Süddeutsche Zeitung - 09.10.2019

(sharon) #1

Thessaloniki/München– Inder 34. Minu-
te ist es so weit gewesen, Merle Frohms
konnte zeigen, dass sie auch diesen für ei-
ne Torhüterin wichtigen Bewegungsab-
lauf im Repertoire hat. Die 24-Jährige
sprang in die Luft, boxte den Ball weg und
tat das im Duell mit Christina Kokoviadou
gleich so energisch, dass sie Glück hatte,
nicht frühzeitig vom Platz zu müssen. An-
sonsten aber ist es ein ruhiger Dienstagmit-
tag mit der deutschen Nationalmann-
schaft gewesen für Frohms. Alexandra
Popp (33.Minute), Lena Oberdorf (40.),
Sandra Starke (66.), Pauline Bremer (75.)
und Klara Bühl (90.) sicherten dem Team
von Bundestrainerin Martina Voss-Teck-
lenburg gegen Griechenland ein 5:0 (2:0).
Nach dem 10:0 gegen Montenegro sowie
16 paritätisch aufgeteilten Treffern in den
beiden Spielen gegen die Ukraine folgte al-
so der nächste Punktegewinn in der Quali-
fikation zur EM 2021. Deutschland bleibt
mit viel Vorsprung Gruppenerster.


Und während sich Frohms nach ihrem
erfolgreich beendeten Arbeitstag ihre we-
nig strapazierten Handschuhe auszog, saß
diejenige, die in dieser Mannschaft sonst
verantwortlich dafür ist, Tore zu verhin-
dern, zu Hause in Lomitz im Wendland auf
dem Sofa vor ihrem Fernseher.
Almuth Schult, 28, ist bei der deutschen
Nationalmannschaft unangefochten die
Nummer eins. Die bei den Frauen in die-
sem Jahr anhaltend gestellte Torwartfrage
ist nicht geleitet gewesen von dem Wunsch
nach mehr Gleichbehandlung zwischen
der einen und der anderen Torhüterin. Es
war vielmehr eine Frage, bei deren Beant-
wortung der Körper von Schult der ent-
scheidende Faktor war – und ist.
Auf eine hartnäckige und gefährliche
Masern-Infektion, die Schult während ei-
nes Trainingslagers mit dem VfL Wolfs-
burg zu Jahresbeginn ausknockte, folgte ei-
ne Verletzung an der rechten Schulter.
Nach dem Gewinn von Pokal und Meister-
schaft ließ sich Schult wenige Wochen vor
der Weltmeisterschaft in Frankreich unter-


suchen; eine Diagnose wurde nicht be-
kannt gegeben. Auch während der WM
wurde dazu geschwiegen, Schult sagte im-
mer wieder, sie fühle sich gut – aber es war
nicht ganz klar, wen sie damit vor allem
überzeugen wollte: sich selbst, ihre Mann-
schaft oder die Gegnerinnen.
Erst in einer Ende September ausge-
strahlten Dokumentation des NDR hat
Schult einen Einblick gegeben, das Aus-
maß der Verletzung war wohl erst nach der
Operation im Sommer klar: Die lange Bi-
zepssehne und eine Gelenklippe waren
ab-, eine Kapsel angerissen. Dass sie den-
noch ihre erste WM als Nummer eins be-
stritt, wunderte selbst den Arzt. Aber
Schult wollte das unbedingt. „Wenn man
weiß, man wird gebraucht, dann geht man
über Grenzen. Als Torwart muss man im-
mer suggerieren, dass es einem gut geht“,
sagt Schult in dem Film: „Wenn der Gegner
eine Schwäche erkennt, wird er mehr aufs
Tor schießen. Und dann steht man da und
sagt: Du schießt hier keinen Ball rein, mir
geht’s super. Das musste ich dieses Jahr lei-
der sehr oft schauspielern.“
Das 1:2 im Viertelfinale gegen Schwe-
den beendete nicht nur die WM für die
Deutschen (und bedeutete das Verpassen
der Olympischen Spiele 2020), sondern
auch Schults Kampf gegen die Schmerzen
und gegen ihren Körper. Die folgende Ope-
ration markiert den Anfang einer langen
Rehabilitationsphase. Bis zur Rückkehr
können fünf bis acht Monate vergehen,
schätzt Schult. „Das ist jetzt einfach wieder
eine Erfahrung, aus der ich stärker heraus-
komme“, sagt sie der SZ: „Beim VfL und bei
der Nationalmannschaft läuft es gut, das
macht es mir leichter. Ich gebe mir Zeit,
wieder komplett fit zu werden.“
Es ist eine ungewöhnliche Situation. Die
1,80 Meter große Schult ist mit ihrer Reakti-
onsschnelligkeit, Strafraumbeherrschung
und Persönlichkeit zu präsent, als dass sie


