Neue Zürcher Zeitung - 03.11.2019

(Barré) #1

18 ZÜRICH UNDREGION Donnerstag, 3. Oktober 2019


Planungsdebakel beim Kongresshaus bleibt folgenlos


Zürcher Gemeinderat lässt in der Debatte um einen Zusatzkredit erst aunlich e Milde walten


Der Umbaudes Zürcher


Kongresshauses verschlingt


deutlich mehrGeld als


vorgesehen.Der Gemeinderat


hat den Stadtratdafürzwar ein


bisschen gemassregelt,einen


Zusatzkredit aber bewilligt– mit


einer leichtenAnpassung.


ADI KÄLIN


Die Sanierung vonKongresshaus und
Tonhalle wird teurer und dauert län-
ger. Das hat der Zürcher Stadtrat den
Medien Mitte April etwas zerknirscht
bekanntgegeben.Ausgerechnet beim
Kongresshaus, möchte man sagen. Der
Skandal um dieKostenüberschreitun-
gen beim letzten grossen Umbau des
Kongresshauseshatschondaspolitische
Zürich in den achtzigerJahren durch-
geschüttelt und einen Stadtrat dasAmt
gekostet.Warum hat man nicht zu ver-
meiden versucht,dass dieKosten schon
wieder aus demRuder laufen?


Kompromiss im letzten Moment


Bisher hat man vor allem von den
Reserven gelebt und befindet sich des-
halb noch ganz knapp innerhalb des
bewilligten Kredits von 165 Millio-
nen Franken. Nun ist aber ein Zusatz-
kredit von 13,1 MillionenFranken vor-
gesehen, mit dem zum einen weitere
Optimierungen bezahlt werden (neue
Stühle undParkett mit Schallankoppe-
lung an die Bühne), zum andern die arg
geschrumpfteReservewiedereinwenig
aufgestockt wird.Auf jedenFall fallen
die 3,7 MillionenFranken Mehrkosten
an,diederTonhalle-Gesellschaftwegen
der Verzögerung des Einzugs insreno-
vierte Haus entstehen.
Die ganz grosseKeule wollte imRat
niemand hervorholen.Am deutlichsten
warnochUrsEgger(fdp.),dervoneiner
«Serie vonPannen und mangelnden
Kontrollen»sprach. Andere sprachen
von «Irrungen undWirrungen» oder
«grobenFehlerninderBauleitung».Auf
rot-grünerSeitewarma nnatürlichnoch
sehr viel zurückhaltender, unter ande-
rem, weil die eigenen Stadträte invol-
viert sind. Die Sache sei «unschön,aber
verständlich» – eineFormulierung, zu
der mehrereRednerinnen undRedner
von SP und Grünen griffen.
Vor allem aber fanden sie, dass die
bürgerliche Seite mit ihrenKürzungen
des Zusatzkredits denBau gefährde,


weil es möglicherweise sogar zu einem
Baustoppkommen könnte. SP und
Grüne hätten eigentlich den Zusatz-
kredit als Ganzes genehmigen wollen,
sprangen aber, wie sich Urs Eggeraus-
drückte, «im letzten Moment auf den
AL-Zugauf ». Der Kompromiss, der
eineMehrheitversprach,sahvor,einen
Anteil des Kredits von 4,7 Millionen
Franken nur alsDarlehen zu gewähren


  • falls er denn nötig würde.Die FDP
    wolltelediglichdasGeldfürdieZusatz-
    wünschesprechen,nichtaberdieReser-
    ven erhöhen.Und die GLP schliesslich
    sprach sich für eineKürzung aus, die
    irgendwo in der Mitte lag.
    Verschiedentlich wurde der Steue-
    rungsausschuss kritisiert, demgleich
    drei Stadträte angehören. Klar sagte es
    PirminMeyer (glp.): «DerSteuerungs-
    ausschusshatdasRudereindeutignicht
    fest im Griff gehabt, was zu unklaren
    Verantwortlichkeiten, Überforderung
    im Management undschliesslichzu den
    Kostenüberschreitungen und zurVer-
    zögerung in derFertigstellung führte.»
    Severin Pflüger (fdp.) fand, die Struk-


