentlich wurde, fehlt immer noch eine ge-
naue Spur, in welchen Kantinen, Theken
oder Produkten Wilke-Wurst ausgegeben
oder verarbeitet wurde. Das hessische Ver-
braucherschutzministerium bestätigte,
dass es bereits am 12. August vom Bundes-
amt für Lebensmittelsicherheit über den
Verdacht von Listerienbelastung bei Wilke
informiert worden sei. Eine Sprecherin
wies aber darauf hin, dass ihre Behörde
erst am 16. September erfahren habe, dass
mit den Listerienfunden auch die Todes-
und Krankheitsfälle in Südhessen in Zu-
sammenhang gebracht werden. Auf die
Frage, warum nicht bereits Mitte Septem-
ber die Wilke-Produktion stillgelegt und
der Rückruf gestartet wurde, sagt die Spre-
cherin: Unternehmen seien vor sofortigen
Schließungen rechtlich geschützt und
müssten erst die Chance bekommen, den
Missstand abzustellen.sz  Seite 6

Ab und zu scheint die Sonne. Häufig über-
wiegen aberdie Wolken und bringen zeit-
weise kräftigen Regen, im Norden und Wes-
ten auch Gewitter. Die Temperaturen errei-
chen 11 bis 18 Grad. Im Bergland wird es
stürmisch.  Seite 13 und Bayern

Scheuer räumt geheim gehaltene Treffen ein


Der Verkehrsminister sprach öfter mit den Mautbetreibern als bislang bekannt. Die Grünen fordern seine Ablösung


Tödlicher Narzissmus


Indien kämpft mit den Gefahren von Selfies


Johnson gibt Brexit-Verhandlungen auf


Nach einem Telefonat des britischen Premiers mit Angela Merkel verlautet aus der Downing Street,


eine Einigung mit der EU sei „offenbar unmöglich“. Brüssel weist diese Darstellung zurück


Xetra Schluss
11970 Punkte

N.Y. Schluss
26164 Punkte

22 Uhr
1,0955 US-$

Zuschüsse erreichen


arme Kinder kaum


18 °/5°


MÜNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN AUS POLITIK, KULTUR, WIRTSCHAFT UND SPORT


WWW.SÜDDEUTSCHE.DE HMG MÜNCHEN, MITTWOCH, 9. OKTOBER 2019 75. JAHRGANG /41. WOCHE / NR. 233 / 3,00 EURO


60 Seitengolfspielen

1001 x GolfTrendziel Orient
ExklusivUhren für Sportler
ErfolgreichMcIlroy räumt ab
Erste WahlImmobilien am Grün

FOTO: ADAM BERRY/GETTY

FOTO: M. WEISS/AFP

Süddeutsche ZeitungGmbH,
Hultschiner Straße 8,81677 München; Telefon 089/2183-0,
Telefax -9777; [email protected]
Anzeigen:Telefon 089/2183-1010 (Immobilien- und
Mietmarkt), 089/2183-1020 (Motormarkt),
089/2183-1030 (Stellenmarkt, weitere Märkte).
Abo-Service:Telefon 089/21 83-80 80, http://www.sz.de/abo
A, B, F, GR, I, L, NL, P, SLO: € 3,70;
ES (Kanaren): € 3,80; dkr. 29; £ 3,50; kn 30; SFr. 4,