  • trotz mancher Patzer – sonst Pausen hät-
    te einlegen müssen. Das weiß die zweite
    Garde, zu der noch Laura Benkarth, 26,
    vom FC Bayern München und die bei HSC
    Montpellier spielende Lisa Schmitz, 27, ge-
    hören. Und so ist Schults Verletzung auch
    eine Chance. Für Frohms, weil sich die Tor-
    hüterin des SC Freiburg sonst wohl kaum
    mit einer derartigen Einsatzgarantie seit
    der WM hätte zeigen können. Und für die
    Nationalmannschaft, die in ihrer selbst
    ausgerufenen Findungs- und Entwick-
    lungsphase unverhofft auch testen kann,
    wie es ist, wenn nicht die laute Stimme von
    Schult über den Platz hallt und sie deren
    Selbstbewusstsein und die Erfahrung aus
    64 Länderspielen hinter sich weiß.
    Frohms ist zurückhaltender in ihrer Art
    und zeigt bisher weniger den Drang, sich
    so stark in den Spielaufbau einzubringen
    wie Schult. Es ist Frohms zweites Jahr in
    der DFB-Auswahl, acht Länderspiele hat
    sie bisher bestritten. Ihre ersten Einsätze
    im Herbst 2018 fallen ebenfalls in eine Pha-
    se, in der Schult ausgefallen war, nachdem
    sie sich im Champions-League-Spiel bei At-
    letico Madrid am Sprunggelenk verletzt
    hatte. Nun rückt Frohms erneut in den Fo-
    kus. Als Jüngste kann sie schon jetzt zu ei-
    ner starken Nachfolgerin von Schult aufge-
    baut werden. Dass die Wahl auf sie gefallen
    ist, liegt aber auch an ihrem fußballeri-
    schen Können, das freilich gegen schwä-
    chere Gegner in der Qualifikation zuletzt
    nicht gefordert wurde. „Merle muss grund-
    sätzlich erst mal in ihre neue Rolle mit all
    ihren Anforderungen hineinwachsen“,
    sagt DFB-Torwarttrainer Michael Fuchs:
    „Da sind diese Spiele wichtig für ihre Erfah-
    rung und Entwicklung.“ Der erste ernsthaf-
    te Test steht bereits fest: Am 9. November
    gegen die offensivstarke englische Aus-
    wahl. Im Wembley-Stadion. Vor mehr als
    77000 Zuschauern. anna dreher


Bei Lance Armstrong dürfte die Mail, die
ihm AlbertoSalazar am 1. Dezember 2011
schickte, wie ein verfrühtes Weihnachtsge-
schenk angekommen sein: „Lance, ruf
mich so schnell wie möglich an! Wir haben
es getestet, und es ist unglaublich! Du bist
der einzige Athlet neben Galen Rupp, dem
ich die echten Zahlen mitteilen werde. Al-
les völlig legal und natürlich. Du wirst den
Iron Man ungefähr 16 Minuten schneller
laufen, wenn du das nimmst. Alberto.“
Was für eine Ansage. Zu der Zeit, Ende
2011, hatten Armstrong die monströsen
Dopingvorwürfe bereits eingeholt, die Mo-
nate später zur lebenslangen Sperre und
zur Aberkennung sämtlicher Rad-Meriten
führten, darunter sieben Tour-de-France-
Titel. Also bereitete sich der texanische
Superdoper, verbunden mit Salazar über
den gemeinsamen Sponsor Nike, auf seine
Zweitkarriere als Triathlet vor. Im Mai dar-
auf gewann er den Iron Man Florida, Wo-
chen später den nächsten auf Hawaii.