turen seien schuldam Schlamassel. Die
StadträtemitihrervollenAgendakönn-
tengarnichtdieKontrolleüberall eAb-
läufe wahrnehmen. Am Ende seien es
Leute aus derVerwaltung und nicht
Spezialisten,die das Sagen hätten.
Stadtrat André Odermatt (sp.) gab
aus seiner SichtAuskunft über das Ge-
schehen.Manhabeimmergewusst,dass
die Sanierungkein Spaziergang werden
dürfte, sagte er. Er v erstehe auch, dass
der Gemeinderat nicht erfreut sei über
die zusätzlichenKosten. Man müsse
aber genau hinschauen: Bis jetzt näm-
lich habe es effektiv nochkeine Kos-
tenüb erschreitungen gegeben. Es seien
einfach dieReserven so gut wie aufge-
braucht .Man wolle nun aber frühzeitig
den Zusatzkredit verlangen und nicht
erst,wennesmöglicherweisezuspätsei,
sagte Odermatt.

«Planungnicht nachgeführt»


Odermatt gestand ein,dass die Planung
nicht vollständig gewesen sei, zu we-
nig ausgereift, und sie sei nicht sauber
nachgeführt worden. Der Projektleiter,
dem dies angelastet werdenkönne, sei
ja auch ausgetauscht worden.Was den
Steuerungsausschuss des Stadtrats an-
gehe,sohabediesergewisseEntscheide
aufgrund von falschenAnnahmen ge-
troffen. Man sei, als man auf dieWün-
schederzweiInstitutioneneingegangen
sei, davon ausgegangen, dass das Geld
reichen würde.
Raphaël Tschanz (fdp.) machte auf
einenPunktaufmerksam,derdieAussa-
genOdermattsetwas relativierte.Reser-
ven seien für Unvorhergesehenes be-
stimmtunddürftennichtfürProjektop-
timierungen verwendet werden.Was an
Mehrkostenentstehe,müsseandernorts
eingespartwerden.ZudemseiderKom-
mission vom Amt für Hochbauten und
vom Stadtrat immer versprochen wor-
den,dassdie165MillionenFrankenaus-
reichen würden.Tatsächlichrechneten
ja die Kostenschätzungen in den letz-
ten Jahren mit immer höherenKosten.
Von der Pinselrenovation für 40 Millio-
nen Franken stieg der Betrag zuerst auf
90,dann auf über140 Millionen.
DerMehrheitsantragvonSP,Grünen
un dAL, unterstützt auch von derSVP,
setzte sich am Ende erwartungsgemäss
durch. Überwiesen wurde schliesslich
nocheinPostulatderSVP, indemange-
regtwird,nachAbschlussderSanierung
einen Bericht vorzulegen, um künftig
Planungsfehler undKostenüberschrei-
tungen vermeiden zukönnen.

DerKronleuchter im grossenTonhalle-Saal bleibtwährend derBauarbeiten hinter schützenden Planen verborgen. KARIN HOFER/ZÜRICH

Altlaste n und Zusatzwünsche


ak.∙ Die Mehrkosten beimKongress-
haus-Umbaugliedernsichinganzunter-
schiedliche Kategorien und sind zum
einen der schlechtenBausubstanz und
anderen Schwierigkeiten geschuldet,
zum andern sind sie dieFolge einer un-
ausgereiften Planung und mangelhafter
Koordination. Schon Ende letztenJah-
res war klar , dass man zusätzliche 8 ,
MillionenFranken brauchen würde. Es
habe sich um «notwendige Anpassun-
gen» gehandelt,sagt der Stadtrat, wes-
halb das Geld dafür aus denReserven
genommen wurde. 2,4 Millionen zu-
sätzlichkosteten die Beseitigung von
Asbest und die Probleme mit dem
Grundwasser.Weitere 5,8 Millionen
waren «Projektoptimierungen» wie zu-
sätzliche Empfangsschalter oderToilet-
ten,derEinbauderTonhalle-Orgeloder
Verbesserungen bei derAkustik.
AnfangdiesesJahreszeigtesichaber,
dass es mit diesen 8,2 MillionenFran-