Dax▼



  • 1,05%


Dow▼



  • 1,19%


Euro▼



  • 0,


Die Tat von Kitzbühel: Warum tötet ein Mann eine ganze Familie? Panorama


Ministerium


kannte Verdacht


Behörde wurde im August über
Problem bei Wilke-Wurst informiert

(SZ) Sebastian Fitzek hatte, wie er nun be-
kannte, als Kind große Angst vor „Akten-
zeichen XY ... ungelöst“. Man kann das ver-
stehen. Die ZDF-Verbrecherjagd enthielt
seinerzeit Szenen, die das Blut gefrieren lie-
ßen – wenn etwa Werner Vetterli per Bild-
schirm aus Zürich zugeschaltet wurde und
in Schwyzerdütsch vortrug, dr Tätrrr (der
Täter) sei flüchtig, auffallend stiernackig
und trage an beiden Armen Tätowierun-
gen. Bitte, das war lange vor der Zeit, in der
sich spargelige Hipster im vergeblichen
Versuch, Street Credibility nachzuweisen,
Ganzkörper-Drachen stechen lassen. Of-
fenbar hat sich Sebastian Fitzek nie von
den schlimmen Bildern im Röhrenfernse-
her erholt. Seither muss er Bücher schrei-
ben, in denen Metzelmörder, Schlitzer und



  • Zufall? – verstörte Kinder umgehen.
    Die Psychologen erklären uns, frühkind-
    liche Ängste seien Ausdruck eines gesun-
    den Überlebensinstinkts, sofern man sie
    später zeitig mit den Monsterfiguren in ei-
    ne Kiste packt und in den Keller stellt. Wer
    das aber versäumt, schreibt vielleicht ein
    Leben lang Sätze wie Sebastian Fitzek: „Da-
    für, dass Myriam gerade die Hölle betrat,
    war es viel zu kalt hier unten ...“. Indessen
    befindet sich der Bestsellerautor in guter
    Gesellschaft. Julius Cäsar, sagt man, habe
    sich zeitlebens vor Katzen gefürchtet. Viel-
    leicht wäre die Weltgeschichte anders ver-
    laufen, hätte der große Römer an den Iden
    des März mehr darauf geachtet, was die Se-
    natoren da Spitzes im Gewande trugen. Wo-
    möglich spähte er stattdessen argwöh-
    nisch zur Seite, ob sich nicht ein Kater hin-
    ter den Säulen versteckt haben könnte.
    Vieles liegt im Schatten der Geschichte.
    Legenden behaupten, Graf Dracula habe
    sich als kleiner Vampir dermaßen vor den
    Guten-Morgen-Geschichten über die Blut-
    gräfin von Čachtice gegruselt, dass er sich
    noch im hohen Alter von etlichen Hundert
    Jahren entschloss, lieber von Rumänien
    nach England überzusiedeln und dort Miss
    Lucy zu beißen. Alexander Gauland soll im
    Kindesalter große Angst gehabt haben, kei-
    nen Parkplatz zu finden, weshalb er bis
    zum heutigen Tag auf beunruhigende Wei-
    se darauf fixiert erscheint, seinen Jaguar
    im Halteverbot abzustellen. Womöglich ist
    seit Jugendtagen ein ans Obsessive gren-
    zender Wille gewachsen, einem System
    entgegenzutreten, das deutsche Männer
    ihren Jaguar nicht parken lässt. Transpa-
    renter trägt ihr Trauma die Comedienne
    Carolin Kebekus, welche die Öffentlichkeit
    soeben wissen ließ, es habe sie als Mäd-
    chen vor Jesus am Kreuz geschaudert. Im-
    mer fürchtete sie, „gleich dreht der sich
    um, gleich macht der die Augen auf“, so sag-
    te Kebekus der FAZ. Inwieweit das berufli-
    che Engagement der Künstlerin, die der
    Welt „Pussy Terror TV“ gegeben hat, von
    der Sorge überschattet wird, Jesus würde
    irgendwann die Augen öffnen und sie anse-
    hen, bleibt ungewiss. Zu vermuten ist je-
    denfalls, dass der kleine Jesus ziemliche
    Angst vor Carolin Kebekus gehabt hätte.


DAS WETTER



TAGS

NACHTS

Von fernen Welten


Wo steht der Mensch im Kosmos?


Drei Physiker haben zumindest


den Anfang einer Antwort geliefert.


Dafür erhalten sie den Nobelpreis


Wissen, Seite 14


4 190655 803005

33041
Free download pdf