Ob Salazar, der Langstrecken-Guru und
Chef des Nike Oregon Project (NOP), an die-
sen Triumphen mitgewirkt hat, ist nicht be-
kannt. Aus den Akten der amerikanischen
Anti-Doping-Agentur Usada, die beide
Sporthelden zu Fall gebracht hat – damals
Armstrong und nun auch Salazar –, geht
nur hervor, dass Armstrong kurz darauf tat-
sächlich erfuhr, was genau das neue Wun-
dermittel von Alberto Salazar war. Wieder
per Mail: „Bei meinem Assistenten Steve
benutzte der Arzt einen Ein-Liter-Koch-
salzbeutel mit einer L-Carnitin- und Dex-


trose-Lösung, dadurch stieg sein Insulin-
spiegel an, und das L-Carnitin zog in die
Muskeln ein.“
L-Carnitin ist ein Fettverbrenner, dem
auch Eigenblut-Dopingeffekte nachgesagt
werden. Es ist zwar nicht verboten, infun-
diert in so horrenden Mengen zählt es aber
zweifelsfrei zu den verbotenen Praktiken
nach den Anti-Doping-Regeln: legale Infu-
sionen sind auf ein Volumen von 50 Millili-
ter begrenzt. Der Einschuss eines ganzen
Liters bei Assistenzcoach Steve Magness
soll an die fünf Stunden gedauert haben.

Das Schiedsgerichtsurteil zu Salazar, 61,
der wegen Testosteron-Handels und ande-
rer Dopingverstöße für vier Jahre gesperrt
wurde, wirft Fragen in viele Richtungen
auf. Eine betrifft das große Ganze: Hat der
Projektleiter, der selbst einst die Mara-
thons in Boston und New York gewann, ei-
ne Betrugskultur im NOP etabliert? Oder
lassen sich die Vorgänge trennen: Da der
Boss, dort seine Co-Trainer und ihre Athle-
ten, die zwar unter dem Guru wirkten, aber
ganz andere Wege gingen als er – und trotz-
dem sehr erfolgreiche?
Die Frage ist heikel, die Fahnder der Usa-
da dürfen sich dazu nicht äußern. Doch im
Umfeld der Agentur heißt es: „Alles deutet
darauf hin, dass es nur diese eine Kultur
gab – die von Alberto.“ Eine Kultur, die an-
rüchige Experimente, gezielte Fehldiagno-
sen, Aktenfälschung und vieles andere be-
inhaltet, das den unbedingten Willen ver-
rät, zumindest die Grenzen des nicht Verbo-
tenen durch alle Grauzonen auszureizen.
Und: Salazar leitete das Nike-Projekt von
2001 bis vor acht Tagen, als ihn das Urteil
aus der Leichtathletik-WM in Doha riss.
Am „schockierendsten“, heißt es im Um-
feld der Fahnder, empfinde man den Um-
gang der Firma Nike mit der Affäre. Bis zu-
letzt war Salazar eng mit der Konzern-Spit-
ze verbandelt, die Mail zur Carnitin-Infusi-
on, die er Armstrong schickte, ging auch an
Vorstandschef Mark Parker und Innovati-
ons-Chef Tom Clarke. Parker hatte über-
dies eine Nachricht erhalten, in der Salazar
berichtete, wie er seinen Söhnen Testoste-
ron-Gel verabreichte, um im Urin zu ermit-
teln, welche Menge unter der Doping-
Nachweisschwelle liegt. Nike vertrat dabei
Salazars Erklärung, er habe da nur Schutz-