ken nicht getan ist.Weil der Kostenvor-
anschlagzuwenigsorgfältigausgearbei-
tet worden war, erhöhten sich dieKos-
tennochmalsum9,6Mi llionen Franken.
Für1,6MillionenFrankendavonwurde
di e schlechteBausubstanz verantwort-
lichgemacht,bei2,4warenesneueVor-
schriften, und 5,6 Millionen schob man
auf«UnschärfenbeiderPlanung».Nach
dies en zweiRunden sind dieReserven
von 20,5 auf 2,7 Millionen geschrumpft.
Der verlangte Zusatzkredit beträgt
13,1 MillionenFranken. DieReserven
sollen mit6,9 Millionen wieder auf-
gestockt werden, 2,5 Millionen wären
für Zusatzwünsche wieneue Stühle
und Parkett mit Schallankoppelung an
die Bühne gedacht. Und 3,7 Millionen
schliesslichkosten dieVerzögerungen
beimUmzugderTonhalle.DerGesamt-
krediterhöhtsichvon165auf 178,4Mil-
lionen Franken, wovon einTeil nur als
Darlehen gewährt werden soll.

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ERZ-Af färe: Stadt


muss nachzahlen


Aufräumarbeiten bei Entsorgung und Recy cling Zürich


scf.· Ein manifester Skandal erschüt-
terte 2017 das St adtzü rcher Entsor-
gungswesen.SchwarzeRechnungen,ein
unerlaubterHandel mit Occasionsfahr-
zeugen und eine krude Buchführung
kosteten den Chef der Abteilung den
Posten. Unter dessen beschäftigt die
Affäre dieVerwaltung weiterhin.
Unter der altenFührung von Ent-
sorgung undRecycling Zürich (ERZ)
wollte man ein IT-System für eine ein-
hei tliche Dokumentation und Planung
vonArbeiten im Bereich Entwässerung
einführen.Dabei wurden jedochVor-
gaben der städtischenFinanz- undVer-
gabekompetenzen missachtet. In diver-
sen Zwischenschritten hat man Kredite
undVergaben eigenhändig bewilligt.
Im Rahmen der «Aufräumarbeiten»
bei ERZ will der Stadtrat nun «auch
diesen Missstand beheben», wie es am
MittwochineinerMitteilungderRegie-
rung heisst. Bereits getätigteAusgaben
vonrund2,5MillionenFrankenwurden
nachträglich bewilligt.Auch ein Rest-
betrag in der Höhe von 100000 Fran-
ken, der zurVollendung des Projekts

benötigt wird, wurde ordentlich geneh-
migt. Es dürfte nicht der letzte Miss-
stand sein, den die neueFührungnach
der Affärebeseitigen muss.Bereits vor
zwei Wochen gab die Stadt bekannt,
dass sie mehrere ERZ-Werkstätten in
Wallisellen schliessen wolle. Die Be-
triebe schreiben seitJahren rote Zah-
len. Insgesamt wurde ein Defizit von
über 37 MillionenFranken erwirtschaf-
tet. Betroffen von der Massnahme sind
22Mitarbeiter.EinSozialplanwirdaus-
gearbeitet.StadtinterneStellenangebote
sollen Entlassungen verhindern.
DieWerkstattbetriebestehenfürvie-
les, was bei Entsorgung undRecycling
Zür ich falsch gelaufen ist. Ein Bericht
ort ete im April «grobes Management-
versagen» beim Entsorger und «deut-
liche Führungs- und Entscheidungs-
schwäche»bei den verantwortlichen
Stadträten. Zurzeit befasst sich eine
Parlamentarische Untersuchungskom-
mission (PUK) des Gemeinderats mit
den Missständen bei ERZ. Die Unter-
suchungenwerdenlautdemPräsidenten
noch mehrere Monate andauern.

Lokalmarkt


indenNa

tionalrat

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bisher

Seefeldstrasse 144 8008 Zürich
T044 383 62 67 http://www.cafe-freytag.ch

AMARETTI
VON FREYTAG

Die zartbittereVersuchung
aus dem Seefeld.
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