maßnahmen erprobt – für den Fall, dass
böse Rivalen seinen Athleten mal eine Tes-
tosteronsalbe einmassieren würden.
Willkommen im höchstentwickelten
Trainingscamp des Weltsports. Da es ver-
mutlich nicht so oft vorkommt, dass sich
ausgerechnet die top gesteuerten Stars des
Nike-Projekts von Wildfremden gefährli-
che Salben auftragen lassen, spricht diese
Erklärung für sich selbst.
Nike, heißt es im Lager der Dopingbe-
kämpfer, habe bis heute auch keinen Ver-
such gemacht, die Whistleblower in dieser
Affäre zu schützen, die jahrelang unter
Stress-Symptomen litten; und man habe
auch keine unabhängige Untersuchung
der Vorgänge im eigenen Camp angescho-
ben. Nicht mal eine Entschuldigung liegt
vor. Stattdessen habe der Konzern, schätzt
eine Quelle, fünf bis zehn Millionen Dollar
in die Anwaltskosten für Salazar und des-
sen ärztlichen Doppelpartner Jeffrey
Brown gepumpt. Der texanische Endokri-
nologe Brown wurde als Mithelfer für vier
Jahre gesperrt; das Urteil offenbart, wie lis-
tig seine Topanwälte an allen Schrauben
drehten, um das Verfahren in die Länge zu
ziehen. „Wir wurden auf Schritt und Tritt
blockiert“, sagt Usada-Chef Travis Tygart.
Dazu passt, dass die Parteien Salazars
und Browns lange zu verbergen versuch-
ten, dass sie eine Verteidigungs-Vereinba-
rung mit Nike hatten. Im Brown-Verfahren
rügte die Usada, dass diese Vereinbarung
„es Nike in Verbindung mit dem Einfluss in
der Leichtathletik ermöglicht hat, Aussa-
gen zu koordinieren und die Erstellung
von Dokumenten im Schiedsverfahren zu
kontrollieren“. Salazar weist alle Vorwürfe
zurück, er will das Urteil anfechten.

Nikes stark irritierende Haltung: Die Fir-
ma schützt einen Lauf-Guru, der sogar
selbst Sportlern Medikations-Anweisun-
gen gab und sie auch nicht informierte,
dass er über Brown Einblick in ihre Patien-
tenakten nahm. Und sie schützt einen Arzt,
der NOP-Athleten reihenweise eine Unter-
funktion der Schilddrüse attestierte –
denn nach Aktenlage war dies ein wesentli-
cher Trick, um sie mit entsprechenden Hor-
monen traktieren zu können, die ihre Tes-
tosteron-Spiegel erhöhten. Die US-Läufe-

rin Kara Goucher sagte aus, Browns Rolle
im NOP habe sie „sehr besorgt, weil jeder
im Team eine Schilddrüsenunterfunktion
hatte“. Kollegin Lindsay Allen-Horn hatte
diese Gerüchte schon gehört, bevor sie bei
Nike andockte: Das Oregon-Projekt habe
ein Schilddrüsenproblem. Als Salazar sie
dann zu Brown schickte, wurde auch ihr
prompt die Einnahme von Schilddrüsen-
Arznei verordnet.
Was das für das Projekt heißt, für all die
Läufer, die darauf pochen, dass sie keine
Salazar-Schüler seien? Usada-Chef Tygart
sagt: „Schon unseren Kindern trichtern
wir ein, dass sie über die Leute definiert
werden, mit denen sie sich abgeben!“ Es
werde natürlich Fragen geben an Salazars
Vorzeigeathleten wie Rupp, Mo Farah,
Matthew Centrowitz. Und an alle anderen:
Wie wahrscheinlich ist es, dass innerhalb
eines Projekts zwei verschiedene Kulturen
Platz haben?

Lance Armstrong übrigens war 2012 bei
seinem ersten Iron-Man-Sieg in Florida
nicht nur auf dem Rad der Schnellste, son-
dern auch beim Laufen; bis heute hält er
den Streckenrekord. Wochen später siegte
er auf Hawaii. Dann kam die Dopingsperre
und vereitelte alle Karrierepläne. Ob er in-
fundiert hatte oder nicht, wird man wohl
nie erfahren. Sicher ist nur: Wäre er jene 16
Minuten, die ihm Nike-Kollege Salazar per
Mail als Leistungsgewinn angepriesen hat-
te, langsamer gewesen, hätte er es nie aufs
Siegerpodest geschafft. Nicht in Florida,
und nicht in Hawaii. thomas kistner

von lea deuber

Peking– Nur sechs Wörter ist der Tweet
lang,der den Erfolg der amerikanischen
Basketball-Profiliga NBA in China für lan-
ge Zeit dämpfen könnte. Daryl Morey, der
Manager des NBA-Klubs Houston Rockets,
hatte am Freitag auf seinem privaten Twit-
ter-Account ein Bild veröffentlicht mit den
Worten: „Kämpft für die Freiheit, unter-
stützt Hongkong.“ Die kurze Nachricht hat
eine handfeste Krise zwischen der NBA
und der chinesischen Führung ausgelöst.
Kurz nach Veröffentlichung der Solidari-
tätsbekundung mit den pro-demokrati-
schen Demonstranten in Hongkong zog
der Manager des texanischen Klubs diese
zurück und erklärte, er habe seine „Freun-
de in China“ nicht beleidigen wollen und
sich geirrt: „Ich habe nur einen Gedanken
geäußert, basierend auf einer Interpretati-
onsweise eines sehr komplizierten Ereig-
nisses.“ Auch die NBA-Führung distanzier-
te sich in einer Stellungnahme von dem da
bereits gelöschten Tweet; der Kommentar
sei „unerfreulich“. Man habe einen großen
Respekt vor der Geschichte und Kultur Chi-
nas. Helfen konnte das alles nicht mehr.
Der chinesische Basketballverband been-
dete kurz darauf die Zusammenarbeit mit
dem NBA-Team, eine Shanghaier Bank
und der Sportartikelhersteller Li Ning Co.
kündigten ihre Sponsoring-Deals, und der
Staatssender CCTV erklärte, erst einmal ei-
nige Vorbereitungsspiele zur NBA-Saison
nicht auszustrahlen.
Der Staatssender begründete die Ent-
scheidung damit, dass auch der NBA-Com-

missioner Adam Silver Manager Morey zur
Seite gesprungen war. „Was ich in dieser Si-
tuation unterstütze, ist seine Meinungsfrei-
heit“, hatte Silver in einem Interview in To-
kio erklärt; er könne niemandem vorschrei-
ben, was dieser sage oder nicht sage. Die
Reaktion des Staatssenders wiederum fiel
eindeutig aus: „Wir drücken unsere starke
Unzufriedenheit und Ablehnung gegen
Adam Silver aus.“ In einem Video legte ein
Moderator nach und erklärte, die Fans des
US-Teams seien in erster Linie Chinesen:
„Wir lieben das chinesische Rot mehr als
das Rot der Houston Rockets.“ Morey habe
ein schweres Foul begannen und müsse
nun den Preis dafür zahlen.
China hat in der Vergangenheit immer
wieder Unternehmen, Verbände und Regie-
rungen abgestraft, die sich nicht an die offi-
zielle politische Linie Pekings gehalten hat-
ten. So zwingt Chinas Regierung Konzer-
ne, den Staat Taiwan auf ihren Firmensei-
ten als einen Teil der Volksrepublik aufzu-
führen, wenn sie in Festlandchina Geschäf-
te machen wollen. Norwegische Firmen
konnten keinen Lachs mehr nach China ex-
portieren, nachdem 2010 der Friedensno-
belpreis an den inzwischen in chinesischer
Gefangenschaft gestorbenen Menschen-
rechtler Liu Xiaobo in Oslo verliehen wor-
den war. Erst im August musste der Chef
der Hongkonger Fluggesellschaft Cathay
Pacific zurücktreten, nachdem Mitarbei-
ter sich an den Protesten in Hongkong be-
teiligt hatten. Es geht der Kommunisti-
schen Partei dabei darum, das Narrativ
und die Sicht auf das Regime weltweit zu
steuern und zu bestimmen. Die chinesi-

sche Staatszeitung fasste es in dieser Wo-
che selbst recht nonchalant so zusammen:
Unternehmen müssten China gegenüber
„gefälliger“ sein, wenn sie dort Geld verdie-
nen wollten. Das Team der Houston Ro-
ckets und andere Firmen sollten daraus ler-
nen: Der große chinesische Markt sei offen
für die Welt, aber wer die Kerninteressen
Chinas in Frage stelle und die Gefühle des
chinesischen Volkes verletze, der könne
dort keine Profite machen.

In den USA sorgte vor allem das Einkni-
cken der Basketball-Liga für Ärger. Der re-
publikanische Senator Rick Scott aus Flori-
da bezeichnete die Entschuldigung der
NBA als einen „absoluten Witz“; der texani-
sche Senator Ted Cruz sprach von einem
„beschämenden Rückzug“: Er sei stolz ge-
wesen, als er den Kommentar des Mana-
gers gelesen habe. Der demokratische Prä-
sidentschaftsbewerber Julian Castro
sprach sich wiederum für die Unterstüt-
zung der pro-demokratischen Bewegung
in Hongkong aus: Man könne sich nicht
von einem autokratischen Regime mob-
ben lassen. Auch der Besitzer des NBA-
Klubs Brooklyn Nets, der taiwanesisch-ka-
nadische Milliardär Joseph Tsai, kam für ei-
ne Erklärung auf seinem Facebook-Ac-
count unter Druck. Dort äußerte er seine
Unterstützung für die chinesische Haltung
und nannte die Demonstranten Separatis-

ten. Chinas Bürger seien vereint, wenn es
um die Frage der nationalen Einheit gehe,
behauptete Tsai, den Adam Silver im Sep-
tember noch gelobt hatte für dessen „un-
schätzbaren Wert für das weitere Wachsen
der NBA in anderen globalen Märkten“.
Für die NBA ist die Auseinandersetzung
ein Debakel. China ist für das Unterneh-
men der wichtigste Markt außerhalb der
USA; die NBA verdient dort jedes Jahr Milli-
arden Dollar mit TV-Rechten und Merchan-
dising. Basketball ist in China äußerst be-
liebt, der Sport wird auf fast jedem Pausen-
hof im Land gespielt. Spätestens seit es der
chinesische Basketballspieler Yao Ming in
die NBA schaffte, träumen chinesische Ju-
gendliche von einer Karriere in den USA.
Auf der anderen Seite hatte gerade das
Team von Morey in den vergangenen Jah-
ren große Summen in China investiert und
dort viele Vorbereitungsspiele absolviert,
um dort noch mehr Fans zu gewinnen. Der
Klub ist durch eben jenen Yao Ming be-
kannt und populär geworden, der mehrere
Jahre bei den Rockets spielte und heute
Chinas Basketballverband leitet. 2002
schalteten rund 200 Millionen Chinesen
ein, als Yao Ming sein erstes Spiel für das te-
xanische Team bestritt.
In dieser Woche treten nun die Los Ange-
les Lakers mit ihrem Superstar LeBron
James und die Brooklyn Nets von Joseph
Tsai in China auf, am Donnerstag in Shang-
hai und am Samstag in Shenzhen treten sie
gegeneinander an. Die Reise sollte eine wei-
tere PR-Aktion für die NBA werden. In den
sozialen Medien erklärten viele Fans be-
reits, die Spiele boykottieren zu wollen.

In der Torwartfrage bei den


DFB-Frauen ist der Körper von


Schult der entscheidende Faktor


Der NBA droht ein Debakel:
China ist der wichtigste
Markt außerhalb der USA

Bis heute hält Armstrong den
Streckenrekord – im Laufen

Nummer eins


mit acht Länderspielen


Merle Frohms wird als Torhüterin des Nationalteams aufgebaut


Die eine zurückhaltend, die andere laut:
Merle Frohms (oben) vertritt die verletzte
Almuth Schult. FOTO: GETTY, REUTERS


Eine Frage der Meinungsfreiheit


Sponsorendeals werden gekündigt, Übertragungen abgesagt, Kooperationen beendet: Wegen eines
privaten Tweets eines Klub-Managers über Hongkong straft China die amerikanische Basketball-Profiliga NBA ab

„Du wirst 16 Minuten schneller laufen, wenn du das nimmst. Alberto.“


AuchMails an Lance Armstrong belegen, in welche Graubereiche der Lauftrainer Alberto Salazar vorgedrungen ist. Am erschreckendsten finden die Fahnder allerdings das Verhalten von Nike


Von seinen Testosteron-Versuchen


berichtete er auch dem Nike-Chef


Großes Geschäft: Die NBA und ihre hier als Gummipuppen ausgestellten Protagonisten sind in China sehr populär – zumindest bis jetzt. FOTO: MARK SCHIEFELBEIN / AP

DEFGH Nr. 233, Mittwoch, 9. Oktober 2019 (^) SPORT HMG 25
Als Radler des Dopings überführt, ver-
suchte sich Lance Armstrong ab dem Jahr
2011 als Triathlet. FOTO: WAYNE JONES / AP
Der Mann mit der Stoppuhr hat viele
Geheimnisse:Alberto Salazar, Kopf des
„Nike Oregon Project“. FOTO: ICON SMI / IMAGO

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